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Corona mit 24

Covid-19-mit 24? Das gibt es. Ein Bozner musste drei Wochen auf der Intensivstation in Hall in Tirol verbringen, die meiste Zeit intubiert. Inzwischen ist er wieder zu Hause und warnt: „Was mir passiert ist, kann jedem passieren. Niemand ist sicher“  

von Thomas Vikoler

Zur weiterhin in Umlauf befindlichen Behauptung, bei Covid-19 handle sich um ein „Grippele“, an der allein ältere Menschen erkranken, kann er nur müde lächeln. Der 24-jährige Bozner ist der überlebende Gegenbeweis. Er verbrachte den Zeitraum vom 24. März bis 23. April in der Abteilung für Innere Medizin des Landeskrankenhauses von Hall in Tirol. In der Intensivstation, die meiste Zeit davon intubiert.

Seit zehn Tagen ist der junge Mann wieder zu Hause in Bozen: Er hat zehn Kilo abgenommen, seine Muskeln sind weniger geworden, er kämpft weiter um seine Stimme. „Ich habe keine größeren Symptome und komme langsam wieder zu Kräften“, sagt er. „Ich habe großes Glück gehabt, besonders dankbar bin ich der Ärztin des Bereitschaftsdienstes, die mich mit Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus sofort ins Bozner Krankenhaus geschickt hat.“

Der 24-Jährige bleibt lieber anonym. Zwar wüsste sein Freundes- und Bekanntenkreis, dass er die Lungenkrankheit Covid-19 überstanden hat. Diese sei, so sagt er, aber weiter mit einer sozialen Stigmatisierung verbunden. Personen, die von erfahren, könnten ihn meiden. Man weiß ja nie.

Der inzwischen geheilte Patient wusste Anfang März auch nicht viel über das Coronavirus, als er plötzlich hohes Fieber bekam. Über 40 Grad. Eine Woche lang blieb er zu Hause, nahm, wie vom Hausarzt telefonisch empfohlen, ein fiebersenkendes Mittel. Damals waren Corona-Tests eine Seltenheit, getestet wurde allein bei schweren Lungensymptomen. Am 21. März – das Fieber war nicht zurückgegangen – wendet sich der Bozner an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Die diensthabende Ärztin diagnostiziert einen Coronavirus-Verdachtsfall und überweist ihn umgehend an das Bozner Krankenhaus. Dort wird er nach einem Röntgen und einem Abstrich in der Infektionsabteilung untergebracht. Nach zwei Tagen verschlechtert sich sein Gesundheitszustand, er hat Atemprobleme, die Sauerstoffsättigung ist auf einem niedrigen Niveau. Die Ärzte teilen ihm den positiven Coronavirus-Test mit, sie verabreichen ein Mittel gegen HIV, das aber nicht wirkt.

Und dann, am 24. März, der Transport nach Tirol. „Zunächst hieß es, ich würde nach Innsbruck gebracht, dann wurde offenbar kurzfristig umdisponiert“, erinnert sich der junge Bozner. „Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits, wie später auch in Hall, Alpträume und Halluzinationen. Ich habe kaum etwa mehr mitbekommen. Zu Beginn war ich nervös, weil ich nicht wusste, wie es weitergeht“.

Todesängste, so berichtet der inzwischen weitgehend Genese, habe er nie gehabt: „Ich hatte immer den Eindruck, dass ich bei den Ärzten in Bozen und in Hall in guten Händen bin. Ich habe ihnen vertraut“.

Die Ärzte in Hall übernehmen den 24-jährigen, der keinerlei Vorerkrankungen aufwies, von den Bozner Kollegen intubiert und mit einer „schweren Covid-19-SARS-CoV2-Pneumonie“. Zwei Wochen später, am 7. April, erfolgt ein Extubation, nach der allerdings gesundheitliche Komplikationen auftreten. Die invasive Beatmung muss wieder fortgesetzt werden, es wird ein Antibiotikum erreicht.

Nach einer Woche weiterer Intubation, während der der Patient häufig halluziniert und einmal seine Verkabelung wegreißt, wieder extubiert. Zwei Coronvirus-Tests ergeben in den darauffolgenden Tagen ein negatives Ergebnis, der Gesundheitszustand bessert sich langsam.

„Ich konnte zunächst nicht sprechen, meine Stimme versagte. Ich habe für die Ärzte und Pfleger alles auf eine Tafel geschrieben“, berichtet der junge Bozner, der als Lohnbuchhalter arbeitet. „Selbstständig essen war für mich ebenfalls eine Herausforderung, ich hatte auch meinen Geschmackssinn verloren. Der ist inzwischen wieder zurückgekehrt“.

Am 18. April wird der Patient auf die Normalstation des Landeskrankenhauses in Hall verlegt. Fünf Tage später die schließlich die Heimfahrt nach Bozen. „Ich war sehr froh und habe mir gedacht: Da hätte sehr viel schiefgehen können“, erinnert sich der Geheilte. Die Ärzte in Hall sagten zu ihm: „Einen so jungen Fall hatten wir bisher nicht“. Tatsächlich häuften sich in der Zwischenzeit die Fälle von gesunden Jüngeren, bei denen die Krankheit besonders heftig ausbrach, was vermuten lässt: Je besser die Gesundheit, desto aggressiver das Virus.

Der 24-Jährige hat sich natürlich Gedanken gemacht, wo er sich infiziert haben könnte. Seine Vermutung: Im Bozner Fitnessstudio, das er am Freitag, den 6. März aufgesucht hatte. Damals lautete die medizinische Empfehlung, häufig Hände waschen und einen Meter Abstand von anderen Personen zu halten. Von Maskenpflicht keine Rede.

Inzwischen weiß der Coronavirus-Überlebende: „Was mir passiert ist, kann jeden passieren. Ich wünsche das niemand, umso mehr ist Aufpassen angesagt. Bevor nicht eine Impfung gefunden wird, kann sich keiner sicher fühlen“.

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