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Brüchige Berge

Nach dem Felssturz am Haunold, dem Hausberg von Innichen: Warum in diesem Fall nicht die Klimaerwärmung Schuld ist. Und warum auch Berge die Leiden des Alters kennen.

von Silke Hinterwaldner

Volkmar Mair ist einer jener Männer, die ganz genau hinschauen, wenn in Südtirol die Berge in Bewegung geraten. Nach dem beachtlichen Felssturz am Sonntagvormittag in Innichen sagt der oberste Landesgeologe nur: „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“

Aber der Reihe nach: Am Sonntag gegen 9.30 Uhr machte sich der Hausberg Haunold bemerkbar. Nach einem lauten Grollen stürzt eine große Masse an Gestein vom Gipfel  aus in die Tiefe. Begleitet wurde das Naturschauspiel von einer enormen Staubwolke, die von Innichen aus gut zu sehen war.

Insgesamt sind unmittelbar unter dem Gipfelkreuz „nur“ 300 bis 400 Kubikmeter Material abgebrochen. Ein Großteil des Gerölls hat sich dabei sprichwörtlich in Staub aufgelöst. Als sich der Berg wieder beruhigt hatte, war lediglich eine kleine Anzahl an neuen, großen Steinblöcken am Fuß des Berges zu finden. Der Felssturz, erklärt Landesgeologe Mair, habe sich an bereits bestehenden, alten Klüften gelöst. Aber den Haunold als „einsturzgefährdeten“ Berg hatten die Landesgeologen trotz der großen Klüfte nicht unter Beobachtung.

Dabei kann man sicherlich von Glück sprechen, dass diese dem Dorf Innichen zugewandte Seite des Haunold sehr unwirtliches Gelände ist. „Wir befinden uns mitten in der Natur“, sagt Volkmar Mair, „und hier gibt es tatsächlich nichts weiter als Natur. Keine Menschen, keine Wanderwege, keine Infrastruktur.“ Das Gestein konnte so in die Tiefe stürzen, ohne Schaden anzurichten.

Am Sonntagnachmittag hatten die Landesgeologen sich mit dem Hubschrauber zum Haunold aufgemacht, um die Lage aus der Luft besser beurteilen zu können. Dabei wurde klar: Dieser Felssturz hat wohl nichts mit der Klimaerwärmung zu tun, sondern ist eher so etwas wie eine Altersschwäche des Berges. Gerade am Fuß hoher Dolomitenwände finden sich meist große Stürzschuttkegel. Sie zeugen davon, dass in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder Teile aus dem brüchigen Fels herausbrechen. So auch beim Haunold, der  auch deshalb besonders brüchig ist, weil er sich nahe der periadriatischen Naht befindet. Aber an der Abbruchstelle habe man keine Wasseraustritte und kein Eis in den Klüften finden können. Das heißt: Hier bricht der Berg nicht, weil der Permafrost auftaut. Hier bricht er, weil er brüchig ist.

Anders an der Kleinen Gaisl in Prags. Als dort vor zwei Jahren enorme Mengen an Geröll zu Tal stürzten, war schnell klar, dass die Erwärmung Schuld an diesem Naturereignis war. „Wir müssen uns jeden Felssturz ganz genau anschauen“, sagt Volkmar Mair, „all diese Ereignisse pauschal zu beurteilen, funktioniert ganz bestimmt nicht.“

Dieser Felssturz am Haunold war nicht der erste seiner Art. Bereits in den 60er Jahren war der Berg ein bisschen kürzer geworden. Zuvor soll der Haunold über 3.000 Meter Höhe gemessen haben, nach diesem historischen Felssturz gehört er nicht mehr zu den 3.000ern. Der Haunold misst nur noch 2.966 Meter.

Die Landesgeologen geben mittlerweile weitgehend Entwarnung. Mair erklärt: „Ich glaube nicht, dass noch besonders viel Material herunterkommt. Aber Nachbrüche kleineren Ausmaßes sind durchaus möglich. Wir halten den Haunold jetzt unter Beobachtung.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • george

    Die Natur sucht sowieso ihre eigenen Wege, der Mensch zählt hier nur als kleines Rädchen im Uhrwerk. versucht er dieses zu stören, wird er selber ausgeklickt. Aber das wollen sehr viele nicht verstehen, die meisten Schreiber hier schon gar nicht.

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