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Besuch im Negerdorf

Negerdorf in Sexten (Foto: sexten.it)

Spätestens nach der Diskussion um die Negerhütte in Corvara gerät auch das Negerdörfl in Sexten in Bedrängnis. Woher die Bezeichnung kommt und warum sie immer noch im Volksmund, aber auch auf Hinweistafeln und Landkarten, geläufig ist.

von Silke Hinterwaldner

Wer sich in Sexten zu einer Wanderung in Richtung Klammbachalm aufmacht, kann auf der Landkarte auf die eigentümliche Bezeichnung einer Örtlichkeit stoßen. Der Wanderweg führt am „Negerdorf“ vorbei. Aber auch sobald sich der unbedarfte Wanderer bereits am Weg befindet, sind die Botschaften unmissverständlich: Die offensichtlich frisch aufgestellten Wanderschilder des AVS zeigen Richtung „Negerdorf“.

Aber was hat es auf sich mit dieser Bezeichnung? Und kann man heute eine Örtlichkeit tatsächlich noch so nennen, ohne dass sich jemand daran stößt?

Rudolf Holzer ist Dorfchronist in Sexten und über das Tal hinaus dafür bekannt, dass er in historischen Fragen gut beschlagen ist. Er erklärt die Ursprünge der Bezeichnung „Negerdörfl“:

„In der Egge, so die ursprüngliche Bezeichnung, gab es sieben Heuschupfen, in denen ebenerdig ein Stall untergebracht war. Die Bauern haben im September die Ochsen von den Almen geholt und sie dort untergebracht, bevor die Tiere auf den Märkten verkauft werden konnten. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde das Bataillon Nummer 1 der Innsbrucker Standschützen in den Hütten untergebracht. Weil es an der Front eine Erkennungsparole brauchte, suchte man nach einem passenden Wort, das sich jeder leicht merken konnte. Einer der Standschützen soll gesagt haben: „Hier stinkt es wie bei den Negern in Afrika.“ Folglich könnte man als Erkennungsparole „Negerdörfl“ wählen. Die Bezeichnung blieb auch nach dem Krieg im Volksmund geläufig.“

Schließlich trug man die Bezeichnung vor vielen Jahrzenten in die ersten Landkarten und Wanderkarten ein. „Damals“, sagt Rudolf Holzer, „hat sich wohl kaum jemand etwas dabei gedacht. Aber heute ist die Bezeichnung „Neger“ verpönt.“

Darf der Name trotzdem bleiben? Nach der Diskussion um die Negerhütte im Gadertal, die nach einem Protestbrief aus Deutschland entbrannte, zeichnet sich ab, dass auch die Tage des Negerdorfes in Sexten gezählt sein könnten. Alfred Prenn, Referent für Tourismus in der Gemeinde Sexten, sagt: „Das hat mit Rassismus nichts zu tun. Trotzdem hat es bereits in der Vergangenheit Diskussionen darum gegeben, ob der Name noch verwendet werden soll.“ Wo möglich, versuche man auf die umstrittene Bezeichnung zu verzichten und durch den älteren Namen „Egge“ zu ersetzen. Das Problem dabei sei nur, dass diese Bezeichnung weit weniger geläufig sei. Das Umlernen, so Prenn, werde wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Dabei gibt es jemanden, der schon vor einigen Jahren einen Vorstoß zur Abschaffung der Bezeichnung gewagt hatte. Hanspeter Stauder war viele Jahre lang Gemeinderat der oppositionellen Bürgerliste in Sexten. Als solcher hatte er in seiner letzten Amtsperiode vor 2015 einen Beschlussantrag eingebracht. Dieser Antrag wurde von den Gemeinderäten der Mehrheit mitgetragen. Nur: Passiert ist nicht viel. „Noch immer“, sagt Stauder, „taucht die Bezeichnung ständig auf, nicht nur im Gespräch, sondern auch auf ganz offiziellem Weg.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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