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„Da fliegt alles in die Luft“

Der ehemalige F-Obmann Walter Blaas prophezeit der Regierung Kompatscher ein jähes Ende – und trauert jenen Zeiten nach, als die Freiheitlichen noch die zweitstärkste Partei waren.

TAGESZEITUNG Online: Herr Blaas, wie würden Sie als ehemaliger F-Obmann und F-Landtagsabgeordneter das derzeitige Innenleben bei den Blauen darstellen?

Walter Blaas: Ich beobachte eine permanente Fortsetzung einer Strategie, die darin besteht, alle unliebsamen Leute rauszubeißen. Zum guten Schluss werden die Ulli (Mair), der Pius (Leitner) und der gute Guggi (Sigmar Stocker) übrigbleiben.

Das glauen Sie im Ernst?

Ja, wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen. Es ist traurig, dass es mit der einst zweitgrößten Partei so weit gekommen ist. Den Andreas Leiter Reber …

… der jetzt aus der Regierungsmehrheit und aus der Partei  ausgetreten ist …

haben ja die Ulli und der Pius gebracht, um ihn dann wieder zu verschicken.

Sie glauben, dass Pius Leitner noch aktiv mitmischt?

Ja, er mischt im Hintergrund aktiv mit, er spielt nach wie vor eine Hauptrolle.

Können Sie Andreas Leiter Rebers Aktion nachvollziehen?

Nein, man kann nicht sagen: Passt, alles super! Und dann drei Tage später den Hut nehmen. Das ist verantwortungslos. Andererseits haben Ulli Mair und ihre Mitstreiter auch alles unternommen, um den Leiter Reber hinauszueekeln, so wie sie es in der Vergangenheit mit anderen ehemaligen Funktionären und Parteigängern getan haben.

Wie stark sind die Freiheitlichen noch? Wie sieht es mit deren Parteistruktur aus?

Die Freiheitlichen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass in der Peripherie überhaupt nichts mehr läuft. Ich darf daran erinnern, dass die Freiheitlichen in Brixen die zweitstärkste Partei waren, die einen Albert Pürgstaller in die Stichwahl gezwungen hat. Jetzt, am Wochenende, kandidieren die Freiheitlichen in Brixen gar nicht mehr. Das ist schon gewaltig!

Walter Blaas

Kann Ulli Mair Landesrat?

Dazu will ich nichts sagen, weil ich mich nicht auf eine tiefe Ebene begeben und nicht auf sie dreinhauen mag. Ich kann nur sagen: Zu meiner Zeit hat die gute Ulli Mair oft durch monateweise Abwesenheit geglänzt. Aber Menschen ändern sich mit der Zeit. Und oft wächst jemand auch mit seinem Amt.

Wird die Regierung, die jetzt mit einer fragilen Mehrheit agieren muss, halten?

Nein. Ich habe bereits zu Beginn, als sich diese Koalition abgezeichnet hat, gesagt, dass diese Konstellation nicht hält. Es sind zu unterschiedliche Komponenten drin. Es gibt zu viele Fragezeichen. Da fliegt noch alles in die Luft, vielleicht früher, als viele denken.

Sie glauben das im Ernst?

Ja, erst recht jetzt, wo die Mehrheit auf 18 geschrumpft ist. Arno Kompatscher hängt wie ein schwer getroffener Boxer, der bereits bis 8 angezählt worden ist, in den Seilen. Ich erwarte nicht, dass er sich nocheinmal aufraffen kann. Er ist Gefangener Seiner selbst. Zuerst hat er gesagt, er will eine 11er-Regierung, damit man 19 Unterstützer hat. Jetzt, wo die Mehrheit auf 18 geschrumpft ist, kann er die Regierung nicht mehr verkleinern.

Sie sehen Kompatscher bereits am Boden?

Ja, denn er ist jetzt erpressbar. Wenn der (Angelo) Gennaccaro sagt, er brauche das oder jenes, muss der LH liefern. Wenn der (Sepp) Noggler sagt, sein Jöppl ist zu eng, daher könne er nicht zur Abstimmung in den Landtag kommen, kann der LH nichts dagegen tun. Bei einer 18er-Mehrheit darf niemand einen Schnupfen oder Durchfall haben, niemand darf im Stau steckenbleiben. Kurzum: Kompatscher ist permanent der Gejagte.

Glauben Sie, dass im Hintergrund eine Clique um Thomas Widmann die Fäden zieht mit dem Ziel, den LH zu stürzen?

Das kann durchaus sein. Leute wie Widmann, Noggler oder (Waltraud) Deeg haben ja nichts mehr zu verlieren. Sie wissen, dass sie das nächste Mal keine Chance mehr haben gewählt zu werden.

Roland Stauder, Otto Mahlknecht, Sabine Zoderer, Ulli Mair und Andreas Leiter Reber

Nach dem Putsch gegen Sabine Zoderer haben Leute wie Otto Mahlknecht, Florian von Ach oder Roland Stauder das Zepter bei den Blauen übernommen …

Das ist schon hetzig. Die Herren, die Sie genannt haben, sind alles Typen, die zuvor in anderen Parteien gescheitert sind. Ein Verlierer-Typ wie Florian von Ach, der bei den Wahlen im vergangenen Herbst 237 Stimmen bekommen hat, bläst sich jetzt als großer Speaker auf. Ich bin froh, dass ich mit diesen Leuten nichts mehr zu tun habe.

Sind Sie noch Mitglied der Freiheitlichen?

Ich habe meinen Mitgliedsbeitrag bis vor zwei Jahren immer eingezahlt, so lange, bis man mir mitteilte, dass man mich aus der Partei ausgeschlossen hat. Mein Ausschluss wurde – ohne mein Wissen und ohne Tagesordnung – auf einer Vorstandssitzung beschlossen. Das war schon ein starkes Stück.

Warum hat man Sie ausgeschlossen?

Das weiß ich bis heute nicht, man wollte wohl Tabula rasa machen. Dabei war ich es, der damals die Partei gerettet und 320.000 Euro an Schulden abgebaut hat, die Pius Leitner & Co. angehäuft hatten. Aber so läuft es eben bei den Südtiroler Freiheitlichen. Ob meine Wenigkeit, Tamara Oberhofer, Hannes Zingerle, Roland Tinkhauser, Thomas Egger, Peter Lechner, Oswald Angerer, Sabine Zoderer oder jetzt Andreas Leiter Reber: In dieser Partei werden Leute, die dem Trio Mair-Leitner-Stocker nicht genehm sind oder im Wege stehen, mit System kaltgestellt.

Interview: Artur Oberhofer

 

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