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„Auf jeden Fall weiterimpfen“

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Trotz des Auftretens der südafrikanischen Coronavirus-Variante glaubt der Immunologe Bernd Gänsbacher, dass eine Verschärfung der Maßnahmen nicht notwendig ist.

Tageszeitung: Herr Professor, nun ist die südafrikanische Mutation auch in Südtirol nachgewiesen worden. Stellt diese eine Gefahr dar?

Bernd Gänsbacher: Ich merke, dass viele die Mutationen falsch verstehen. Wenn eine Person infiziert wird, ist es nicht so, dass ein Virus über die Nasenschleimhaut in den Körper gelangt, um dann Millionen exakter Kopien von sich selbst zu machen. Es ist vielmehr so, dass z.B. 500.000 Viruspartikel gleichzeitig in den Rachenraum gelangen und dann anfangen sich in den menschlichen Zellen zu vermehren. In diesem schnellen und fehlerhaften Kopierprozess entstehen dann in einigen Viren Kopierfehler und einzelne Basen werden falsch kopiert z.B. in Position 501 des Spike Proteins wird anstelle von einem N ein Y hineinkopiert. Das ist dann eine Mutante. Wenn diese Mutante dann sich schneller vermehrt wird sie zuerst in diesem Menschen prädominieren und später nach weiteren Infektionen in der Gesellschaft und dann spricht man von der N501Y Mutante. Eine solche Mutation könnte also genauso gut in Südtirol entstehen und muss nicht von einem anderen Land importiert werden. Solche Mutationen sind also etwas Normales, nur wenn eine Mutation sich schneller vervielfältigt oder eine höhere Mortalität hat, wird sie für den Menschen gefährlich.

Nun ist die englische Mutation ansteckender als die anderen Varianten, die bisher am meisten verbreitet in Europa waren, von der südafrikanischen Mutante weiß man es nicht genau. Sind strengere Maßnahmen also sinnvoll?

Nein, wenn die Maßnahmen, die vorgegeben sind, eingehalten werden, reichen diese aus. In England hat man die Infektionen von 60.000 täglich auf unter 15.000 gedrückt, in Südafrika auch von über 20.000 auf unter 3.000 täglich. In allen Ländern, in denen es die Mutationen gab, ist es gelungen, die Zahlen durch die Maßnahmen zu senken.

Die Mutation ist also nichts, wovor man Angst haben muss?

Der Gegner ist gefährlicher geworden, weil er dazugelernt hat, aber genauso hat der Mensch dazu gelernt.

Studien belegen aber, dass die südafrikanische Mutation die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffes einschränkt…

AstraZeneca hat im Gegensatz zu Pfizer und Moderna die klinischen Studien erst jetzt gemacht. Wenn die Pfizer und Modena ihre Studien erst jetzt durchgeführt hätten, dann wären ihre Resultate deutlich schlechter als die 94%, die sie im November erzielt haben, weil die gefährlichen Mutanten erst seit Dezember zirkulieren. AstraZeneca hat die Studien in England und Südafrika durchgeführt, dort wo die neuen Mutanten hauptsächlich zirkulieren und deshalb relativ schlechte Resultate. Die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffes in Südafrika liegt nur bei circa zehn Prozent.

Das ist relativ wenig. Gleichzeitig wird in Südtirol das Lehrpersonal mit diesem Impfstoff geimpft werden. Ist das nicht riskant?

Nein, denn es ist wahrscheinlich, dass die Impfung dennoch vor schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten schützt. Es gibt einen Unterschied zwischen einer Infektion, wo man für eine Woche zu Hause bleiben muss und einer schweren Infektion, mit der man ins Krankenhaus muss. Das ist der entscheidende Punkt. Wahrscheinlich schützt auch der AstraZeneca-Impfstoff vor schweren Verläufen.

Trotzdem geht Südafrika mit der Impfung vorsichtig um…

Weil viele Menschen trotz Impfung infiziert wurden. Ob sie auch ins Krankenhaus kamen, weiß man noch nicht. Sie gehen auf Nummer sicher und nehmen die anderen Impfstoffe.

Sie empfehlen also, weiterhin den AstraZeneca-Impfstoff zu verwenden?

Man sollte jeden impfen, wo es Impfstoffe gibt. Es werden durch die Impfung nicht nur Antikörper, sondern auch T-Zellen induziert, die eine wichtige Rolle spielen und deren Funktion man im Labor schlecht messen kann. Alle Pharma-Firmen werden ihren Impfstoff in den nächsten Monaten an die Mutanten anpassen. Das dauert nur einige Monate und funktioniert gleich wie bei der Anpassung anderer Impfstoffe, wie z.B. dem Influenza-Virus. Auch in England wird beispielsweise mit dem AstraZeneca-Impfstoff weiter geimpft.

Was weiß man zur Mortalität bei der südafrikanischen Mutante?

Bisher gibt es keine Erkenntnis dazu, dass die südafrikanische Mutante tödlicher ist, wir wissen das aber von der englischen Mutante. Diese ist um 30 Prozent tödlicher, stellt aber dennoch keinen Grund zur Beunruhigung da, wenn man die Vorgaben einhält. Es werden auch mehr Kinder infiziert.

Das Auftreten der südafrikanischen Mutation in Südtirol ist also nicht dramatisch?

Nein, man muss aber dennoch aufpassen, weil es ein Gegner ist, der sich anpasst, zurückschlägt, überleben will und im Kampf gegen die Antikörper dazulernt. Die neuen Mutanten haben gelernt, schneller als die gegenwertige Mutante zu sein und so manchen Antikörper auszuweichen.

Interview: Markus Rufin

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