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Das „vergessene“ Referendum

In knapp einem Monat stimmen die Italiener über die Verkleinerung des Parlaments ab. Wahlkampfstimmung will noch nicht recht aufkommen – weil sich die Parteien fürs Referendum kein Bein ausreißen.

Von Matthias Kofler

Beim Verfassungsreferendum am 29. März entscheiden die italienischen BürgerInnen über die Verkleinerung der beiden Kammern des Parlaments. Das entsprechende Verfassungsgesetz sieht eine Reduzierung der Zahl der gewählten Mitglieder der Abgeordnetenkammer von 630 auf 400 und des Senats von 315 auf 200 vor. Das Referendum kam deshalb zustande, weil bei der zweiten Abstimmung im Senat über die Verkleinerung der Parlamentskammern im Juli 2019 die Zweidrittelmehrheit verfehlt worden war. 71 Senatoren verlangten daraufhin eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung. Beim Referendum in knapp einem Monat ist kein Quorum vorgesehen, das heißt: Die Mehrheit der Abstimmenden befindet darüber, ob das Parlament verkleinert wird oder nicht.

Eine spannende Frage, welche die politische Zukunft Italiens über Jahre prägen wird. Dennoch will im Stiefelstaat noch keine echte Wahlkampfstimmung aufkommen. Die Parteien und Abgeordneten „verschweigen“ das Referendum, wohl auch deshalb, weil sie wenig Interesse daran haben, Propaganda für die Abschaffung ihres eigenen Arbeitsplatzes zu machen.

„Das Referendum ist hier in Rom kein Thema“, bestätigt die SVP-Kammerabgeordnete Renate Gebhard. Das politische Tagesgeschäft in der italienischen Hauptstadt werde zurzeit vom Verhalten des ehemaligen Ministerpräsidenten und nunmehrigen Chefs von Italia Viva, Matteo Renzi, geprägt, der immer wieder Querschüsse auf die Regierung unter Giuseppe Conte abgibt, beschreibt Gebhard die aktuelle Stimmungslage.

Die SVP will auf einer Parteileitungssitzung am kommenden Montag entscheiden, wie sie sich bei der Volksabstimmung positionieren wird. „Wir haben im Parlament für die Reduzierung gestimmt, daher wäre es aus meiner Sicht kohärent, wenn wir jetzt auch für ein Ja eintreten“, sagt Fraktionssprecherin Gebhard. Sie wolle den Entscheidungen der Parteigremien aber nicht vorgreifen.

In jedem Fall wird das Edelweiß nur einen Low-Cost-Wahlkampf betreiben. „Aufgrund der derzeitigen finanziellen Situation der Partei gehe ich nicht davon aus, dass wir einen megagroßen Aufwand betreiben werden“, sagt Gebhard.

Das war beim Referendum über die Verfassungsreform im Dezember 2016 noch völlig anders: Damals trat die Volkspartei massiv für ein Ja zu den Plänen des damaligen Ministerpräsidenten Renzi ein. Die Italiener stimmten zwar mehrheitlich gegen die Reform, in Südtirol obsiegte jedoch das Ja. „Das Referendum von 2016 war deutlich spürbarer als das jetzige“, erklärt Gebhard. Dies vor allem auch deshalb, weil es die Parteien zu einer Abstimmung über die Zukunft Renzis umfunktioniert hatten. In der Tat musste der Premier im Anschluss an das verlorengegangene Referendum seine Koffer packen. Das Referendum im März hingegen hat keine so weitreichenden parteipolitischen Auswirkungen.

Die SVP-Sprecherin in der Abgeordnetenkammer geht davon aus, dass die Verfassungsreform bestätigt – und die Reduzierung der Parlamentarier damit in trockene Tücher gebracht wird. Danach müsse man aber eine Reihe von Begleitmaßnahmen, etwa zum Wahlmodus und zur Geschäftsordnung, beschließen, betont Renate Gebhard. Beispielsweise prescht Renzi derzeit mit der Forderung vor, den Ministerpräsidenten in Zukunft direkt vom Volk wählen zu lassen.

Sollte Ende März das Ja siegen, verliert Südtirol einen Sitz im Senat. Die Sitze in der Abgeordnetenkammer werden hingegen wieder regional vergeben, die Region Trentino-Südtirol erhält künftig nur noch sieben statt elf Mandate. Noch unklar ist, ob nach dem reinen Verhältniswahlrecht gewählt wird und welche Sonderregelung den Minderheitenparteien zugestanden wird.

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