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„KI als Werkzeug“

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Dürfen künstliche Intelligenzen mit Zeitungsartikeln gefüttert werden oder stellt das eine Verletzung des Urheberrechts dar? Thomas Schnitzer, Anwalt für Internetrecht, klärt auf.

Tageszeitung: Herr Schnitzer, die New York Times verklagt Microsoft und OpenAI. Sehen auch Sie hier eine Verletzung des Urheberrechts, weil die beiden Unternehmen Millionen Artikel der Zeitung zum Trainieren und Füttern ihrer Künstlichen Intelligenz verwendet haben, um damit ein Geschäft aufzubauen?

Thomas Schnitzer: Künstliche Intelligenz muss sich natürlich auch an die Regeln halten. Wenn hier eine Verletzung des Urheberrechts stattgefunden hat, dann wird das sicherlich rechtliche Konsequenzen haben. Es ist nicht erlaubt, geistiges Eigentum eines anderen gewerblich zu nutzen, ohne ihm dafür etwas zu bezahlen bzw. ohne sein Einverständnis für die Nutzung eingeholt zu haben. In der Klage wurde kein Wert angeführt, so dass es sicherlich ein schwieriges Kapitel werden wird, den Schaden bzw. den Wert dieses unberechtigten Zugreifens zu quantifizieren. Das obliegt dem Gericht. Ich gehe davon aus, dass ein Sachverständigen-Gutachten durchgeführt wird, um den Schaden zu quantifizieren.

Die New York Times hat die Firmen aufgefordert, die Nutzung der Inhalte einzustellen. Ist das denn so einfach zu überprüfen?

Ich kann sehr genau feststellen, ob mein Datenmaterial von jemand anderem genutzt worden ist. Wahrscheinlich kann ich dies sogar auch mit KI feststellen. Microsoft und OpenAI werden sozusagen mit ihren eigenen Waffen geschlagen.

Außerdem forderte die US-amerikanische Zeitung, dass die bereits gesammelten Daten gelöscht werden. Sind diese Daten aber nicht längst im Netz verteilt und eine vollständige Vernichtung damit ausgeschlossen?

Es geht der New York Times wahrscheinlich darum, dass dieser Missbrauch nicht weiter fortgeführt wird und damit das theoretische Geschäftsmodell von KI eingebremst wird oder vielmehr, dass ab jetzt für die Nutzung gezahlt werden muss. Sicherlich ist es technisch schwierig, dass alle Daten, die bisher widerrechtlich genutzt worden sind, aus dem Netz entfernt werden, aber es kann vom Gericht angeordnet werden. Diese Software-Unternehmen müssen dann ganz gewiss sehr viel Geld investieren, um die verwendeten Passagen zu entfernen.

Anwalt Thomas Schnitzer

In Deutschland sind die großen Medienkonzerne mit dieser Thematik anders umgegangen, indem sie eine Vereinbarung getroffen haben, der zufolge sie Geld für die Beantwortung von Nutzerfragen erhalten, die auf journalistischen Artikeln beruhen. Welches Vorgehen zum Schutz des unabhängigen Journalismus ist zielführender?

Es wird bestimmt eine Herausforderung an die Medienwelt und an die KI, einen Weg zu finden und im Falle einer erfolgreichen Klage der New Yorker Zeitung wird mit weiteren Klagen zu rechnen sein. Aber voraussichtlich wird es Formen der Zusammenarbeit geben und geben müssen, wo beide Seiten ihre Leistungen in irgendeiner Form bezahlt bekommen und einen Vorteil haben. Bereits jetzt gibt es Geschäftsmodelle in Form von Portalen, auf die man gegen Bezahlung zugreifen kann. Ich sehe für die New York Times sogar einen riesigen Vorteil und die Möglichkeit, ein Geschäft zu machen. Sie könnte Informationen an die KI-Unternehmen verkaufen, die sich wiederum die Arbeit sparen, diese selbst einzuholen. Die Aufgabe von Unternehmen wie Microsoft oder OpenAI bestände dann darin, diese Informationen nur noch richtig zu verknüpfen.

Werden KI-Systeme tatsächlich zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten im Nachrichtengeschäft und der Beruf des Journalisten überflüssig?

Nein, das glaube ich nicht, der Journalismus wird erleichtert und perfektioniert, wobei die Systeme der künstlichen Intelligenz eher zum Werkzeug, denn zum Konkurrenten werden. Ein Journalist wird sich in Zukunft wahrscheinlich der KI bedienen, um besser, schneller und leichter arbeiten zu können. Der Leser wiederum hätte den Vorteil, dass er professioneller bedient wird, dass er bessere Werke zur Verfügung gestellt bekommt.

Ist der unabhängige Journalismus durch den Einsatz von KI in Gefahr?

Nicht mehr als zuvor. Journalismus ist auch heute nicht unbedingt unabhängig. In Zukunft wird man Kontrollmechanismen schaffen müssen, um den unabhängigen Journalismus zu schützen. Die Kontrolle kann technisch erfolgen, aber es wird immer einen Redakteur brauchen, der zum Schluss noch einmal drüber schaut und auch zur Verantwortung gezogen werden kann.

Wie können Leser und Zuschauer noch echte Nachrichten, von denen durch KI erstellten unterscheiden?

Der Leser wird kaum mehr durchblicken können, ob ein Journalist oder eine KI eine Nachricht, einen Artikel erstellt hat. Um Fake-News und ihre Verbreitung zu vermeiden, braucht es die oben angesprochene Kontrollinstanz. Der Leser muss sich aber immer dessen bewusst sein, dass schlussendlich er es ist, der entscheidet, was er glaubt und was nicht. Mit dem Einsatz der KI wird er sich damit aber sicher schwerer tun.

Interview: Sandra Fresenius

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