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„Nicht mehr zu stemmen“

Foto: LPA/ Pexels

In einem Offenen Brief schlagen Südtirols Hausärzte Alarm: Ihr Arbeitspensum sei in Zeiten von Corona kaum noch zu bewältigen.

Sie wenden sich in einem Offenen Brief direkt an ihre PatientInnen.

Und an die Verantwortlichen im Sanitätsbetrieb und in der Politik.

Die Südtiroler Hausärzte schlagen Alarm: Ihr Arbeitspensum sei kaum mehr zu bewältigen. Insbesondere für ältere Kollegen.

Der Brief im Wortlaut:

Seit Beginn der Pandemie stehen wir ununterbrochen und unter vollem Einsatz in der vordersten Linie. Noch größer als die Angst vor einer Ansteckung ist die anhaltende Belastung durch das täglich wachsende Arbeitspensum, das von vielen – besonders den älteren Kollegen – kaum mehr zu bewältigen ist.

Unser Arbeitstag dauert praktisch zwölf Stunden, und wir sind wohl die einzigen Ärzte, die für den Bürger noch irgendwie erreichbar sind.
Denn selbst wenn wir einen Anruf nicht sofort entgegen nehmen können, rufen doch die allermeisten von uns verlässlich zurück. Bei zig Patientenkontakten am Tag (Visiten, Telefon, Mail, WhatsApp, SMS…) ist dies aber für den einzelnen Hausarzt bald nicht mehr zu stemmen.
Als Hausärzte haben wir kein gesetzliches Anrecht auf Urlaub oder Krankenstand, und einen Vertreter für die eigene Praxis zu finden ist aufgrund des Hausärztemangels im Land nahezu unmöglich. Wir haben ehrlich Angst um unsere Gesundheit und befürchten zudem einen Domino-Effekt, wenn die ersten Kollegen zusammenbrechen und die Last auf noch weniger Schultern verteilt werden muss.

Daher appellieren wir an die Bürger: Bitte verstehen Sie, dass wir es mit einer noch nie dagewesenen medizinischen Ausnahmesituation zu tun haben.

Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt den Hausarzt wegen der jährlichen Cholesterin-Messung, der Verschreibung für eine Thermalkur oder ähnlich aufschiebbare Dinge zu kontaktieren.

Bitte fragen Sie sich selbst: “Kann mein Problem noch etwas warten?” und kontaktieren Sie uns bitte erst dann, wenn Sie diese Frage ehrlich mit “Nein” beantworten können.

Haben Sie Geduld, wenn wir Ihre Anrufe nicht sofort entgegennehmen oder gleich zurückrufen können und bitte haben Sie Verständnis, wenn wir müde sind. Und abschließend: Bitte unterschätzen Sie das Coronavirus nicht, schützen Sie sich und Ihre Nächsten durch gewissenhafte Beachtung der allgemein bekannten Maßnahmen!

Die andere Bitte ergeht an die Verantwortlichen in Politik und Sanitätsbetrieb: Wenn Sie schon im vergangenen Jahr nie die Zeit gefunden haben, uns Hausärzten für unseren unermüdlichen und essentiellen Einsatz Ihren Dank und Anerkennung auszusprechen, möchten wir Sie zumindest darum bitten, uns bei der Versorgung der Bevölkerung nicht weiter zu behindern.

Verbessern Sie endlich die landesweite Meldeplattform mit ihren zahlreichen Schwächen, wie wir es schon seit Monaten fordern! Organisieren Sie endlich die Abholung des gefährlichen Sondermülls aus unseren Praxen, worum wir Sie ebenfalls schon seit Monaten ersuchen!

Geben Sie uns endlich klare Protokolle, damit wir den Bürgern bei Fragen zu Quarantänen u.ä. verbindlich Auskunft geben können! Lösen Sie das Versprechen der digitalen Vernetzung von Krankenhäusern und Hausärzten ein, die in weiten Teilen des Landes immer noch nicht gegeben ist! Und am Wichtigsten: Besetzen Sie die Primariate für Basismedizin mit Hausärzten, welche Ahnung von den Herausforderungen unseres beruflichen Alltags haben!

Wenn Sie uns immer mehr Aufgaben aufbürden, ohne uns gleichzeitig bei der Arbeit zu unterstützen, riskieren Sie nicht weniger als den Zusammenbruch der medizinischen Grundversorgung im Land.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (48)

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  • @alice.it

    Zu „Verbesserung des Systems zur Meldepflicht samt Vernetzung der Krankenhäuser“:
    Die Verantwortlichen an der Sanität könnten sich ein Beispiel nehmen an der Organisation des Südtiroler Bauernbundes.
    Die sind durchorganisiert bis zum letzten Bauernhof; alles funktioniert quasi per Knopfdruck und so ganz nebenbei hat man sich für die Periode 2021 bis 2027 rund 290 Mrd. Euro reservieren lasen
    In Bezirksbüros persönlich vorstellig werden muss man vielfach nur mehr zur Leistung von Unterschriften!

  • snakeplisskien

    Bei der Vernetzung müssen wir ja auch einen Sonderweg bestreiten, der uns aus Kosten nichts gebracht hat. Man hat ja wiederum dieselben mit der Umsetzung betraut, die es nie zustande gebracht haben, anstatt das anscheinend gut funktionierende Trientner System zu übernehmen, das uns sogar gratis zur Verfügung gestellt würde.

    Aber vieleicht erübrigt sich das ja von selbst. Wenn man den irrisinnigen derzeit kursierenden Theorien glauben sollte, dann wird uns allen demnächst ja Chip implantiert, weshalb wir ohnehin alle vernetzt sein werden.

  • tirolersepp

    Nach der ganzen Pandemie ist die gesamte Aufstellung der Sanität in Südtirol zu untersuchen und neu aufzustellen.
    Ein Land wie Südtirol sollte im Stande sein selbst auf seine Patienten zu achten !

    Hausärzte warum erst jetzt der Aufstand – unsere Sanität bräuchte schon längst selbst Hilfe und das schon seit Jahren – wo war da der Aufschrei der Hausärzte ??????

  • manfred

    ….allein schon wenn die Hausärzte auch so lange vergeblich versuchen müssen bei den div. Abteilungen unseres Sanitätswesens am Telefon eine Antwort zu bekommen, als wie Bürger, dann wundert es mich nicht, dass ihnen zu Recht der ‚Kragen platzt‘, Von den anderen, im Brief angeführten, unglaublichen Zuständen mal ganz abgesehen.

  • robby

    Also mein Hausarzt sagt momentan schiebe er eine ziemlich ruhige Kugel.

  • george

    Der „Obertölpel“ ’summer‘ muss doch überall seine nichtsnutzigen u. sinnlosen Kommentare dazu geben. So sind „Tölpel“ nun einmal, die immer in anderen Personen die Tölpel sehen wollen.

  • exodus

    @summer Auf Arztrechnungen kommt keine MWST. sondern Stempelsteuer!!

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