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„ … als wäre nichts gewesen“  

Das auf wahre Verbrechen spezialisierte Magazin „Stern Crime“ hat den Fall des Serienmörders Ferdinand Gamper rekonstruiert – und dabei festgestellt, wie Südtirol diesen Kriminalfall vergessen und verdrängt hat.

von Artur Oberhofer

Am Ende bleiben drei Buchstaben: Wut.

Aber niemand weiß, was den Spross einer Südtiroler Bauernfamilie zu seinen Taten getrieben hat. War es blinder Hass gegen die Italiener, wie damals die nationalen Medien eifrig spekulierten? War es der Verdruss gegen eine Welt, die er nicht als die seine wahrnahm? Oder war er „nur“ ein „Psychopath“, wie Alexander Zelger, der ehemalige Fahndungsleiter der Staatspolizei, bis heute glaubt?

Der Name Ferdinand Gamper steht für eine der spektakulärsten Mordserien des 20. Jahrhunderts in Südtirol, ja eigentlich in Europa. Drei Wochen lang hielt der Serienmörder von Meran im Februar 1996 Land und Leute in Atem.

Sechs Morde in 22 Tagen: Nie zuvor hatte ein Serial Killer mit einer derartigen Frequenz zugeschlagen.

Nun hat sich auch „Crime“-Magazin des Hamburger „Stern“ auf Spurensuche begeben.

In einer 12-seitigen Reportage rekonstruiert die freie Journalistin Julia Kopatzki den Fall des Serienmörders von Meran, der vor fast 28 Jahren für weltweite Schlagzeilen gesorgt hat. Für ihre Reportage wählt Julia Kopatzki einen Titel mit nur drei Buchstaben: „Wut.“

Julia Kopatzki ahnte zwar, dass der Südtiroler Kurort Meran fast 30 Jahre danach „nicht mehr der Opfer von Ferdinand Gamper gedenken würde“. Aber trotzdem war die Reporterin überrascht, dass in der Passerstadt „wirklich gar nichts mehr an die Morde erinnert“. Die „Stern-Crime“-Autorin erzählt, sie und ihr Fotograf Manuel Nieberle hätten „mehrere Tage gebraucht“, bis sie „anhand alter Fotos die genauen Tatorte finden konnten“.

Entsprechend nüchtern und ernüchternd ist denn auch das  Resümee, das die „Stern Crime“-Reporterin nach ihrer Spurensuche in Südtirol zieht: Land und Leute hätten einen der spektakulärsten Kriminalfälle der Geschichte vergessen. Verdrängt. Ausgeblendet.

Der Fall des Serienmörders Ferdinand Gamper beginnt am späten Nachmittag des 8. Februar 1996.

Clorinda Cecchetti und Hans Otto Detmering haben am Nachmittag das Weinbaumuseum auf Schloss Rametz besucht. Die promovierte Juristin aus Penna San Giovanni bei Ancona, die als Verwaltungsbeamtin in einer Mittelschule arbeitet, und der leitende Bundesbank-Beamte aus Königstein in Hessen – sie 50, er 61 Jahre alt – hatten sich drei Jahre zuvor während eines Platzkonzertes der Musikkapelle „Peter Sigmayr“ in Olang kennen- und in der Folge lieben gelernt.

Hans Otto Detmering und Clorinda Cecchetti möchten eine Wohnung in Meran kaufen,um dann, wenn der Banker in Pension geht, möglichst viel Zeit gemeinsam verbringen zu können.

Das mediterran-kurstädtische Flair Merans, diese Stadt, die wie eine emotionale Brücke zwei Kulturen verbindet, hat es dem Liebespaar angetan.

Doch an jenem Februar-Abend warten die Bediensteten im Hotel „Graf von Meran“ vergeblich auf die Gäste von Zimmer 14.

Cecchetti und Detmering kaufen kurz vor 19.00 Uhr in einem Fachgeschäft für Kunsthandwerk in der Kirchgasse einen Stadtführer. Sie erreichen in der Folge den Steinernen Steg und überquerten die Passer. Sie laufen die Promenade entlang, vorbei an der Villa Fanny, einem alten Stadthaus mit Bogenfenstern und verzierten Giebeln, als jemand hinter sie tritt. Es fallen zwei Schüsse.

Ein Schuss durchbohrt Hans Otto Detmerings Hinterkopf. Der andere trifft Clorinda Cecchetti am Scheitel. Zwei Körper stürzen auf das Kopfsteinpflaster der Promenade. Ihr Arm an seinem eingehakt.

Niemand ahnt zu dem Zeitpunkt, dass der Mord an dem deutschen Banker und seiner italienischen Geliebten der blutige Auftakt einer unheimlichen Mordserie sein würde, die darin gipfelt, dass deutsche Boulevard-Medien eindringlich davor warnen, nach Südtirol in den Urlaub zu fahren.

Die „Bild“-Zeitung titelt am 29. Februar 1996: „Urlauber fliehen aus Meran.“

Tatsächlich befindet sich Meran wochenlang im Ausnahmezustand, Meran ist nachts wie Belfast, Meran wird zur Mörder-Stadt, zur Kurstadt, in der sich das Böse eingenistet hat.

In Julia Kopatzkis Rekonstruktion der Mordserie von Meran spielt Alexander Zelger eine prominente Rolle. Der ehemalige Chef der Fahndungsabteilung der Staatspolizei sitzt an jenem Februar-Abend, an dem Ferdinand Gamper das erste Mal zuschlägt, in seinem Büro und sagt nur: „Scheiße!“

Scheiße, dass die Carabinieri vor der Staatspolizei am Tatort in der Winterpromenade waren. Scheiße ist das deswegen, weil jetzt nicht er, der ehrgeizige Commissario Zelger, sondern die Carabinieri die Deutungshoheit im Fall des Doppelmordes auf der Winterpromenade haben.

An den Fall des Serienmörders Ferdinand Gamper, gesteht Alexander Zelger der „Stern Crime“-Reporterin, könne er sich besonders gut erinnern. „Auch wegen der vielen Fehler“, so wird Zelger zitiert.

Der Kapitalfehler sei gewesen, so lässt Alexander Zelger gegenüber Julia Klopatzki anklingen, dass nicht er die Ermittlungen geleitet habe.

Der Fall des Meraner Serienkillers Ferdinand Gamper ist jener Kriminalfall, in dem es zu einer der eklatantesten Ermittlungspannen der Südtiroler Kriminalgeschichte gekommen ist.

Am 14. Februar 1996, sechs Tage nach dem Doppelmord auf der Winterpromenade, wird in Sinich der Knecht Umberto Marchioro tot aufgefunden.

Mit einem Kopfschuss.

Es stellt sich heraus, dass der Mann aus Sinich mit derselben Waffe erschossen worden ist wie Clorinda Cecchetti und Hans Otto Detmering.

Eben weil zwischen Staatspolizei und Carabineri Argwohn herrscht, und weil – so schreibt Julia Kopatzki – „Ehrgeiz zu Misstrauen und Misstrauen zu Fehlern führt“, kommt es zu einem Krimi im Krimi: Die Carabinieri verhaften einen jungen Mann aus Sinich, Luca Nobile, einen Kleinkriminellen und notorischen Kiffer, der vermutlich noch viele Jahre im Knast hätte schmoren müssen, wenn der wahre Serial Killer nicht weitergemordet hätte.

Der diensttuende Staatsanwalt (Cuno Tarfusser) sagt auf der Pressekonferenz zur Verhaftung Luca Nobiles: „Wir wären bereit, schon morgen in ein Schwurgerichtsverfahren zu gehen.“ Die Botschaft: Der Täter ist gefasst, der Spuk vorbei. „Meran atmet auf“, titeln denn auch die Zeitungen.

Alexander Zelger, inzwischen ein Rentner, verrät der „Stern Crime“-Reporterin Julia Klopatzki: Er habe die Verhaftung Nobiles von Beginn an für einen Fehler gehalten. „Wir haben den Falschen“, habe er bereits damals seinen Vorgesetzten gesagt, aber das, so Zelger, habe „damals niemand hören wollen“.

Als der Serial Killer am 27. Februar 1996 erneut zuschlägt und am Pfarrplatz von Meran den jungen MEMC-Mitarbeiter Paolo Vecchiolini erschießt, wird klar, dass die Ermittler den Falschen inhaftiert haben.

Luca Nobile muss aus der U-Haft entlassen werden.

Und es kommt zum großen Showdown von Riffian: Die Ermittler bekommen einen Hinweis. Als sie nach Riffian fahren, um einen gewissen Ferdinand Gamper zu überprüfen, hat dieser bereits Tullio Melchiori erschossen. Alexander Zelger erinnert sich noch genau an die Worte von Melchioris Ehefrau: „I me g’ha copà el me Tullio!“ Sie haben ihren Tullio ermordet. Tullio Melchiori hat Jahre zuvor den Heimathof Ferdinand Gampers, den Locherhof in Riffian, gekauft.

Musste er deswegen sterben? So wie Guerrino Botte, der im falschen Moment am falschen Ort steht?

Der Carabinieri-Maresciallo Botte stirbt, als er das Tor zum Stadel, in dem sich Ferdinand Gamper verbarrikadiert hat, öffnen will. Gamper schießt Botte durch die Holztür in den Kopf.

Neben Tullio Melchioris Leiche finden die Ermittler einen Zettel, auf dem steht: „Ich bin ein italienischer 0 Nazi Siedler und verantwortlich für den Kindermord.“ In Ferdinand Gampers Küche entdecken die Ermittler einen weiteren Zettel: „Lieber in Südtirol verrecken, als in Italien verhungern.“

Die „Repubblica“ und andere nationale Medien brandmarken Ferdinand Gamper als „Henker der Italiener“.

Bis heute gibt es für Ferdinand Gampers mehrwöchigen Amoklauf im Winter 1996 kein eindeutiges Motiv. Alexander Zelger ist überzeugt, dass Ferdinand Gamper gestört war. „Das war krankhaft.“

Die Motivsuche erübrigt sich, weil Ferdinand Gamper seine abgesägte Flinte gegen sich richtet.

Der Serienmörder von Meran wird in einem winzigen Verschlag aufgefunden. Der Kopf hängt auf seinen Knien. Er hat sich in den Kopf geschossen – und sein Geheimnis mit ins Grab genommen.

Im „Stern Crime“-Report kommt auch Charly Daprà zu Wort, der Meraner Friseur und Gamper-Freund. Er war es, der den Ermittlern den alles entscheidenden Tipp gegeben hat.

Daprà erzählt, er habe Morddrohungen erhalten, sei als Verräter beschimpft worden. Einige Wochen lang erhielt der Friseur Polizeischutz.

Dann kam der Frühling nach Südtirol und – genau so endet die Reportage von Julia Kopatzki – „ … und es dauerte nicht lange, da kehrten auch die Urlauber zurück, als wäre nichts gewesen …“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (11)

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  • nobodyistperfect

    Was für ein Schmarrn, gut abgeschrieben und neu aufgewärmt, um eigenes Kapital zu schlagen. Julia war 4 Jahre als das passiert ist und ich glaube nicht, dass sie die geringste Ahnung hat, wie es in Südtirol damals angefühlt hat einen unbekannten Mörder zuhaben. Und wenn wir immer so rückwärts gewandte Einstellungen haben, dann wundert mich nicht, dass die Deutschen immer noch Probleme mit ihrer Vergangenheit haben.

  • andreas1234567

    Hallo zum Sonntag,

    muss man im Gesamtzusammenhang sehen, in Südtirol bahnt sich eine Regierung an die den linken Politschreiberlingen von Stern, Spiegel, Süddeutscher und Zeit schwer im Magen liegt.

    Lustigerweise schreibt die gute Frau „freie Journalistin“ für alle angeführten Linksmagazine und Zeitungen, ist dort gern gesehene Autorin.Wenn es mies läuft und die Stimmung kippt gegen die auch in Südtirol verkäuflichen Magazine war es eben die „freie Autorin“. Perfides Spiel, schmierig und minderwertig.

    Da muss doch mal was aufgewärmt werden um den Südtiroler als gewissenlosen geldgierigen und volkstümelnden Depp darzustellen und die Urlauber welche dorthin reisen bekommen im letzten Satz ihr Fett weg, die kamen wieder „als wäre nichts gewesen“.Es war“ auch nichts gewesen“, war in dieser Zeit auch gern und oft dort Gast, damals noch in Schenna
    Wenn die Ereignisse wenigstens einen „Jahrestag“ hätten, vor 25 oder 50 Jahren passiert.Das ist einfach nur ein verzweifeltes Suchen nach Dreck zum Herumschmeissen, hingeschmierter Mist.
    Diese „Artikel“ werden jetzt gehäuft aus dem journalistischem deutschem Linkslager aufschlagen, das darf ruhig als Versuch gewertet werden Südtirol die Wintersaison zu versauen.

    Erinnert sich jemand an den Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz? Vielleicht möchte ein Südtiroler Reporter einmal die dortige deutsche Erinnerungskultur begutachten.. Oder Stern,Spiegel, Zeit und Süddeutsche nach einschlägigen Erinnerungsartikeln durchforsten..

    Persönlich habe ich die Hoffnung aufgegeben Politik oder Tourismusverbände protestieren einmal energisch gegen dieses journalistische deutsche Schmierentheater.

    Auf Wiedersehen in Südtirol und wenn deutsche Linksmagazine und die Alpenprawda dagegen wettern ist das ein persönliches Qualitätssiegel

    • andreas

      So lange nicht die Margarete Stokowski Artikel über Südtirol schreibt, ist alles gut.
      Der Stern hat nebenbei schon einen Artikel über Bergamo veröffentlicht, welcher innerhalb von 6 Jahren 5 Frauen in der Umgebung von Bozen ermordet hat.

      Wenn sie meint, Südtirol an eine „Erinnerungskultur“ erinnern zu müssen und das anprangert, soll es halt so sein.
      Ich nehme mal an, dass das so gut wie niemanden daran hindert, nach Südtirol zu kommen und wen, kann man auch nichts machen.

      Verlink mal einen Artikel wo Südtirol unberrechtigterweise kritisiert wird, habe eigentlich noch nie einen gesehen.
      Dass der Grund für den Artikel ist, Südtirol die Wintersaison zu vermiesen, glaube ich nebenbei nicht.

      • andreas1234567

        Hallo @Namensvetter,

        Luttach?Bild-Zeitung? Südtirol das Land der Säufer?
        Tagesschau?Südtiroler rennen einer bekannten Südtiroler Anwältin zu Tausenden hinterher? Und der LH darf den Südtirolern attestieren das wäre schon ein eigenwilliges Völkchen.
        Süddeutsche Zeitung könnte ich nochmal rauskramen, die hatten die Erklärung warum damals Südtirol „Spitzenreiter“ in Europa bei der heiligen Inzidenz war, im Prinzip weil es disziplinlose Privatkellersäufer waren die sich einen Dreck um Regeln und Gemeinsinn scheren.
        Und natürlich soll es Südtirol wirtschaftlich treffen, da setzen die kunterbunten Hetzer immer an, ich erinner da an eine gewisse Pestizidkampagne, wenn gesichert linksextremistische Hetzkampagnen gefahren wurden sollte das immer den Südtiroler Tourismus treffen.
        Ein Spielchen was der damalige Kanzler Kurz aus A und der Söder aus Bayern gern und mies aufgegriffen haben und ihr eigenes Urlaubsland gepriesen haben um potentielle Gäste aus Südtirol abzugreifen.
        Ist mir logischerweise peinlich und unangenehm, zum Glück stellen die Gästezahlen das jedes Jahr wieder richtig.

        Auf Wiedersehen in Südtirol

    • heracleummantegazziani

      Die Assoziation zwischen rechter Koalition in Südtirol und linksliberalen deutschen Medien ist wohl etwas vom Bescheuertsten, das Sie jemals von sich gegeben haben und da gibt es wahrlich eine Menge.

  • ultnerbaer

    Was muss denn noch alles “ aufgearbeitet“ werden? Die gute Frau kann sich ja an JWA wenden, dann verdoppelt sich der Inhalt seines Wahlprogramms.

  • artimar

    „ … als wäre nichts gewesen“ klingt bei „Spiegel“, typisch bei Südtirol, wie eine Anklage gegen ihre Einwohnerschaft anstatt die Gründe im Einzelnen (journalistisch) herauszuarbeiten, z.B. wieso es nie eine öffentliche Untersuchung, keine gründliche Aufarbeitung gab.

  • tommmi

    Zum Glück hat sich Gamper selbst gerichtet. Sonst hätten sich sowieso nur wieder einige Rechtsanwälte auf Steuerzahlerkosten bereichert.und wenn Staatspolizei und Carabinieri nicht zusammenarbeiten können dann ist es auch kein Wunder dass jetzt in einigen Südtiroler Städten die Kriminalität so hoch ist, man geht ja lieber und bequemerweise der arbeitenden und ehrlichen Gesellschaft auf die Nerven und schüttet sie mit Bürokratie zu.Ein Wunder dass nicht noch mehrere Leute durchdrehen und vl wieder so etwas passieren könnte.

    • andreas

      So ein Schwachsinn, was sind manche Südtiroler nur für erbärmliche Heulsusen geworden?
      Warum sollten manche „durchdrehen“?

      Wenn du einen an der Waffel hast, können andere nicht wirklich dafür.

  • dn

    Wieso wird das wieder aufgewärmt? Hat diese Tante nichts Besseres zu tun?

  • vinschgermarille

    Meran wie Belfast in der Nacht? Das ist schon eine reichlich übertriebene Aussage…Ich war damals ganz normal in der Stadt unterwegs, auch nach 17h ,und da ist es im Winter schon relativ dunkel.Auch die Gäste sind nicht alle geflüchtet.Vergessen hat das von den Bürgern ( Männlein + Weiblein !!!) niemand , nur wird es halt nicht ständig breit getreten.Sensationsblätter wie BILD u.Stern können damit halt nicht so gut umgehen, die leben ja von Hysterie und „Enthüllungsjournalismus“.

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