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Wird das Sitzenbleiben ausgesetzt?

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Die Mittel- und Oberschulen werden frühestens im Mai wieder öffnen, die Grundschulen und Kindergärten wohl erst im Herbst.

Von Matthias Kofler

Ministerpräsident Giuseppe Conte hat am Mittwoch ein neues Notstandsdekret unterzeichnet, mit dem die Corona-Maßnahmen bis zum 13. April verlängert werden. Auch die Schulen bleiben vorerst bis nach Ostern geschlossen, doch die Regierung in Rom arbeitet bereits an einem neuen Dekret, das Bildungsministerin Lucia Azzolina in allen die Schule betreffenden Fragen – Bewertungen, Versetzungen, Abschlussprüfungen – „Vollmachten“ erteilen soll.

Als gesichert gilt, dass die Schulen frühestens am 4. Mai wieder öffnen dürfen, wobei die Ministerin diese Entscheidung in enger Abstimmung mit den medizinischen Experten treffen wird. Denkbar ist eine graduelle Lockerung der Maßnahmen, gestaffelt nach dem Alter der jeweiligen SchülerInnen: Demnach dürften Ober- und Mittelschulen deutlich früher wieder aufmachen als Kindergärten und Grundschulen. Sollten die Zahlen der Corona-Infektionen nicht drastisch zurückgehen, werden Kindergärten und Grundschulen wohl erst im Herbst die Türen aufsperren. Das laufende Schuljahr sei in jedem Fall gültig und werde nicht im Juli oder August fortgesetzt, betont die Ministerin.
Die Abschlussprüfungen hängen wiederum davon ab, ob die Mittel- und Oberschulen Mitte Mai wieder geöffnet sind. Dann hätten die Schulen noch einen Monat Zeit, um regulären Unterricht abzuhalten und das Schuljahr dann – wie gewohnt – mit den Abschlussprüfungen abzuschließen. Die erste schriftliche Maturaprüfung findet laut Schulkalender am 17. Juni statt. Doch auch in diesem günstigen Szenario gibt es Abweichungen zum Vorjahr: So besteht die Prüfungskommission heuer aus sechs internen Mitgliedern und einem externen Präsidenten.

Sollten die Schulen Mitte Mai noch nicht geöffnet sein, dann greift Plan B: Die Prüfungen würden in diesem Fall nur mündlich abgehalten werden, möglicherweise online über eine Video-Konferenz.

Die Landesregierung will zu den Szenarien erst Stellung beziehen, sobald das definitive Dekret aus Rom vorliegt.

Daniel Alfreider

Unterrichtsministerin Lucia Azzolina liebäugelt mit der Idee, alle SchülerInnen heuer von Amtswegen in die nächste Klasse versetzen zu lassen. Die Landesregierung ist gespalten.

Im römischen Bildungsministerium werden zurzeit die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt. Der alles entscheidende Faktor ist der Termin, an dem die Schulen wieder öffnen können: Je früher dieser eintritt, desto eher kann an den Bildungseinrichtungen wieder Normalität einkehren. Einer der Vorschläge, die auf dem Tisch von Unterrichtsministerin Lucia Azzolina liegen, betrifft die Versetzung der SchülerInnen in die nächsthöhere Klasse. Indiskretionen aus dem Ministerium zufolge spielt man in Rom mit der Idee, das Sitzenbleiben für das laufende Schuljahr auszusetzen und alle SchülerInnen von Amtswegen in die nächste Klasse versetzen zu lassen. Aus dem Umfeld der Ministerin ist zu hören, dass es sich dabei keineswegs um eine „politische 6“ handelt. Das heißt: SchülerInnen, die in bestimmten Fächern bislang negativ waren, wird nicht einfach ein „Genügend“ geschenkt. Vielmehr sind die SchülerInnen verpflichtet, den Lernrückstand im Herbst nachholen.

In der Südtiroler Landesregierung reagiert man gespalten auf den Vorschlag aus Rom. „Ich hoffe, dass es sich hierbei nur um einen Kommunikationsfehler im Ministerium handelt“, sagt der italienische Bildungslandesrat Giuliano Vettorato. Er sei fest vom Leistungsprinzip überzeugt, betont der Lega-Politiker und erklärt, nach welchen Kriterien über die Versetzung der SchülerInnen befunden werden soll: Bis einschließlich Februar seien an die SchülerInnen ganz normal Noten vergeben worden, seit März bewerteten die LehrerInnen den Einsatz, den die SchülerInnen bei den Hausaufgaben und beim Videounterricht an den Tag legten. Auf den Schultern der Lehrpersonen liege eine große Verantwortung. „Unterrichten ist grundsätzlich nicht leicht, doch der Fernunterricht ist eine besondere Herausforderung“, unterstreicht Vettorato.

Landesregierungskollege Daniel Alfreider sieht die Sache etwas anders: „Die derzeitige Situation ist eine absolute Ausnahme. Ich finde den Vorschlag der Ministerin absolut gut – auch weil die Schüler bis Anfang März einen Großteil des Schuljahres bereits abgehalten haben“, so der ladinische Bildungslandesrat. Die Situation sei für alle herausfordernd und alle stünden vor neuen Aufgaben. Auch die vielen Kinder und Jugendlichen lernten in dieser Ausnahmesituation viel dazu und es sei wichtig, dass alle die Zeit so gut als möglich nutzten. „Sollte es tatsächlich so sein, dass die Schulen auch in den nächsten Wochen und Monaten zu bleiben, dann wäre es sicher eine der Möglichkeiten, das Schuljahr für alle Schüler positiv zu werten und die Abschlussprüfungen digital durchzuführen. Das Wichtigste ist derzeit, dass der Unterricht digital weiterläuft, wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor. Ein großer Dank geht an die Schüler selbst, an die Familien und vor allem dem Lehrpersonal für die Zusammenarbeit in dieser herausfordernden Zeit. Es geht für unsere Schüler und Jugendlichen jetzt auch darum zu lernen, mit einer Ausnahmesituation umzugehen. Das reicht über die Lerninhalte hinaus. Eine Krisensituation zu meistern, prägt die Persönlichkeit und stärkt oft ungeahnte Fähigkeiten“, so Alfreider. (mat)

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