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„Wollen den Wolf ja nicht ausrotten“

Julia Unterberger

Julia Unterberger verteidigt die Petition von LR Arnold Schuler und sagt, Sepp Noggler & Co. seien nur neidisch. Wie die Neo-SVP-Senatorin das Wolf-Problem zur Zufriedenheit der Südtiroler Bergbauern lösen will. 

TAGESZEITUNG Online: Frau Unterberger, Sie waren beim Diskussionsabend zum Thema Großraubtiere in Lana. Sie interessieren sich jetzt für Bär und Wolf?

Julia Unterberger: Ich war im Wahlkampf in vielen Gemeinden des Vinschgau, des Burggrafenamtes und am Tschögglberg. Dabei habe ich festgestellt, wie sehr dieses Thema den Menschen unter den Nägeln brennt. Ich habe versprochen, dass ich im Falle meiner Wahl in den Senat mein Möglichstes tun werde, um eine Lösung herbeizuführen.

Sie haben eine Lösung?

Ich habe zunächst einmal die Rechtslage studiert und festgestellt, dass der Wolf, wohlgemerkt: nur der reinrassige Wolf, durch internationale Abkommen stark geschützt ist, also Artenschutz genießt. Ein Problem dabei ist, dass Italien die EU-Vorgaben extrem rigide umgesetzt hat. Bereits meine Vorgänger im Parlament haben sich darum bemüht, für Südtirol eine Ausnahmeregelung zu bekommen. Die entsprechende Durchführungsbestimmung läge bereits beschlussfertig im Ministerrat, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Regierung, die nach den Wahlen keine richtige Legitimation mehr hat, ein so heikles Thema noch behandelt.

Die Lösung wäre also zum Greifen nahe? 

Sagen wir so: eine Teillösung. In Rom waren wir auf einen guten Punkt, um zumindest eine Ausnahmeregelung für Südtirol zu bekommen.

Was sieht die Durchführungsbestimmung konkret vor?

Sie sieht vor, dass Südtirol eine eigene Zuständigkeit für das Management der Großraubtiere bekommen würde. Wir wären dann nur mehr an die EU-Vorgaben gebunden, aber nicht mehr an das – wie gesagt – sehr restriktive italienische Gesetz.

Warum hat Italien die EU-Vorgaben so restriktiv ausgelegt?

Weil die meisten Menschen in Italien in den Städten leben. Im Sinne des Tierschutzes sagen sie, der Wolf dürfe nicht angetastet werden. Sie kennen die Lebenssituation der Menschen in den Bergregionen zu wenig, die dann mit dem Wolf zusammenleben und tatenlos zusehen müssen, wie er ihre Nutztiere zerfleischt.

Die Durchführungsbestimmung ließe eine Entnahme von Wölfen zu?

Ja, in bestimmten Fällen, etwa wenn sie zahlenmäßig zu sehr zunehmen oder wiederholt Nutztiere reißen. Dies wäre ein erster Schritt. Ein weiterer Schritt – an dem auch der Kollege Herbert Dorfmann im EU-Parlament arbeitet – wäre, dass die EU den Schutzstatus des Wolfes zurückstuft. Inzwischen ist er ja nicht mehr vom Aussterben bedroht. Den Schutzstatus zu senken, das wäre die Basis für ein sinnvolles Wolfs-Management. Niemand will den Wolf ausrotten, aber in einer Zeit, wo sich der Wolf so schnell und exponential vermehrt, macht ein extremer Schutzstatus keinen Sinn mehr. Und ganz wichtig ist: dem Artenschutz sind nur reinrassige Wölfe unterstellt. Man schätzt, dass ein Drittel der Tiere, die derzeit unterwegs sind, Hybride sind, also eine Mischung aus Hund und Wolf. Hybride genießen eigentlich gar keinen Schutz.

Das bedeutet …

Das bedeutet, dass wir auch mehr Spielraum brauchen, um feststellen zu können, ob es sich überhaupt um reinrassige Wölfe handelt. Derzeit steht im italienischen Gesetz sogar, man dürfe die Wölfe nicht „stören“. Daher noch einmal: Es wäre wünschenswert, dass die Regionen, in denen es viel Berglandwirtschaft gibt, die Möglichkeit bekommen, das Großraubtier-Management in Eigenregie durchzuführen.

Sie haben kein Verständnis für die Argumente der Tierschützer?

Doch, ich bezeichne mich selbst als Tierschützerin. Aber bis auf weiteres sind die Nutztiere, die den Wölfen wie auf einem Tablett serviert werden und qualvoll verenden, auch Tiere. Man muss die Sache mit Hausverstand regeln. Es geht nicht darum, den Wolf auszurotten. Aber Unsummen für Präventionsmaßnahmen ausgeben zu müssen, nur damit sich der Wolf ungestört ausbreiten kann, halte ich für widersinnig, um nicht zu sagen dekadent. Dieses Geld sollte man besser für Soziales oder für Flüchtlinge ausgeben.

Sie stehen auf der Seite der Bauern?

Ja, ich kann ihren Ärger sehr gut nachvollziehen. Die Bauern regen sich zu Recht auf und fühlen sich nicht ernst genommen. Nur weil es jetzt in manchen Kreisen in Mode gekommen, ist den Wolf anzuhimmeln, müssen sie damit leben, dass ihre Tiere jederzeit angegriffen werden können. Ihnen dann zu sagen, wir ersetzen euch die toten Tiere, klingt für sie wie Hohn, schließlich haben sie ja eine emotionale Bindung zu ihren Tieren.

Was halten Sie von der Petition von LR Arnold Schuler?

Die Unterschriftensammlung für diese Petition hat bei der Versammlung in Lana begonnen, an der über 800 wütende Landwirte teilgenommen haben. Die Stimmung war explosiv, und ich habe gedacht, der Vertreter des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz kommt hier nicht mehr unversehrt raus. Durch die Petition ist es dem Landesrat gelungen, die Geister zu beruhigen und die Emotionen zu kanalisieren. Jeder, der vorher dieses Gefühl der ohnmächtigen Wut hatte, konnte durch seine Unterschrift plötzlich einen kleinen Beitrag zur Lösung des Problems leisten. Und am Ende sind alle friedlich nach Hause gegangen.

In der SVP gibt es Kritik an Schuler …

Die Kritik der Parteikollegen kann ich nicht nachvollziehen. Es hat fast den Anschein, als wären sie von Neid getrieben, weil LR Schuler diese gute Idee hatte. Die Argumente, die Sie vorbringen, sind regelrecht an den Haaren herbeigezogen. Und außerdem: Wo waren die großen Kritiker aus den Reihen der Landwirtschaft am vergangenen Freitag? Auf der Veranstaltung in Lana habe ich sie nicht gesehen, da waren nur Hans Berger, Arnold Schuler, Abi Plangger und ich. Es ist nämlich nicht einfach, als Politiker vor eine wütende Menschenmenge zu treten und sagen zu müssen, wir können leider nichts tun, weil wir die Zuständigkeit nicht haben. Ich verstehe diesbezüglich auch die Grünen nicht. Sie kritisieren, sehr kleinkariert die Methode, dabei sollten sie selbst einmal klar sagen, wie sie zum Thema Wolf stehen.

Sie sind also für die Petition?

Ja, weil sie auch für uns Politiker von Vorteil ist. Wir können nämlich in Rom oder Brüssel sagen: Schaut her, wir haben in einer Woche fast 20.000 Unterschriften gesammelt. Die Unterschriften stärken die Politik.

Ist es opportun, dass ein Regierungsmitglied eine Petiton startet?

Es ist ein demokratisches Grundrecht eines jeden Bürgers, eine Petition zu initiieren , auch eines Landesrates. Er macht ja keine Petition an die eigene Landesregierung, sondern an Gremien, in denen er selbst nicht vertreten ist und daher keinen Gestaltungsspielraum hat. Landesrat Schuler hat die Gemeinden und die Forststationen nur informiert, dass die Petition online ist. Er hat gefragt, ob es möglich ist, ein paar Unterschriftenbögen für jene Menschen aufliegen zu lassen, die keine Möglichkeit haben, online zu unterschreiben. Damit übt er weder Druck aus noch verursacht er Kosten. Also was soll die Aufregung?

Interview: Artur Oberhofer

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