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Etwas Sex

„Poor Things“ wird gern als feministisch verkauft, schaut aber mit Männeraugen

Gleich in 2 Filmen geht’s heute um Sex, allerdings aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, einer fragwürdigen in „Poor Things“ und einer  interessanten in „How to have Sex“.

von Renate  Mumelter

Es bilden sich wieder Schlangen vor den Kinokassen. Wunderbar. In einer dieser Schlangen stand ich, um mir den mehrfachen Oscar-Kandidaten „Poor Things“ anzusehen, und ich gestehe, dass ich nicht besonders neugierig auf den Film war. Giorgos Lanthimos (Jg. 1973) erzählt eine Geschichte, die der Schotte Alasdair Gray (Jg. 1934) als Roman  erfunden hatte. Im Mittelpunkt der „Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless“ steht Bella, die mit dem Hirn eines Neugeborenen wieder zum Leben erweckt wird und im Körper einer erwachsenen Frau alle menschlichen Entwicklungsstufen durchmacht. Das alles findet unter den streng kontrollierenden Augen ihres Schöpfers „God“, Godwin Baxter, statt, der sie umoperierte. Das lässt sich mögen oder nicht. Und dann kommt Bella in die Pubertät.

Der Apfel

Anhand eines Apfels, den sie bei Tisch zwischen ihre Beine legt, entdeckt Bella ihre Sexualität und ab da geht’s vorwiegend um diese Freude zwischen den Beinen. Mir stellen sich tausend Fragen zum Apfel, zu Bellas fröhlich ungeschützten aber folgenlosen Kopulationen, und noch mehr Fragen stellen sich mir, weil diese Bella als feministisch verkauft wird, und die Männer als Poor Things. Das alles ist erzählt aus einer eigentümlich überheblichen Männerperspektive und angesiedelt in einer opulenten Kulissenwelt, die wohl den Reiz des Films ausmacht. Emma Stone wurde als Bella zur starken Oscar-Kandidatin. Mir ist Sandra Hüller in „Anatomie eines Falls“ als Oscar-Anwärterin lieber, denn ihr Spiel und ihre Rolle sind wesentlich subtiler.

How to Have Sex

heißt es im Filmclub am Valentinstag. Die „Female Views“ haben den Film der 30jährigen Britin Molly Manning Walker dafür ausgesucht und das ist kein Zufall. Der Debütfilm der ausgebildeten Kamerafrau bekam in Cannes den Prix Une Certain Regard.

Die Geschichte erzählt von drei jungen Frauen, die sich auf einem Griechenlandurlaub so richtig ausleben wollen, auch sexuell, die eventuell auch daran interessiert sind, ihre Jungfernschaft zu verlieren. Der Gruppendruck ist dabei gewaltig. Auf der Partymeile geht die Post ab, und im Film auch. Tara geht mit Paddy allein an den Strand, aber irgendwie läuft alles nicht so wie erwartet, vor allem nicht so wie gewollt. Mia McKenna Bruce ist als Tara mit ihren ambivalenten Gefühlen sehr präsent.

„How to Have Sex“ ist von allem Anfang an kompakt und kraftvoll erzählt, er holt ab und zieht mit und es ist dem Film anzusehen, dass ihn eine Frau noch dazu mit Kameraerfahrung gedreht hat. Molly Manning Walker drehte Musikvideos, und sie hat etwas zu erzählen, unter anderem, dass ein Nein ein Nein bleiben sollte.

Tipps

  • Matinee heute: um 10.30 Uhr läuft im Filmclub Georg Stechers Dokumentarfilm „Das versunkene Dorf“, der am Beispiel von Graun deutlich macht, was es bedeutet, wenn das eigene Dorf geflutet wird.
  • Wer „One Life“ mit Anthony Hopkins in Bozen verpasst hat, kann dies am Wochenende in Meran nachholen.
  • Aufwühlend aber sehenswert auch der Dokumentarfilm„The Natural History of Destruction“ des ukrainischen Filmemachers Sergei Loznitsa im Rahmen der Doc Days von FAS und Filmclub am 15. Februar. Loznitsa arbeitet zwar mit Archivmaterial aus Kriegen, erzählt damit aber auch von der Gegenwart. Lustig ist das nicht.
  • Noch ist mein Favorit „Perfect Days“ von Wim Wenders auch im Kino.

 

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