Du befindest dich hier: Home » Südtirol » „So sieht es bei uns wirklich aus“

„So sieht es bei uns wirklich aus“

Foto: WK St. Ulrich

Fehlende Ausrüstung, angebliche Tote in Müllsäcken: Der Verband der Seniorenwohnheime legt nun dar, wie die Situation in den Südtiroler Seniorenheimen wirklich ist.

Viele Meldungen zur Situation in den Südtiroler Altenheimen sind zuletzt zirkuliert.

Doch wie ist die Situation wirklich?

Nun melden sich jene Personen zu Wort, die wissen, wie es in Südtirols Seniorenheimen aussieht – nämlich jene, die in den Heimen arbeiten.

In einem gemeinsamen Brief zeigen der Verband der Seniorenwohnheime Südtirols (VdS), der Verband der Pflegedienstleiter der Seniorenwohnheime Südtirols (VPSS) und die Berufsgemeinschaft der Führungskräfte in der Altenarbeit (BFA) nun erstmals auf, wie die Situation in den Südtiroler Heimen wirklich ist.

Der Brief im Wortlaut:

„Der Verband der Seniorenwohnheime hat schon sehr früh erkannt, dass das neuartige Coronavirus die Heimbewohner wegen ihres durchschnittlich hohen Alters und ihrer Vorerkrankungen besonders gefährden könnte. „Schon ab dem 5. März, also einige Tage vor dem von der Regierung verhängtem Ausgangsverbot, hat der Verband Besuche von außen in den Seniorenwohnheimen unterbunden. Einige Seniorenwohnheime haben bereits auch schon Ende Februar die Sicherheitsmaßnahmen in die Umsetzung gebracht.

Der Verband hat mit dem Amt für Senioren auch sofort, am 9. März einen Krisenstab eingerichtet.

Dieser Krisenstab berät und begleitet die Heime in dieser herausfordernden Situation. Neue Informationen werden gefiltert und aufgearbeitet.

Bisher wurden 18 Informationsschreiben zu den  unterschiedlichsten Themen mit entsprechenden Anlagen – z.B. Vorgaben bzgl. unverzüglicher Maßnahmen bei positiven Testergebnissen, Meldungen an das Amt für Hygiene, Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen des Seniorenwohnheimes und dem ärztlichem Leiter, Desinfektionsverfahren, ordnungsgemäße und fachgerechte Verwendung der Schutzausrüstung, Einstellung von Ersatzpersonal, um nur einige zu nennen, versendet.

Jeden Tag werden zudem die Situationsberichte der 77 Seniorenwohnheime aktualisiert und weitergeleitet.

Es war klar, dass schnellstmöglich Schutzausrüstung und Masken für Mitarbeiter und Heimbewohner gebraucht werden, und das wurde auch dem Sanitätsbetrieb mitgeteilt. Die Schutzausrüstung ist leider sehr spät eingetroffen, als sich das Virus schon stark in einigen Seniorenwohnheimen ausgebreitet hatte.

Der Verband der Seniorenwohnheime hat auch auf eigene Faust Schutzausrüstung organisiert und dafür an die 300.000 Euro (aus Spendengeldern) ausgegeben.

Um es klar zu sagen: die Versorgung mit Schutzausrüstung war nicht flächendeckend gut und auch die Zeiten, bis die Ergebnisse der Testverfahren vorliegen, sind teilweise entschieden zu lang. Beides ist für das Gelingen, baldmöglichst aus der Corona- Krise herauszukommen, von zentraler Bedeutung und muss verbessert werden.

Zu den Tests: Das Vorgehen in den Seniorenwohnheimen wird vom zuständigen Department für Prävention (vom Sanitätsbetrieb) definiert, darauf haben die Heime selbst keinen Einfluss.

Das Verfahren wird vom Hygieneamt vorgegeben und läuft wie folgt ab:

Jeder Heimbewohner und jeder Mitarbeiter mit grippeähnlichen Symptomen wird dem ärztlichen Leiter des Seniorenwohnheims, dem zuständigen Arzt und der Pflegedienstleitung gemeldet. Die Heimbewohner werden sofort isoliert und es werden unverzüglich sämtliche Schutzmaßnahmen hochgefahren. Positiv getestete Mitarbeiter verlassen unverzüglich den Arbeitsplatz und gehen nach Hause. Die Entscheidung darüber ob ein Test durchgeführt wird oder nicht, obliegt dem Amt für Hygiene.

Wie schnell die Testergebnisse vorliegen, können die Verantwortlichen der Seniorenwohnheime nicht beeinflussen.

Ebenso wenig können sie beeinflussen, wie mit jenen Menschen umgegangen wird, die in den Heimen sterben. Dazu gibt es klare Hygienebestimmungen und Verordnungen der Behörden, die umgesetzt werden müssen.

Die Toten kommen in Leichensäcke und nicht in Müllsäcke, wie in den Medien falsch berichtet wurde. Diese Bestimmungen sind dieselben wie in den Krankenhäusern.

Aber glauben Sie uns – kein Heimbewohner stirbt allein und isoliert in seinem Zimmer. Unsere Mitarbeiter begleiten ihn, fachlich kompetent, menschlich und je nach Biografie auch spirituell und religiös.

Flächendeckende Tests könnten mithelfen, die Ausbreitung des Virus in den Heimen einzudämmen. Aber das Ergebnis von heute hat spätestens nächste Woche nicht mehr viel Aussagekraft. Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen, die zu Hunderten in den Heimen leben, lassen sich nicht isolieren und es können ihnen auch keine Schutzmaßnahmen vermittelt werden.Zu den Pflegern und Führungskräften der Heime: Pflegekräfte und Heimverantwortliche leisten jeden Tag großartige Arbeit.

Die Pfleger müssen sich und die Heimbewohner vor der Übertragung des Virus schützen und trotz aller Sorgfalt und Achtsamkeit, immer wieder kurzfristig Personalausfälle kompensieren. Sie können nicht auf die Unterstützung von Angehörigen und Freiwilligen zurückgreifen und sind so noch mehr gefordert der Vereinsamung der Heimbewohner entgegenzuwirken. Es geht neben der Pflege auch um Zwischenmenschlichkeit, um Empathie.

Und hier leisten unsere Pflegekräfte wirklich Großartiges. Bereits vor Covid-19 – und jetzt erst recht. Gerade die zwischenmenschlichen Beziehungen wurden in den vergangenen Wochen noch wichtiger. Es sind unsere Mitarbeiter, die ihnen zuhören, ihnen Worte des Trostes spenden -– ganz einfach für sie da sind. Über verschiedene Kommunikationsmittel, unter anderem Videogespräche, versuchen sie den Kontakt mit den Angehörigen aufrechtzuerhalten.Die Mitarbeiter werden laufend für den richtigen Umgang mit Covid-19 informiert und geschult.

Zu den Personalengpässen: Händeringend suchen die Seniorenwohnheime und ihre Führungskräfte seit Jahren – übrigens wie Pflegestrukturen weltweit – nach Fachkräften im Pflegebereich.

Der Bedarf wird immer größer. In den vergangenen Jahren hat nicht nur die Zahl der Pflegebedürftigen zugenommen, sondern auch die Krankheitsbilder haben sich verändert. Entsprechend wird die Betreuung immer komplexer und erfordert eine noch höhere Qualität in der Pflege. Bereits des Öfteren haben wir auf unsere Personalengpässe hingewiesen. Wie dramatisch es um den Nachwuchs bestellt ist, zeigt die jüngste Erhebung des Verbandes der Seniorenwohnheime. Bis 2030 fehlen über 2000 Pflegekräfte im Land.

Eine Prognose, die zeigt, dass wir Personal nicht einsparen, sondern ausbauen wollen.

Erfreuliche Solidarität in Coronazeiten: In dieser Zeit erfahren die Seniorenwohnheime auch eine große Solidarität. Firmen übernehmen den Ankauf von Schutzausrüstung, Organisationen zahlen Spenden auf ein eigens eingerichtetes Spendenkonto ein, das Weiße Kreuz hilft in den Seniorenwohnheimen Dienste abzudecken, der Schützenbund übernimmt die flächendeckende Verteilung von Desinfektionsmitteln und stellt ganze Putztrupps zur Verfügung. Firmen, Vereine, Organisationen und Verbände verteilen Dankesgeschenke an Mitarbeiter, das Netzwerk Eltern-Kind-Zentrum hat einen Videoclip erstellt mit Botschaften an die Heimbewohner.

Alle Mitarbeiter in den Seniorenwohnheimen haben Ängste und Sorgen – trotzdem leisten sie jeden Tag und jede Nacht hervorragende Arbeit. Wir sind davon überzeugt, dass sie sich nicht abbringen lassen und weiter professionell mit Herz, Verstand und Empathie ihre Arbeit verrichten werden.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • sepp

    Nana schuld hob des nett die 2 scheinheiligen widmann und zerzer system südtirol den ondern die schuld zui weisen miest amol ocha vom hohen ross liebe SVPler

  • stanislaus

    Zahlt Pflegekräfte ordentlich und ihr werdet auch in Zukunft kompetente, gut ausgebildete und eine oder mehr Landessprachen sprechende Pflegende haben…

  • kritiker

    „vielleicht“ besser bezahlen.Der Witz isch zum Plärrn.

  • andreas

    Zum Glück haben wir in Südtirol so viele Experten, welche alles schon vorher wussten, schade dass diese aber nichts zu entscheiden hatten.
    Ein Platz in einem Altenheim kostet monatlich ca. 2.000 bis 3.500 Euro.
    Mit mehr und besser bezahltem Personal, würden die Kosten entsprechend steigen.

    Also würden Plätze im Altersheim nur mehr an besser situierte gehen, da es sich Leute mit einer normalen Rente gar nicht mehr leisten können.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen