„Kafkaesker Prozess“
Warum LH Arno Kompatschher befürchtet, dass er in der Wahlkampfkosten-Affäre zur Kasse gebeten wird – und im Landtag der Ruf nach einem neuen Gesetz laut wird.
von Matthias Kofler
Das neu gewählte Präsidium des Landtags hat beschlossen, die von der Finanzpolizei beanstandeten Wahlkampfausgaben von Landeshauptmann Arno Kompatscher zur erneuten Prüfung an die Landesprüfstelle weiterzuleiten. Laut Finanzpolizei hat der SVP-Politiker im Landtagswahlkampf 2018 mehr als 100.000 Euro an persönlichen Wahlkampfkosten nicht als solche deklariert. Seit 2017 sieht das Gesetz eine Obergrenze von 30.000 Euro für persönliche Wahlkampfkosten vor. Nach dem Wahlgesetz ist das Präsidium verpflichtet, den doppelten Betrag der nicht deklarierten Ausgaben – im konkreten Fall handelt es sich um 205.780 Euro – als Verwaltungsstrafe von dem betreffenden Kandidaten einzuziehen. Die Präsidialsekretärin der Opposition, Maria Elisabeth Rieder (Team K), bezeichnet die Entscheidung des Präsidiums daher als „atto dovuto“.
Die Angelegenheit ist jedoch äußerst heikel. Die SVP-Führung beharrt darauf, dass der damalige Spitzenkandidat Kompatscher die Beschränkung der Wahlkampfkosten nicht missachtet habe. „Die allgemeinen Wahlkampfmaßahmen der Partei können nicht dem Spitzenkandidaten angelastet werden“, sagt Obmann Philipp Achammer.
Bei den strittigen Punkten handelt es sich um ein Inserat in der Zeitung „Dolomiten“, in dem mit dem Slogan „Wir für Arno Kompatscher“ explizit für den SVP-Politiker geworben wird: „Wer Arno will, muss Arno Kompatscher schreiben.“ Es gibt auch einen direkten Link zur Website von Arno Kompatscher. Die SVP erwidert, dass „alle Kandidaten der Südtiroler Volkspartei mit Namen und Foto“ auf dem Inserat abgedruckt seien. Diese verschwinden jedoch im Hintergrund unter den vielen anderen Bildern. Und sie wurden nicht explizit als Kandidaten genannt.
Auch die Werbeplakate an den Bushaltestellen werden von der Finanzpolizei beanstandet. Zwar sind auf der „BigPrint“-Kampagne „Vorausgehen“ neben dem Porträt von Arno Kompatscher auch alle anderen Namen der 35 Kandidaten der SVP abgebildet. Sie sind jedoch nur als Fußnoten kaum lesbar. Damit nicht genug: Die fraglichen Plakate wurden von der SVP und der Agentur „zukunvt“ als „Plakate für einen Einzelkandidaten“ abgespeichert – und nicht als Werbung für die Gesamtpartei. Auf der Postkarte für Arno Kompatscher, die ebenfalls von der Finanzpolizei als persönliche Werbung definiert wird, findet sich nicht einmal eine Spur von anderen Kandidaten.
Artikel 11 des Wahlgesetzes besagt in Absatz 2, dass uabhängig vom Auftraggeber die Ausgaben für Wahlwerbung immer dem entsprechenden Kandidaten angerechnet werden, auch wenn die Kosten von Dritten getragen werden. Er besagt aber auch, dass den Kandidaten jene Kosten, die von den Parteien und Listen getragen werden und mehrere Kandidaten betreffen, nicht auf ihr persönliches Budget angerechnet werden.
„Für all diese Werbeaktionen, die im Interesse der gesamten Partei und aller Kandidaten waren, hat die SVP rund 100.000 Euro bezahlt“, erklärt SVP-Landessekretär Martin Pircher. Diese Ausgaben könnten daher keinesfalls zu den persönlichen Wahlausgaben von Landeshauptmann Arno Kompatscher gezählt werden.
Arno Kompatscher betont, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (die er mit einer Anzeige gegen die Süd-Tiroler Freiheit und die „Dolomiten“ selbst eingeleitet hatte) ergeben hätten, dass er keine Direktspenden von Unternehmen für seinen Wahlkampf erhalten habe. „Es ist klar, dass versucht wurde, mich mit Behauptungen, die erfunden und erlogen sind, zu diskreditieren, so Kompatscher.
Zum Vorwurf der nicht deklarierten Spesen verweist der LH auf die gängige Praxis seiner Partei, etwa unter seinem Vorgänger Luis Durnwalder – wie auch diejenige der konkurrierenden Parteien – für ihren jeweiligen Spitzenkandidaten zu werben. Es handle sich hierbei ausdrücklich um eine Entscheidung seiner Partei, die nicht auf seine Initiative zurückgehe.
Das Vorgehen der SVP sei von der Prüfstelle des Landes stets als legitim erachtet worden. Nun habe die Finanzpolizei jedoch eine ,neue Interpretation‘ vorgenommen, bei der alle entsprechenden Ausgaben dem Spitzenkandidaten zugerechnet würden: „Wenn diese Interpretation zuträfe, müssten auch alle anderen Parteien ihren Spitzenkandidaten-Wahlkampf den Kandidaten zuordnen.“
Kompatscher spricht von einem „kafkaesken Prozess“. Aus Angst vor dem Rechnungshof könne die Prüfstelle nur den Vorgaben der Finanzpolizei folgen, das Präsidium würde die Verwaltungssanktion erlassen, um nicht als „Kompatschers Freund“ abgestempelt zu werden. „Ich selbst kann nicht dagegen rekurrieren, weil ich dann mein Mandat verlieren würde. Am Ende bleibt mir wohl nichts übrig, als die Strafe zu zahlen. Das wäre absurd“, so Kompatscher.
Deshalb sei er im Wahlkampf 2023 sehr vorsichtig gewesen und habe fast keine Werbung in seinem Namen zugelassen. Kompatscher greift auch zu Galgenhumor: „Wir werden in Zukunft nur noch Inserate schalten, in denen man Kandidaten mit einem Balken vor dem Gesicht sieht.“
Allerdings war es die SVP selbst, die diese restriktive Regelung trotz der Unkenrufe der Opposition beschlossen hat. Würde sie nun durch eine geschickte Interpretation eines Juristen ausgehebelt, wäre die Obergrenze faktisch Geschichte.
Der Freiheitliche Andreas Leiter Reber, der nun der Regierungsmehrheit angehört, äußerst sich kritisch: „Grundsätzlich sagt die Qualität von Wahlgesetzen sehr viel über die Qualität der Demokratie des jeweiligen Landes aus. Unsere demokratischen Spielregeln müssen klar verständlich sein und haben für alle gleich zu gelten. Ein Wahlgesetz, das Interpretationen offen lässt und dessen Regeln zur Auslegungssache erklärt werden können, sorgt nicht nur für Rechtsunsicherheit, sondern schwächt das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen massiv.“
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