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„Knallharte Lösungen“

Josef Oberhofer (Foto: Martin Geier)

Ein Fünf-Euro-Ticket, wie in Venedig, würde Südtirol gegen den Massentourismus wenig helfen, findet der Dachverbandspräsident für Natur- und Umweltschutz, Josef Oberhofer. Er sieht das Problem in einer ausgearteten Werbemaschinerie und einer zaghaften Politik.

von Christian Frank

Wer schon mal das Vergnügen hatte, Venedig zu besuchen, kennt das Schauspiel, welches sich dort einem besonders in der touristischen Hochsaison bietet, nur allzu gut: Pilgerscharen von Reisegruppen, bewaffnet mit von gigantischen Objektiven beschmückten Fotokameras, welche in der adriatischen Hitze einem emporragenden Regenschirm von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten nachhecheln. Das Quetschen und mühsame Vorankommen in den von Menschenmassen geballten schmalen Gassen, Warteschlangen vor Restaurants, Fähren und den Brücken mit dem berüchtigten fotowürdigen Ausblick auf den Kanal. Erst wenn die letzten Fähren den Hafen am Abend verlassen, wird es allmählich ruhiger an der Perle der Adria.

Um diesem Aufgebot touristischen Zulaufs etwas Einhalt zu gebieten, wurde letzte Woche ein Tagesticket von fünf Euro für Tagestouristen eingeführt. Zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr wird dieses in Form eines QR-Codes mitzuführende Ticket zum Betreten der Lagunenstadt vorausgesetzt. Die Ticketpflicht beläuft sich auf insgesamt 29 Tage im Jahr und erstreckt sich über ausgewählte Tage im April, Mai und alle Wochenenden bis zum 14. Juli.

Ohne auf monetären Profit abzuzielen, wolle man somit dem Touristenstrom Herr werden, so Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro. Angesichts der Wellen, welche diese Reglementierung schlug, dauerte es nicht lange, bis derlei Anwendungsmöglichkeiten auch für Südtirol beanstandet wurden. So fordert beispielsweise Reinhold Messner eine ähnliche Handhabe für die Dolomiten. Doch kann ein Fünf-Euro-Ticket dem Massentourismus in Südtirol Abhilfe verschaffen?

„Mitnichten“, findet Josef Oberhofer, der Präsident des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz. Er sieht weder eine Chance für eine diesbezügliche Reglementierung noch die Zweckdienlichkeit: „Das löst rein gar nichts. Jeder, der nach Südtirol kommt, kann sich fünf Euro leisten, und im schlimmsten Fall würde man bei einer Preissteigerung eine Zweiklassengesellschaft bezwecken.“

Oberhofer sieht viel mehr die „massive Bewerbung“ Südtirols als Tourismusdestination in der Schuld des Massentourismus.

„Wir haben die Destination Südtirol jahrelang bis auf Teufel komm raus beworben, und jetzt ist der Teufel hier und wir werden ihn nicht mehr los“, lamentiert Oberhofer. Für ihn sind die Ausmaße des Südtiroler Tourismus ausgeartet.

„Die Tourismusmaschinerie wurde dermaßen erweitert, dass sie ständig auf diesem hohen Niveau gefüttert werden muss, sonst geht sich die Rechnung nicht mehr aus. Man beachte bloß die überdimensionalen Hotelanlagen, die sich ständig vergrößern. Das ist ein Teufelskreis“, konstatiert Oberhofer, für ihn steht fest, „Es wurde kein vernünftiges Maß gehalten. Immer weiter, größer, schneller, besser. Jetzt haben wir den Schlamassel. Gäste und Einheimische fühlen sich nicht mehr wohl.“

Sowohl Mensch als auch Umwelt, so der Präsident des Dachverbandes, würden darunter leiden, denn es fehle schlichtweg die Verschnaufpause.

„Stolz brüstet sich die IDM damit, dass nun auch die Nebensaisonen gefüllt werden. Es gibt keine Ruhephasen mehr. Es hört einfach nicht mehr auf“, protestiert Oberhofer.

Dabei, so findet der Präsident, sei ein Fünf-Euro-Ticket sicherlich nicht des Problems Lösung. Auch von ähnlichen bereits existierenden Initiativen, wie dem begrenzten Pkw-Einlass um den Pragser Wildsee, zeigt sich Oberhofer wenig begeistert: „Solche Restriktionen können ihre Wirkung haben, jedoch haben wir beim Pragser Wildsee gesehen, dass sich trotzdem hunderte Autos auf dem Weg gemacht hatten, weil sie nichtsdestotrotz auf einen Zutritt hofften. Verkehrstechnisch gab es da wenig Entlastung.“

Für den Präsidenten des Dachverbandes bräuchte es dringend „knallharte“ Maßnahmen. „Wir brauchen radikale und knallharte Lösungen. Es müssen beispielsweise die Passstraßen für bestimmte Zeiträume schlichtweg gesperrt werden“, beanstandet Oberhofer und räumt zwar ein, dass ihm die Schwierigkeit eines solchen Unterfangens bewusst wäre, alles andere jedoch nur eine Farce sei.

„Dieses ganze Monitoring , das von der Landesregierung durchgeführt wird, ist bloß ein Ablenkungsmanöver von den springenden Punkten. Es rauschen trotzdem tausende Oldtimer und Motorräder Jahr für Jahr über die Pässe.“

Oberhofer ist überzeugt, dass mit einem ehrlich gemeinten Willen zu effizienten Maßnahmen die Politik durchaus eine Veränderung erzielen könne: „Kompatscher sagt, mit Verboten kommen wir nicht weiter. Aber ohne geht es auch nicht. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Politische Anstrengungen in die entgegengesetzte Richtung sind oft genug geglückt.“ Oberhofer sieht im politischen Modus operandi „halbherziger“ Entscheidungen bloß das „Hinauszögern“ des frappierenden Problems: „Als das Zigarettenrauchen in den Restaurants verboten wurde, gab es einen immensen Aufschrei. Mittlerweile könnte es sich keiner mehr anders vorstellen. Es braucht diese vermeintlich anfangs unliebsamen Entscheidungen.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • pingoballino1955

    Herr Oberhofer,gebe ihnen vollkommen Recht,leider wird von der SVP die Werbemaschinerie über die IDM vollkommen bewusst weiter zu 100% mit fadenscheinigen Begründungen ohne Rücksicht auf“ Teufel komm raus“ forsiert. Es zählt nur Gewinnmaximierung für die 4 und 5 Sterne Tempel,Natur EGAL!

    • andreas

      Fahr mal ins Belluno oder auch Trentino und schau dir ein paar Täler an, wo es wenig bis keinen Tourismus gibt.
      Keine S… will da leben, es verwildert und kommen da mal ein paar Auswärtige im Dorfgasthaus, welches Geschäft, Rathaus, Gemeinschaftszentrum und Polizeistation gleichzeitig ist, vorbei, gibt es einen Auflauf der insgesamt ca. 40, 60-80jährigen Einheimischen, da sich unsere Ankunft im Lauffeuer verbreitet hat. Und unser Getränk musste sie im Keller holen, wo es seit dem letzten Jahrtausend noch gelagert war. 🙂

      • placeboeffekt

        “ Fahr mal ins Belluno oder auch Trentino und schau dir ein paar Täler an, wo es wenig bis keinen Tourismus gibt”

        Man Fahre mal nach Cortina außerhalb der Saison , oder gehe in Venedig nach 8 Uhr abends spazieren

        Man findet sich in Geisterdörfern oder Städten wieder .
        Der Tourismus hat alle einheimischen vertrieben bzw rausgeekelt.

        Wenn Südtirol nicht schnellstmöglich umdenkt, geschieht hier das gleiche.

      • pingoballino1955

        Wir sind nicht in Belluno und auch nicht im Trentino,da hast du dir wohl die letzten Spelunken ausgesucht,dort ist es auch schön ohne Overtourism,wenn man weiss wohin, vor allem günstiger!

  • gulli

    Tourismus hat uns Wohlstand gebracht.
    Wir haben den Hals noch nicht voll genug und bis es bei den Ohren herausrinnt fehlt noch viel!

  • andreas

    Die Häuser auf den Pässen leben von den Auto- und Motorradfahrern.
    Für die würde es sich nicht mehr rentieren, wegen ein paar Radfahrer, welche nur im Klo die Wasserflasche auffüllen, offen zu halten.

    Nebenbei gehen mir diese Verbotspropheten, die meisten von der öffentlichen Hand durchgefüttert, grundsätzlich auf den Wecker, da sie weder von Betriebs-, noch von Volkswirtschaft etwas verstehen und ihre Ideologie darauf zielt, andere wirtschaftlich zu schädigen.

    Die Vor- und Nachsaison besser auszulasten, entzerrt die Belastung durch den Tourismus und auch eine Aufhebung des Nachtfahrverbots in Tirol würde den Verkehr entzerren, aber lieber fordern sie eine Reduzierung des Warenverkehrs, ohne die Folgen zu berücksichtigen.

  • autonomerbuerger

    Stimme dir teilweise zu. Ich glaube du hast das Problem des überteuerten Wohnens, Lebensmitteleinkäufe, Mittagessens in Restaurants, das Verkehrsproblem für Pendler …. vergessen und somit Probleme, die alle Einheimischen spüren. Möchte auch mal wissen, wie viel die Millionen Touristen unsere Sanität zusätzlich belasten. Ausser die zu versorgenden Schihaxen werden doch auch sonst Touristen krank und brauchen Versorgung. Die Sanität ist aber nur auf gut 500.000 ausgelegt und kollabiert jetzt eben.

  • netzexperte

    @andreas die „paar Radfahrer“ sollte man nicht unterschätzen, nur weil man (vielleicht) selbst nicht ganz der Sportlichste ist. In Deutschland schätzt man die privaten Ausgaben für Radurlaube auf 14-15 Milliarden pro Jahr. Radfahrer machen keinen Lärm, produzieren keine Abgase, verstopfen nicht die Straßen. Radfahrer haben dennoch ein oder mehrere Fahrzeuge (die in der Garage stehen wenn sie selbst auf dem Rad sind), konsumieren während ihres Aufenthaltes deutlich mehr (ja, beim Radfahren verbrennt man Kalorien die wieder zugeführt werden müssen), übernachten in guten Hotels und kommen entweder selbst oder mit samt ihrer Familie und Freunden bei anderen Gelegenheiten wieder.

    • andreas

      Vor ein paar Jahren war der Sellapass an ein paar Mittwochen im Sommer für motorisierte Fahrzeuige gesperrt.
      Die Gastbetriebe meinte, dass wenn sie sowas nochmals veranstalten, sie nicht mehr öffnen, da es sich nicht lohnt.

      Sicher ist der Radtourismus ein Wirtschaftsfaktor, aber wenn z.B. der Umweltfanatiker Michil Costa bei der Maratona keine Einheimischen will, da er es bevorzugt, dass die Leute von weit her anreisen, finde ich sein Umweltgehabe etwas Fehl am Platz.

  • tirolersepp

    Alles ist zu reglementieren, ohne geht’s nicht mehr – siehe pragser Wildsee!!

    Einheimische nicht vergessen!!!

  • ummagumma

    Andreas Klopatscher, du bist nur mehr peinlich in deinen Ansichten und Äusserungen. Deine Vorstellung von Tourismus vertreibt genau die Menschen, die Südtirol lieben und schätzen gelernt haben. Hauptsache abkassieren auf Teufel komm raus und danach die Sinnflut.

  • nemesis

    Das ein Fünf-Euro-Ticket kein Einfluss auf Touristen hat das ist sicher wäre vielleicht sogar ein Grund mehr für Südtirol.
    Die Touristen haben keine finanzielle Probleme, das ein Reicher dann das 100fache mehr an Energie verbraucht im Verhältnis eines Arbeiter Spielt auch keinen Rolle es braucht immer mehr Strasse und Parkplätze natürlich alles Gut bezahlt.
    Ja Südtirol ist ein Wohlstands Land aber leider bleiben einige auf der Strecke da die höchsten Energie Preise, Autobahn, Wohnungspreise usw. immer am höchsten sind.

  • dn

    Wieso sollen Touristen das Drumherum zum Nulltarif bekommen? Südtirol wirbt mit Dumpingpreisen, zum Leidwesen aller Einwohner (Carovita als Stichwort dürfte genügen).

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