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Nur a Glasl  

Foto: @Miramonte Film

Welturaufführung für „Alkohol – der globale Rausch“. Der neue Film von Andreas Pichler ist weiterhin zu sehen. Heute und morgen auch in Kaltern. 

von Renate Mumelter

Andreas Pichler ist viel herumgereist für seinen neuen Film. Nach der Milch (Das System Milch) hat er sich filmisch den Alkohol zur Brust genommen und nachgeschaut, wie es auf der Welt damit ausschaut. Nicht gerade bestens. Alkohol ist eine Droge. Eine vertraute allerdings. Und nicht als solche deklariert.

Was zählt, ist der Umsatz

Bei Alkohol genauso wie bei Milch bestimmen Unternehmenslobbys, wohin die Reise geht. Alle anderen Folgeschäden bleiben zweitrangig. Die Milchunternehmer erschließen neue Märkte, indem sie den Afrikanern Milchpulver aufdrängen und die Viehwirtschaft dort zerstören. Die Alkoholunternehmer tun dasselbe. Sie drängen ihre Ware Ländern auf, die bisher ganz gut ohne Stoff auskamen. Was zählt, ist der Umsatz. Erschließung neuer Märkte heißt das im Schönsprech. In Nigeria wird ein Bier an den Mann gebracht, von dem man behauptet, es steigere die sexuelle Leistung. Die Bierwerbung wurde in 13 Ländern Afrikas mit Prostituierten-Diensten gekoppelt. Seit das aufflog, ist’s angeblich anders. 

Subtiler geht es in Europa zu. Da klebt sich die Biermarken-Werbung ein Feigenblatt auf, indem sie Sprüche wie „Vorsicht am Steuer“ oder „verantwortungsbewusster Konsum“ mit dem Firmenlogo mitliefert. Und wir kaufen der Werbung die gute Absicht ab und schütten sie in uns hinein.  

Andreas Pichler war in Europa unterwegs, in Nigeria, in den USA, er hat Fachleute befragt, Hirnforscher, Psychiater, Wirte, Trockene, Leute, die es nicht so eng sehen und solche, die etwas verändern wollen. Island ist auf einem guten Weg. Dort ist Werbung und Marketing für Alkohol verboten, und es läuft ein mehrgleisiges Präventionsmodell, das funktioniert. Colorado hat auch etwas zu bieten. 

Millionen Opfer

Ein Mann verträgt ein Viertel Wein pro Tag, eine Frau genau die Hälfte. A Glasl also. Weltweit gibt es 140 Millionen Alkoholsüchtige und Millionen Tote. Allein in der EU sind 23 Millionen Menschen alkoholabhängig. Die Staaten verdienen über die Alkoholsteuer kräftig mit. Die sanitäre und psychologische Behandlung der Alkoholkranken müssen dann aber die Betroffenen selbst und die SteuerzahlerInnen finanzieren. 

Die Recherche zum tabuisierten Thema Alkohol als Droge war schwierig. Schwieriger als die Recherche zur „gesunden“ Milch. Anders als bei Andreas Pichlers Milch-Recherchen, wo doch fast alle redebereit waren, hüllt sich die Alkoholindustrie in Schweigen oder beschränkt ihre Statements darauf, dass viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch Betroffene wollten nicht vor die Kamera. 

Clevere Droge

Oft wird der Genuss von Alkohol damit verbunden, dass man sich etwas Gutes tun will, und weil Alk eine „clevere Droge“ ist, wird der Schritt zur Erkrankung oft nicht rechtzeitig erkannt.

„Alkohol – der globale Rausch“ liefert eine Menge Informationen, manchmal sogar etwas zu viel. Offensichtlich ist das komplexe Thema so tabu-behaftet, dass es schwer ist, bewegte Bilder dafür zu finden. Andreas Pichlers Film verlangt aufmerksames Zusehen. 

,Bei der Diskussion nach Welturaufführung in Bozen wurde häufig gelacht, und das Lachen hatte etwas peinlich Berührtes. Ich behaupte, das hat etwas mit unserer Betroffenheit zu tun.

Der Selbstversuch

„Jeder scheint zu wissen, wie man mit Alkohol umgeht, darunter auch ich“, sagt der Regisseur im Film, und er erzählt von einem Selbstversuch zur Abstinzenz, der „kläglich gescheitert“ ist. Und das nicht etwa, weil Andreas Pichler alkoholkrank wäre. Er trinkt ganz normal. Zum Genuss. Wer also fröhlich und unbeschwert weiterpippeln will, sollte den Film meiden. Denn der hat „die Trinkgewohnheiten des gesamten Teams nachhaltig verändert“, erzählt Andreas Pichler und hofft, „dass es den Zuschauern des Films ähnlich ergehen wird“.

In diesem Tagen startet übrigens eine neue Kampagne des Forums Prävention, in der Alkohol als das benannt wird, was er ist. 

„Alkohol – Der globale Rausch“ (IT/DE 2019), 87 Min.: Regie Andreas Pichler. Bewertung: Aufschlussreich für alle, die glauben, gern zu trinken. Im Filmtreff Kaltern heute 20.30 h mit Podiumsgespräch.

Was es sonst noch gibt: „Vertigo“ (La donna che visse due volte) von Hitchcock (DO) 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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