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Franz Thaler ist tot

Franz Thaler (+): Ds Foto entstand vor wenigen Monaten im Altersheim

Franz Thaler (+): Ds Foto entstand vor wenigen Monaten im Altersheim

Der Überlebende des KZ Dachau Franz Thaler ist am Donnerstag im Alter von 90 Jahren gestorben. Mit „Unvergessen“ hat der Sarner das wichtigste Südtiroler Buch der Nachkriegszeit geschrieben. Er trug entscheidend zur Auseinandersetzung mit der verdrängten NS-Zeit bei und wurde zur Symbolfigur des Südtiroler Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

Von Heinrich Schwazer

„Die Kraft zur Versöhnung muss man haben, Rache und Anklage allein bringen nichts. Vergessen kann man nicht, aber verzeihen schon“, sagte Franz Thaler im März dieses Jahres in einem Gespräch mit der Tageszeitung.

Das Gespräch fand anlässlich seines 90. Geburtstages statt, gestern ist der Sarner Autor, Federkielsticker und Überlebende des KZ Dachau und des KZ Hersbruck im Altersheim Sarnthein verstorben. Mit ihm verliert Südtirol seine wichtigste Symbolfigur des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

Franz Thaler wurde 1925 in Sarnthein geboren. Bei der Option 1939 entschließt sich sein Vater gegen die Auswanderung ins Deutsche Reich und für das Dableiben in Südtirol. Der junge Franz sieht sich den Schikanen der einheimischen Nationalsozialisten und deren Mitläufer ausgesetzt. Obwohl Dableiber und somit italienischer Staatsbürger, erhält er 1944 den Befehl zum Einrücken in die Hitler-Armee, flüchtet aber in die Berge. Erst als seiner Familie die Sippenhaft droht, stellt er sich und wurde von einem Kriegsgericht zu zehn Jahren Konzentrationslager verurteilt. Im Dezember 1944 kam er im Konzentrationslager Dachau an und wurde noch im selben Monat in ein Außenlager nach Hersbruck verlegt, wo er fortan im Bautrupp arbeiten musste.

Der Hunger sei das Schlimmste im KZ gewesen, erzählt er. „Und im Winter die Kälte, weil wir schlechte Schuhe hatten oder überhaupt barfuß waren. Immer wieder habe ich erlebt, wie neben mir einer umgefallen und gestorben ist. Auf der Rückfahrt vom Außenlager Hersbruck nach Dachau ist mein damaliger bester Freund einfach aus dem fahrenden Zug geworfen worden. Und es ist kein Tag vergangen, an dem man nicht geschlagen wurde. Fußtritte sind normal gewesen. Wenn man versucht hat, den Tritten auszuweichen, gab es gleich doppelt so viel Schläge. Einen Tag ohne Angst hat es nicht gegeben.“

Am 29. April 1945 wurde das KZ von amerikanischen Truppen befreit; Franz Thaler wurde in einem französischen Gefangenenlager inhaftiert. Zwanzigjährig kommt er im August 1945 – seelisch und körperlich gebrochen – wieder nach Hause. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Federkielsticker und schrieb nebenbei an seinen Erinnerungen: „Ich habe stundenlang an der Werkbank geschrieben. Mit einem Bleistift und immer stehend. Oft bis weit in die Nacht hinein. Für einen Satz habe ich manchmal eine halbe Stunde gebraucht, damit er das aussagt, was ich wollte. Meine Schrift ist winzig klein, meine Kinder mussten das nachher entziffern“, sagte er im Gespräch mit der Tageszeitung.

Seine 1989 im Raetia Verlag erschienen Erinnerungen „Unvergessen“ sind zu einem Klassiker der neuen Südtiroler Geschichtsschreibung avanciert und wurden kürzlich neu aufgelegt. 2010 wurde er von der Stadt Bozen gemeinsam mit dem NS-Gegner und –Opfer Josef Mayr Nusser zum Ehrenbürger ernannt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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