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„Mehr zerstört als je zuvor“

Heuer feiert man groß zehn Jahre Welterbe Dolomiten: Aber was hat dieser Schritt tatsächlich gebracht? Michael Wachtler zieht eine mehr als ernüchternde Bilanz. Über Parkplätze, Pisten und Erlebniswelten am Berg.

von Silke Hinterwaldner

„Die landschaftliche Schönheit sowie die geologische und geomorphologische Bedeutung der Dolomiten sind weltweit einzigartig.“

Auf dieser Grundlage hat das Welterbe-Komitee der Unesco bei seiner 33. Sitzung im spanischen Sevilla eine folgenreiche Entscheidung getroffen: Seit diesem Tag, dem 26. Juni 2009, sind die Dolomiten Teil der Liste des Welterbes der Menschheit. Das erklärte Ziel einer solchen Auszeichnung sind der Schutz und die Wertschätzung der Landschaft.  Demnach sollten der Schutz, die Erhaltung und die Aufwertung der Welterbestätte zu einem „gemeinsamen kulturellen Anliegen werden, das sich nicht nur auf das eigentliche Welterbe beschränkt, sondern ein neues Verantwortungsbewusstsein für die gesamte Dolomitenregion schafft“.

Das klingt alles wunderbar. Aber ist es tatsächlich gelungen, den Dolomiten in den vergangenen Jahren mehr Schutz zukommen zu lassen? Oder ist sogar das Gegenteil davon eingetreten? Sind die Unesco-Gebiete in den Dolomiten heute mehr denn je den Gefahren durch zu viel Verkehr, zu viel Müll und zu viel Tourismus ausgesetzt?

Die Auszeichnung zum Welterbe der Menschheit jährt sich heuer zum zehnten Mal. Anlässlich dieses Jubiläums gibt es in Südtirol und den Nachbarprovinzen eine Vielzahl an Feierlichkeiten. Es lohnt aber auch einen kritischen Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zu werfen.

Michael Wachtler hat das getan. Der Forscher und Kaufmann aus Innichen sagt:

„Die Eintragung der Dolomiten in das Welterbe geschah nicht, um unsere Umwelt mit mehr Respekt zu behandeln oder gemeinsam mit unseren seit Jahrhunderten schonungsvoll mit dieser Landschaft umgehenden Bewohnern mit einzubinden, sondern um den Herrschenden eine Legitimation zur Ausbeutung in die Hand zu geben.“ Seine These: Es habe nie zuvor so schlecht um die Dolomiten gestanden, wie jetzt, zehn Jahre nach der Ernennung zum Welterbe. Zitat: „In den zehn Jahren Welterbe Dolomiten wurde mehr zerstört als je zuvor. Mehr gebaut, als Natur belassen. Mehr mit Autos gehetzt als erwandert.

Um diese These zu untermauern, nennt Michael Wachtler eine Reihe von Beispielen:+ Im scheinbaren Einklang mit dem Welterbe, errichtete man am Juwel Pragser Wildsee Parkplätze für mehrere hundert Autos. Man rechtfertigte dies unter dem Hinweis auf Naturschutz.

+ Man schlug rund um den Kronplatz Kilometer Pisten in die Landschaft und behauptete, dafür andere Gebiete zu schonen. Gleiches vollzog sich an anderen Bergen.
+ In die schönsten Aussichtspunkte am Strudelkopf in den Pragser Dolomiten, am Mastlè im Naturpark Puez-Geisler betonierte man so genannte „Unesco Welterbe-Terrassen“.
+ Man überzog die Gipfel mit künstlichen Erlebniswelten. Sie dienten nicht, die Einzigartigkeiten der Natur zu erforschen oder von ihnen zu lernen.

+ Nie drängten sich so viele Touristen in diese Berge und nie wälzten sich so viele Autos über die Pässe und ließen die Dörfer überquellen.

„Es ging beim Welterbe Dolomiten nie ums Bewahren und Schützen, das Lernen und Forschen, sondern einzig um Eigeninteresse und Machttrieb“, sagt Wachtler durchaus provokativ. Er ist jemand, der gern und geradeheraus sagt, was er denkt. Michael Wachtler ist als Naturforscher seit Jahrzehnten ständig in den Dolomiten unterwegs. Zehn Jahre, nachdem diese Berge zum Naturerbe erklärt wurden, zieht er die Schlussfolgerung: „Die Feinde des Welterbes sind jene, welche ohne Kenntnis und mit fehlendem Respekt der Landschaft gegenüber auftreten. Nur ein Welterbe, welches in Symbiose und Respekt vor der Natur geführt wird, eint uns alle und trägt Früchte.“

Zur Erinnerung: Die Dolomiten als Welterbe sind aufgesplittert auf fünf Provinzen und drei Regionen. Am 13. Mai 2010 wurde eine Stiftung gegründet, um eine gute Koordinierung der neun Dolomiten-Gebiete möglich zu machen. Insgesamt 142.000 Hektar gehören zum erklärten Weltnaturerbe, das Gebiet erstreckt sich dabei auf die  Provinzen Bozen, Trient, Belluno, Pordenone und Udine. In Südtirol sind die Naturparks Drei Zinnen, Fanes-Sennes-Prags, Puez-Geisler, Schlern-Rosengarten, der Latemar und das Naturdenkmal Bletterbach Teile des Welterbes.

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (11)

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  • erich

    Wieso errichtet man ein Museum? Um besondere Schätze aufzubewahren und für Interessierte sichtbar zu machen. Nachdem das „Museum“ Dolomiten eine bestimmte Ausdehnung hat braucht es auch verschiedene Infrastrukturen um diese Schätze sichtbar zu machen. Alle Eintragungen im Welterbe haben den Zweck die Menschheit auf Besonderheiten hinzuweisen und infolgedessen hat eine interessierte Menschheit auch das Recht diese zu Besichtigen. Leute wie Herr Wachtler würden diese Gebiete am liebsten von der Menschheit wegsperren, dann soll er nach Siebierien oder Kanada gehen dort findet er noch viele Gebiete seiner Vorstellungen.

    • george

      Hallo ‚erich‘,du bist das andere Extrem. Du würdest alles erschließen um Massen an Leuten hinaufzukarren, die nur ein paar Fotos schießen, den Dreck dort lassen, aber sonst nichts lernen. Dazu sind die Dolomiten sicher nicht entstanden und unter Schutz gestellt worden.

  • andreas

    Mein Gott, immer wieder diese Sozialromantiker, welche meinen, dass man einem Berg, also einem Stück Stein, Respekt entgegenbringen sollte.
    Dem Langkofel ist es z.B. komplett egal, ob die Leute mit dem Auto, Motorrad oder zu Fuß auf den Pass kommen und dann rauflatschen.
    Wenn Leute diese Gebiete besuchen wollen, soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass sie dies können. Wenn der Andrang zu groß ist, ist es natürlich sinnvoll, diesen zu regeln, doch grundsätzlich mit pseudophilosophischen Argumenten zu jammern, ist nicht wirklich ernst zu nehmen.

    Überlässt man die Natur sich selber, ist der ursprüngliche Zustand in ein paar Jahrzehnten größtenteils wieder hergestellt, siehe Piemont, nur was soll das bringen, dass alles verwildert?

  • annamaria

    Wichtig wäre mehr Respekt für die Natur.
    Müll und Verkehr ist eine grosse Gefahr. Vor allem wäre eine Museumsgebühr! für dieses Naturerbe z.b Pragser Wildsee oder Dolomitenpässe notwendig!

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