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„Gehe mit Wehmut“

Ivo Bonamico, Barbara Siri und Alexander Schmid

Nach neun Jahren hat Barbara Siri überraschend ihr Amt als Präsidentin des Weißen Kreuzes zurückgelegt. Warum sie jetzt aufhört und wie der Landesrettungsverein heute dasteht.

Tageszeitung: Frau Siri, Sie haben überraschend Ihr Amt als Präsidentin des Weißen Kreuzes zurückgelegt. Warum ist es jetzt zu dieser Entscheidung gekommen?

Barbara Siri: Ich habe diese Entscheidung für mich eigentlich schon vor einigen Monaten getroffen und bin damit meinem Credo treu geblieben, dass ich im richtigen Moment aufhören möchte, also solange ich noch zu 100 Prozent Feuer und Flamme bin. Und dem Beispiel meines Vorgängers folgend habe ich mein Amt rund ein halbes Jahr vor den Neuwahlen zurückgelegt, weil ich noch gut weiß, wie hilfreich es damals für mich war, mich in diesen Monaten einarbeiten zu können. Ich wollte die Weichen stellen für eine gut strukturierte Übergabe im Mai.

Sie wollen im kommenden Jahr auch den Vorstand verlassen. Ist diese Aufgabe irgendwann doch zu zeitintensiv? 

Es ist ein sehr intensives Amt, aber ich habe jetzt 16 Jahre lang im Vorstand mitgearbeitet, sieben davon als Vize-Präsidentin und fast neun als Präsidentin – und ich bin kein Sesselkleber und war schon immer eine Befürworterin von Amtszeitbeschränkungen. Auch wenn jemand gut arbeitet, bringt es immer Neues in Bewegung. Für mich ist das jetzt deswegen kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt und ich kann wirklich ruhigen Gewissens gehen, weil der Verein so stabil ist, wie ich ihn in 16 Jahren nicht erlebt habe.

Also steht der Landesrettungsverein gut da? 

Wir haben landesweit eine Stabilität, einen guten Austausch zwischen allen Organisationen und auch eine wirklich gute Harmonie zwischen Haupt- und Ehrenamt, was im internationalen Vergleich wirklich einzigartig ist. Ich gehe natürlich mit Wehmut, aber es liegt einfach auch in der Qualität einer Führungskraft, im richtigen Moment loszulassen.

Waren Ihre Kollegen im Vorstand eingeweiht oder sind einige vom Hocker gefallen? 

(lacht) Sie sind eher vom Hocker gefallen und ich habe auch tränende Augen gesehen. Ich habe heute sehr viele Rückmeldungen bekommen, für die ich sehr dankbar bin, die mir aber auch zeigen, dass ich im passenden Moment aufgehört habe.

Wie konnten Sie das Weiße Kreuz in den vergangenen Jahren verändern, wo kann man Ihre Handschrift erkennen? 

Mir war immer das Freiwilligenmanagement sehr wichtig und ich bin ein Fan auch des Hauptamtes. Diese Gleichwertigkeit war mir immer wichtig und ich glaube, das ist mir auch gelungen.

Wie sieht es eigentlich mit den Mitgliedern und Freiwilligen aus? Kann man sich nach wie vor über Zuwachs freuen? 

Wir haben einen ständigen Zuwachs, haben mittlerweile 137.000 Fördermitglieder, fast 4.000 Freiwillige. Wir sind in den letzten Jahren gewachsen, haben unsere Kompetenzen und Tätigkeiten erweitert, wobei Kranken- und Rettungstransport weiterhin unsere Kernthemen sind. Auch der Zivilschutz hat sich extrem weiterentwickelt – früher war er eine sog. Feldküche, heute ist er international im Einsatz bei Katastrophen. Ich bin wirklich stolz auf unsere Mannschaft im Vorstand, bis hin zu jedem einzelnen Mitarbeiter und Freiwilligen, weil das alles ohne ihre Arbeit nicht möglich gewesen wäre.

Findet man auch genügend Nachwuchs? 

Wir genießen eine gewisse Attraktivität bei jungen Leuten, viele wollen zu uns kommen, auch als Sozial- oder Zivildiener. Durch unsere Vielfalt erwecken wir sicher auch Interesse und sind eine moderne Organisation, die nie stehen bleibt und sich ständig weiterentwickelt.

Die vergangenen Jahre waren von einer großen Herausforderung geprägt, der Corona-Pandemie. Wie intensiv war diese Zeit? 

Es war eine sehr, sehr intensive Zeit, wo wir selbst nicht wussten, wo es hingeht und von Tag zu Tag Entscheidungen im Krisenstab getroffen haben. Was ich nach wie vor beeindruckend finde, ist die Bereitschaft, die jeder von uns an den Tag gelegt hat – wir mussten oft bremsen und Ressourcen sparen, weil wir ja nicht wussten, ob auch bei uns Leute ausfallen werden. Es war eine große Herausforderung einerseits das Maximale zu geben, anderseits selbst aufzupassen, dass immer Notressourcen zur Verfügung stehen.

Als Präsidentin waren Sie ehrenamtlich tätig. Haben die Herausforderungen zugenommen? 

Man muss sicher die Bereitschaft zeigen, einen ausgefüllten Terminkalender zu haben und sich selbst auch einmal zurückzustellen. Man hat aber das Glück, ein großes Netzwerk aufzubauen und viele Leute kennenzulernen und bekommt viel Dankbarkeit zurück. Es ist sicher eine sehr zeitintensive Geschichte, die sich aber bezahlt macht – diese nicht-monetäre Dankbarkeit gibt einem einfach viel.

Worauf werden Sie immer gerne zurückblicken? Und welche Momente werden Sie nicht vermissen? 

Gerne zurückblicken werde ich immer auf die Treffen, die Leute und auch den Spaß, den ich hatte. Weniger vermissen werde ich den vollen Terminkalender und die Momente, wo ich mehrere Einladungen zeitgleich hatte und entscheiden musste, wo ich absage – das ist mir immer schwergefallen.

Auch nach Ihnen übernimmt mit Alexander Schmid wieder ein Freiwilliger dieses wichtige Amt. Wie wichtig ist es, dass ein Freiwilliger an der Spitze des Landesrettungsvereins steht? 

Das ist wirklich sehr wichtig, weil das Ehrenamt die strategische Führung im Weißen Kreuz vorgibt, das heißt, das Ehrenamt entscheidet, wohin wir strategisch gehen wollen, und das Hauptamt hat die Aufgabe das operativ umzusetzen. Die Überzeugung eines Ehrenamtlichen ist ja, dass er es als Berufung macht, da spielt Geld keine Rolle – und die Motivation ist dann einfach extrem hoch, eben weil man es aus Überzeugung macht und nicht wegen Geld.

Interview: Lisi Lang

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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