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„Klingt nach Hoffnung“

Der Musiker Philipp Burger sieht im Koalitionsprogramm hoffnungsvolle Ansätze und ist überzeugt, dass Kultur sowohl Traditionen erhalten, als auch Vielfalt schaffen kann.

Tageszeitung: Herr Burger, wie würden Sie den Abschnitt Kultur des Koalitionsprogramms beschreiben?

Philipp Burger (Sänger, Songwriter, Gitarrist und Autor): Für mich klingt das Programm ein wenig nach Hoffnung. Es finden sich Punkte im Papier, die vermuten lassen, dass wir als Festivalveranstalter vom größten Volksfest Südtirols gemeinsam mit den Vereinen eine finanzielle Unterstützung erhalten. Wir haben inzwischen sicher zig Millionen für Südtirol erwirtschaftet und bisher nie einen Cent aus öffentlicher Hand erhalten. Allerdings sei zu erwähnen, dass wir bis auf ein einziges Mal auch nie Unterstützung beantragt haben. Und dieses eine Mal, wo wir Hilfe angefragt haben, haben wir diese nicht erhalten.

Im Koalitionsprogramm heißt es „unsere Kultur verbindet Menschen, schafft Identität und trägt zur Vielfalt bei“. Wie würden Sie diesen Satz interpretieren?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eigene Identität selbstsicher macht und bewirkt, dass die Leute weniger Angst vor vermeintlich Neuem haben. Es ist langfristig betrachtet enorm wichtig, dass auch die eigene Kultur gefördert wird. Aber ich finde es ebenso gut, wenn sich Stile, Rezepte und Kunstformen mischen. Kunst sollte jedenfalls keinem öffentlichen Bewertungssystem unterliegen, sie ist nicht gut oder schlecht, wertvoll oder nicht wertvoll – sie gefällt oder gefällt nicht. Und das entscheidet das Publikum und der Erfolg.

An anderer Stelle des Programms heißt es, dass durch die Förderung von Kultur „kulturelle Traditionen bewahrt“ werden. Trägt Kultur nun mehr zur Erhaltung von Traditionen oder zur Schaffung von Vielfalt bei?

Beides, denn das eine fügt dem anderen keinen Schaden zu – ganz im Gegenteil: das über Jahrhunderte Gereifte befruchtet das vermeintlich Neue und umgekehrt, beides bildet einen großen Wert. Und ja, ob es nun Musiker, das Vereinswesen oder Brauchtumserhaltung ist, sie alle dienen natürlich der Kulturerhaltung und schließen neue Formen der künstlerischen Entfaltung nicht aus.

Sie haben kürzlich die Frage aufgeworfen, warum die politische „Rechte“ oftmals mit „schlecht“ konnotiert wird, wohingegen die „Linke“ mit „gut“ … 

Grundsätzlich gibt es in einer Demokratie die eher konservativen Ansichten, die dem rechten Flügel zugeordnet werden, und die liberalen Ansichten, die unter linker Flagge segeln. Ich bin kein Freund von diesem links-rechts Schubladendenken, weil sich beides immer wieder unfassbar widersprochen hat. Ich finde beide Begrifflichkeiten somit total obsolet. Mittlerweile dürften sich die Menschen eh schwer tun, zu erkennen, welche Seite überhaupt für was steht. Aber natürlich heißt es, immer wachsam sein und dann einschreiten, wenn die Grenzen der Legalität überschritten werden. Das hat aber nichts mit links oder rechts zu tun, sondern mit dem jeweiligen Handeln.

Sie halten diese Begrifflichkeiten für überholt, stattdessen sollten vielmehr die Inhalte in den Fokus gerückt werden, denn eine weitere Verwendung der Begriffe würde einzig eine Spaltung fördern. Aber sind es nicht gerade die Inhalte, die Begriffe hervorbringen?

Extrem denkende Menschen sehen die Inhalte ihrer politischen Seite sehr oft als die einzig richtige und sind sich dabei gar nicht bewusst, dass sie für ihre Ziele sehr ähnlich agieren. Sie überschreiten Grenzen, bekämpfen ihren „Feind“ und vergessen hierbei nicht selten das gemeinsame respektvolle Gespräch für Lösungen. Man muss aber mit den Leuten reden, um auch ihre Ansichten zu verstehen. Nicht miteinander, sondern nur mehr übereinander zu reden, hat meiner Meinung nach die Welt noch nie friedlicher gemacht.

Die Förderkriterien in den Kulturbereichen sollen überarbeitet werden, damit sie in Zukunft treffsicherer sind. Bedeutet dies, dass bisher auch dort gefördert wurde, wo es nicht notwendig war?

In der Südtiroler Kultur hat es sicher auch oft Entscheidungen nach eigener politischer Überzeugung gegeben. Es sollte und darf aber kein Gremium geben, keine Kunstpolizei, welche darüber entscheidet, was förderungswürdig ist und was nicht. Stattdessen sollte vielmehr nach zu erwartender Entwicklung gefördert werden – und auch nach eigenen finanziellen Möglichkeiten. Natürlich hat Förderung viele tolle Entwicklungen in der Kunst- und Kulturszene bewirkt, die ohne öffentliches Zutun undenkbar gewesen wären. Es hängt aber auch davon ab, wie viel sich das Land leisten kann.

Außerdem soll eine Sozialabsicherung für die Kunst- und Kulturschaffenden eingeführt werden. Gab es denn bislang keine Künstlersozialkasse, so dass die Kulturschaffenden allein auf private Absicherung angewiesen waren?

Laut meiner Information erlaubt Italien nur eine staatliche Sozialversicherung. Nachdem in Südtirol aber 90 Prozent der Kunstschaffenden dies nicht hauptberuflich tun und sich diese Beträge sehr oft nach zu versteuerndem Gewinn berechnen, bin ich gespannt, was hier am Ende herauskommt. Alles in allem wünsche ich mir, dass wir die neue Landesregierung mal arbeiten lassen und dann entscheiden, ob dieses Programm funktioniert oder einer Nachbesserung bedarf.

Interview: Sandra Fresenius

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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