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Faschismus als Filmstoff 

Nahuel Pérez Biscayart als Gilles in „Persischstunden“

Können neue Filme über die Nazizeit Neues erzählen? Eher nicht. Derzeit sind im Filmclub zwei  Versuche aus zwei Welten zu sehen, „Persischstunden“ und „Il cattivo poeta“.

von Renate Mumelter

Was motiviert Autorînnen (meist Männer), Filme über diese Zeit zu drehen, frage ich mich, und was bewegt Schauspielerînnen dazu, diese Uniform-Rollen anzunehmen? In den aktuellen Beispielen spielt Lars Eidinger einen Nazioffizier, Sergio Castellitto verkörpert den Faschistendichter Gabriele D’Annunzio. Erzählt werden sehr unterschiedliche Geschichten. Die eine ist zutiefst grausam, spannend und interessant, der andere ist eher platt. 

Filme über die Nazizeit oder den Faschismus interessieren mich überhaupt nicht mehr. Mit  Benignis „La vita è bella“ und Chaplins „Der große Diktator“ wurde genug gesagt, mit anderen Filmen, die richtiger Weise die Opfer in den Mittelpunkt stellen auch. Es gäbe heute sonst so viel Brisantes zu erzählen.

Persischstunden

ist Suspense pur, obwohl es keine Action gibt. Drehbuchautor und Regisseur Vadim Perelman erzähle eine wahre Geschichte, heißt es im Vorspann. Grundlage für das Drehbuch war eine Erzählung von Wolfgang Kohlhaase, einem der wichtigsten Drehbuchautoren der deutschen Filmgeschichte. Das Drehbuch für diesen Film stammt aber nicht von Kohlhaase. 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der junge Gilles, der mit anderen Juden erschossen werden soll, einfach so. In seiner Verzweiflung behauptet er, kein Jude sondern Perser zu sein. Auf diese Idee kommt er, weil er auf dem Transport ein persisches Buch gefunden hat. Dass ein Buch seine große Überlebenschance sein wird, konnte er nicht ahnen. Es stellt sich aber heraus, dass der zuständige Offizier Belohnungen auf Perser versprochen hat, weil er Farsi lernen will. Gilles muss also Persisch erfinden, lehren und selbst lernen. Das alles im Lager, wo Grausamkeiten an der Tagesodnung sind. Sprache, Erfindungsgabe und höchste Konzentration sind Gilles unblutige Waffen. Nahuel Pérez Biscayart als Gilles und Lars Eidinger als Offizier Koch spielen subtil, zeigen in kleinen Gesten, wie sich Feinde näher kommen können, wenn sie miteinander ins Gespräch kommen. 

Il cattivo poeta

ist weniger spannend. Der Film spielt großteils in D’Annunzios Vittoriale am Gardasee. Im Mittelpunkt steht der von Mussolini verehrte Dichter und dessen letzte Jahre. Das Regime setzt Giovanni Comini, einen aufstrebenden, jungen Fascio auf D’Annunzio an. Er soll verhindern, dass der „vate“ seinen Dissens zum Pakt mit Hitler zum Ausdruck bringt. Der Film geht mit der ambivalenten Figur D’Annunzio recht unkritisch um. Faschistische Bauten dominieren das Bild, Mussolini ist zu sehen, Hitler im Original auch. D’Annunzio als Dichter hymnischer Texte kommt nicht vor.Eine sehr konventionelle, getragene Kameraführung, bombastische Schwenks, saluti romani und Habtacht-Stellungen, klimpernde Filmmusik und ein Castellitto schlecht auf alt geschminkt tun das Ihre dazu. Darauf habe ich keine Lust. Faschistische Architektur habe ich vor der Haustür, den Vittoriale könnte ich real anschauen, wenn ich nur wollte. „Il cattivo poeta“ wurde von Gianluca Iodice gedreht. Es ist der erste Spielfilm des 48-Jährigen.

Sich beide Filme anzusehen, kostet Durchhaltevermögen, ist aber zum Thema Vergangenheitsbewältigung und Blick nach vorne durchaus aufschlussreich. 

„Persian Lessons“ DE/RU 2019, 128 Min. Regie: Vadim Perelman, mit: Nahuel Perez Biscayart, Lars Eidinger, Marcus Calvin

„ll cattivo poeta“ IT/FR 2020, 118 Min., Regie: Gianluca Iodice, mit: Sergio Castellitto, Francesco Patanè, Tommaso Ragno, Fausto Russo Alesi, Massimiliano Rossi, Clotilde Courau

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