„An der Nase herumgeführt“
Die A22-Gesellschaft hat dem Staat 140 Millionen Euro an Extragewinnen überwiesen. Thomas Widmann sieht die Glaubwürdigkeit des Landeshauptmanns in Gefahr.
Von Matthias Kofler
Nach den 70 Millionen Euro im November hat der Vorstand der Brennerautobahn AG eine weitere Überweisung im Ausmaß von 70 Millionen Euro an den Staat freigegeben. Dabei handelt es sich um sogenannte „Extragewinne“. Der Staat ist der Ansicht, dass die A22-Gesellschaft seit 2014 wegen des Auslaufens der Konzession keine Investitionen mehr getätigt hat und die auf 440 Millionen Euro geschätzten Extragewinne daher in die Staatskasse fließen sollten. A22-Präsident Hartmann Reichhalter ist der Auffassung, dass das Unternehmen in diesem Zeitraum keine zusätzlichen Gewinne erwirtschaftet hat und dass der gezahlte Vorschuss daher früher oder später an die A22 zurückfließen wird.
Sein Optimismus in dieser Angelegenheit, die teilweise als unnötiges Zugeständnis an den Staat ausgelegt worden ist, gründet auf zwei Fakten: Die öffentlich kontrollierte Autobahngesellschaft hat in den vergangenen Jahren – im Gegensatz zu privaten Konzessionären – die Kosten für außerordentliche Instandhaltung und auch Investitionen (allein im Jahre 2022 waren es mehr als 60 Millionen Euro) getragen. Diese Ausgaben müssten, so Reichhalter, von dem nun bezahlten Vorschuss abgezogen werden. Im Ministerium habe es kürzliche entsprechende Signale gegeben, dass diese Forderung gerechtfertigt sein könnte.
Zweitens: Die A22 zahlt jährlich 34 Millionen Euro Querfinanzierung an das Projekt Brennerbasis-Tunnel. Auch das eine Ausgabe, welche private Konzessionäre nicht leisten. Auch hier rechnet man bei der A22 mit einer Berücksichtigung dieser Kosten bei der Festlegung der geschuldeten Überertrags.
Sollte es zu keiner Einigung mit dem Ministerium kommen, behängt weiter eine Klage der Autobahngesellschaft, welche diese im Jahre 2018 beim Verwaltungsgericht Latium eingebracht hat.
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat sich in dieser Angelegenheit vor drei Wochen eigens mit Transportminister Matteo Salvini (Lega) getroffen. „In Bezug auf die noch ausstehenden Zahlungen der Autobahn auf die sogenannten Extragewinnehaben wir festgestellt, dass sich beide Seiten bei der Definition der Höhe der zu leistenden Zahlung inzwischen recht nahe sind“, ließ sich Kompatscher im Anschluss an das Treffen in einer LPA-Mitteilung zitieren. Und weiter: „Dementsprechend haben wir vereinbart, dieses Einvernehmen innerhalb der nächsten zwei Wochen zu erreichen.“
Der ehemalige Gesundheitslandesrat und jetzige Oppositionspolitiker Thomas Widmann nimmt den Vorfall zum Anlass, um erneut die „Ankündigungspolitik“ von Landeshauptmann Arno Kompatscher zu kritisieren: „Er verspricht seit zehn Jahren, dass wir die Konzession in den nächsten zwei Wochen bekommen werden. Er ist schon x-mal nach Rom gefahren, um einen guten Eindruck zu machen. Danach war der Durchbruch immer auf den Titelseiten der Zeitungen zu lesen. Aber jedes Mal passiert das Gegenteil. Statt der Konzession in unserer Tasche überweisen wir 140 Millionen Euro an den Staat. Das ist nicht seriös: Die Bevölkerung wird an der Nase herumgeführt“, beklagt Widmann. Da sei es nicht verwunderlich, dass dem „Chef“ bald niemand mehr glaube.
Laut dem Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti dürfte die Konzession für die A22 nicht vor Ende dieses Jahres erteilt werden.
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