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Das Bauernopfer


Haben die SVP-Heckenschützen ihren Obmann Philipp Achammer bei der Wahl im Regionalrat vorgeführt, um ein Zeichen gegen die umstrittenen Personalentscheidungen des Landeshauptmanns zu setzen?

von Matthias Kofler

Bei der SVP herrscht nach der peinlichen Chaossitzung im Regionalrat Katerstimmung: Sieben der 19 Mehrheitsvertreter verweigerten am Mittwoch bei der geheimen Präsidialsekretären-Wahl Philipp Achammer ihre Zustimmung, woraufhin dieser beleidigt mitteilte, die eben erhaltene Funktion so bald wie möglich niederzulegen. Der SVP-Obmann hatte sich nicht um den undankbaren Posten beworben, musste aber für seine Partei in die Bresche springen, nachdem Fraktionschef Harald Stauder eine Absage nach der anderen erhalten hatte: Weder die frühere Landesrätin Waltraud Deeg noch die jetzigen Landesräte Peter Brunner, Luis Walcher und Hubert Messner standen für den Regionalratsposten zur Verfügung. Während Deeg erklärte, sie wolle sich voll auf ihre Arbeit im Landtag konzentrieren, begründeten die drei Herren ihre Absage mit den zahlreichen Aufgaben, die sie in der Landesregierung zu erfüllen haben.

In der SVP gilt mehr und mehr der Grundsatz: Das Hemd sitzt einem näher als der Rock. Die Mehrheit der Abgeordneten ist auf ihre eigenen Vorteile und Befindlichkeiten bedacht. „Niemand ist gewillt, ein Amt in der Region zu bekleiden, das nicht extra entlöhnt wird“, ärgert sich ein Fraktionsmitglied.

Es ist davon auszugehen, dass sich die meisten Heckenschützen der Konsequenzen ihres Handelns bewusst waren. Lediglich die Freiheitliche Ulli Mair gab zu, dass sie im Eifer des Gefechts sowohl für Achammer als auch für die Trentiner Lega-Vertreterin Stefania Segnana gestimmt hatte, weshalb ihr Stimmzettel annulliert werden musste. Regionalratspräsident Roberto Paccher hatte die Volksvertreter wiederholt darauf hingewiesen, dass sie nur eine Vorzugsstimme abgeben können.
Aus dem Foyer des Regionalrats verlautet, dass entgegen der Aussage von Harald Stauder nur ein einziger Stimmzettel wegen Mehrfachabstimmung annulliert wurde. Das bedeutet, dass sechs Mehrheitsvertreter bewusst gegen den SVP-Chef gestimmt haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist einer von ihnen Andreas Leiter Reber, der sich näher bei der Opposition als bei der Mehrheit sieht, der andere Lega-Mann Christian Bianchi, der wohl für seine Parteikollegin Segnana stimmte. Die Vertreter von Fratelli d’Italia und La Civica hingegen beteuern, brav für den SVP-Obmann gestimmt zu haben. Das bedeutet, dass vier Abweichler aus den Reihen der SVP kommen dürften. „Und die haben das mit voller Absicht getan“, ist ein langjähriges SVP-Fraktionsmitglied überzeugt.

Innerhalb der SVP kursieren zwei Narrative über den Sinn und Unsinn des Denkzettel-Votums: Das eine besagt, dass es weniger darum ging, Achammer zu treffen, als vielmehr darum, ein Zeichen gegen die umstrittenen Personalvorschläge des Landeshauptmanns zu setzen. „Die interne Kommunikation war ein Totalausfall: Viele Entscheidungen wurden über die Köpfe der Fraktion hinweg getroffen“, ärgert sich ein SVP-Abgeordneter. Demnach würden es die Heckenschützen bedauern, dass der Obmann abgewatscht werden musste, weil sie mit der Aktion eigentlich den Landeshauptmann treffen wollten, heißt es aus der SVP-Fraktion.

Im Umfeld von Arno Kompatscher wird diese Darstellung jedoch als nicht glaubwürdig zurückgewiesen: Der LH sei nicht in die Entscheidungen über die Wahl des Regionalratspräsidiums eingebunden gewesen. Außerdem sei niemandem damit gedient, wenn jetzt Chaos herrsche und die Mehrheit als unseriöser Haufen wahrgenommen werde.

Die zweite Erzählung besagt, dass Achammer nicht das Bauernopfer war, als das er sich jetzt selbst sieht, sondern dass die Heckenschützen tatsächlich ihn treffen wollten. Manche Abgeordnete werfen dem Landesrat nämlich vor, sich in seiner Funktion als Parteichef zu wenig für die „Unzufriedenen“ eingesetzt zu haben: Er hätte darauf schauen sollen, dass Waltraud Deeg mehr Zuständigkeiten bekommt, Sepp Noggler Landtagspräsident bleibt und Feuerwehrmann Luis Walcher die Leitung des Zivilschutzes übernimmt. Jene, die dem Obmann nahestehen, schließen auch nicht aus, dass eine der Übeltäter die neue Landesrätin Rosmarie Pamer sein könnte. Nach der Landtagswahl sei diese durch ihren Bezirk Burggrafenamt getourt und habe den Obmann für alle umstrittenen Entscheidungen – Mitte-Rechts, Freiheitliche, 11er-Regierung – verantwortlich gemacht.

Die Botschaft der Denkzettelwahl sollte daher lauten: Besser der Obmann geht jetzt sofort als später!

Völlig offen ist, wer nach dem Achammer-Rücktritt, sofern dieser im März vom Plenum angenommen wird, ins Präsidium nachrücken wird. Eine Option könnte Waltraud Deeg sein, nachdem sich Stauders Annahme, dass ein Mann gewählt werden müsse, als hanebüchen erwiesen hat. Die SVP will das Amt auf keinen Fall der Opposition überlassen: „Diese Position steht der Mehrheit zu“, sagt Achammer. Er selbst stehe jedenfalls nicht mehr zur Verfügung: „Vor der Wahl habe ich mich zu meinen Kollegen umgedreht und gesagt: ,Ich mache das nur, weil es keiner von euch macht.‘ Und dann bekomme ich dafür eine Watschn…“ Denkbar ist, dass die deutschsprachige Opposition angesichts der offensichtlichen Differenzen innerhalb der Mehrheit dieses Mal einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt. Franz Ploner wirbt bereits für Zeno Oberkofler von den Grünen: „Da gehört ein Junger hin!“ Laut dem Team-K-Politiker hat sich Oberkofler als interimistischer Präsidialsekretär im Landtag und im Regionalrat bewährt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

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  • criticus

    „Aus dem Foyer des Regionalrats verlautet, dass entgegen der Aussage von Harald Stauder nur ein einziger Stimmzettel wegen Mehrfachabstimmung annulliert wurde.“
    Hat uns Herr Stauder also doch ein Märchen erzählt?

  • andreas

    Der LH ist keine Führungsperson und Achammer war langjähriger Lakaie des Weinbergwegs, wobei er von der Anti LH Fraktion wie Durnwalder oder Dorfmann unterstützt wurde.

    Nach dem „Freunde im Edelweiss“ saß Achammer zwischen den Stühlen und musste sich entscheiden.
    Er entschied sich für den LH und die beiden haben versucht sich irgendwie zu arrangieren, wobei ich annehme, dass der LH von Achammer eigentlich nichts hält.
    Sie haben gemeinsam versucht, die Partei etwas zu ordnen, was aber durch die Führungsschwäche beider nicht wirklich geklappt hat, da die Zweckgemeinschaft zu offensichtlich war.
    Lustig war als Achammer meinte er könnte Zeller zur Ordnung rufen, welcher nur gegrinst hat, als er darauf angesprochen wurde. Da wurde es offensichtlich, dass das Achammer nicht wirklich ernst genommen wird.

    Der LH hat in der Zwischenzeit einige interne Gegner mehr oder weniger subtil abserviert, andere wurden nicht mehr gewählt und die verbleibenden Gegner wissen nun, was ihnen blüht und bemühen sich redlich, den LH zu schädigen.

    Die Verantwortung für die derzeit erbärmliche Figur, weche die SVP abgibt, liegt allein beim LH und Achammer.

    Warum die SVP nun nicht sofort und mit sofort meine ich nächste Woche, den Obmann wechselt, um das jämmerliche Schauspiel zu beenden, ist mir ein Rätsel.
    Sich als erbärmlicher Haufen hinzustellen, kann ja durchaus passieren, davon geht die Welt nicht unter, dieses Schauspiel aber noch Monate weiter zelebieren zu wollen, ist aber unglaublich.

  • gulli

    Südtiroler Komödiantenstadel, Folge 741

  • opa1950

    Es ist gut so.Es läuft alles so wie es sich die SVP eingebrockt hat.

  • sepp

    Gscheider isch wen er Vorsitzender von schhofzühter verein wert

  • hoi_du

    … und womit habn mir schafzüchter sell verdient?

  • opa1950

    Achhammer sollte sich nicht als Bauernopfer hinstellen.Was momentan so alles abspielt hat er sich selbst zu zuschreiben.Es konnte nicht anders kommen.

  • kirchhoff

    Ihr „Partisanen“ in der SVP und hier im Forum,Si sollten sich schämen!

  • artimar

    „Die Mehrheit der Abgeordneten ist auf ihre eigenen Vorteile und Befindlichkeiten bedacht.“
    Wie gehabt. Matthias Kofler fasst damit sehr treffend zusammen, woran es es liegt, wieso Energien im Interesse für das Gemeinwohl fehlen und der Kernbereich des Systems und des Kompatscher-Achammer-Modus im besonderen so krankt.

  • krautnock

    Ich seh schon, die SVP ist eine sehr integre Partei, sehr zuverlässig und vertrauenswürdig!

  • kongo

    Mann muss sich mal vorstellen, zwei mal in zwei Wochen gewählt und keiner hat eine Ahnung wies geht, und sowas will unser Land regieren.Herr Kompi da haben sie sich einige Pflaumen ins Boot geholt.

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