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So schützt sich Frau

Wie kann sich eine Frau vor Gewalttaten schützen? Marco Buraschi, Chef der Agentur STS-Security, bot früher Selbstverteidigungskurse an. Jetzt hat er auf Selbstschutzkurse umgesattelt: Warum diese zielführender sind – und Tipps zum Selbstschutz.

Tageszeitung: Herr Buraschi, Sie haben früher Selbstverteidigungskurse abgehalten…

Marco Buraschi: Ja, vorwiegend für Frauen.

Obwohl gut besucht, haben Sie davon abgelassen. Warum? 

Ich habe festgestellt, dass sich Frauen nach einem Kurs in falscher Sicherheit wiegen. Sie glauben, dass sie es danach mit einem 120-Kilogramm-Typen aufnehmen können. Eine absolute Illusion. Erst wenn man jahrelang eine Kampfsportart betreibt, wäre dies unter Umständen möglich.

Sie haben nun auf Selbstschutzkurse umgesattelt…

Ja, weil ich die Gesellschaft aufrütteln will. Diese Vorträge – wo ich auch einige Handgriffe zur Selbstverteidigung zeige – zielen primär auf Prävention ab, auf Vermeidung von gefährlichen Situationen. Denn wenn etwas passiert, sind alle anderen Schuld: Die Politiker, die alle illegalen Migranten einreisen lassen, oder die Ordnungskräfte, die zu spät vor Ort waren. Die Ordnungskräfte können aber erst einschreiten, sobald es bereits zur Tat gekommen ist. Aber ist es nicht sinnvoller, wenn ich selbst die Situation verhindern kann? Denn wenn es erst mal zur Tat gekommen ist, kämpfen Menschen jahrelang mit den psychischen Folgen und Ängsten.

Was kann sich Frau schützen? 

Frauen haben einen Vorteil, weil sie vorausdenken– sie müssen Familie und Beruf unter einen Hut bringen und müssen viel koordinieren. Frauen denken von Natur aus voraus – nur nicht in dieser Sparte. Sie sind überzeugt, dass alle anderen für ihre Sicherheit zuständig sind. Aber wenn diese Schutzmechanismen nicht greifen – wie sich auch letzthin zeigte – ist es meiner Ansicht nach besser, brenzligen Situationen vorzubeugen.

Was kann Frau tun? 

Man muss sich diese Gefahrensituationen vor Augen halten und in Rollenspielen nachspielen – um in eventuellen Situationen gewappnet zu sein. Zum Beispiel bei einem Handtaschendiebstahl: Dann kann ich nicht die Polizei verständigen, weil sich ja das Handy in der Handtasche befindet. Besser ist also, man trägt das Handy separat in einer Jackentasche. Man kann dann auch nicht zum Auto laufen und sich darin verbarrikadieren, den der Schlüssel befindet sich ja auch in der Handtasche.

Beispiele beim Ausgehen: Nach einer Abendveranstaltung im Kolping in Bozen, wenn das Auto in der Parkgarage Mitte geparkt ist: Zwar sind es nur 500 Meter bis zum Auto, aber trotzdem haben viele Frauen vor dieser Strecke Angst – die Zone ist nicht unbedingt sicher. Die Frau kann ein Taxi rufen und den Fahrer bitten, sie bis vor das Auto zu bringen, weil die Ausfahrt in der Garage bis zu 15 Minuten kostenlos ist. Die Stadtbevölkerung ist dies bereits gewohnt, die Landbevölkerung nicht.

Andere Tipps?

Immer in der Gruppe mit Freunden bleiben und sich gegenseitig im Blickfeld behalten. Es nutzt aber nichts, wenn dann alle übermäßig trinken – und das Mädchen schließlich dann trotzdem allein auf die Toilette geht. Auf dem Nachhauseweg, an gefährlichen Stellen, empfiehlt es sich, mit einem Freund oder einer Freundin zu telefonieren – und präzise anzugeben, wo man sich befindet und wie man gekleidet ist. Sinnvoll ist auch über Handy den Standort zu teilen. Sollte ich dann auf dem Weg überfallen und mir das Handy gestohlen werden, kann die Freundin die Ordnungshüter alarmieren und den genauen Standort angeben.

Zu verdächtigen Personen: Sich immer die Schuhe merken. Eine schwarze Hose und ein weißes Hemd tragen viele und diese Kleidungsstücke werden schnell gewechselt oder es wird etwas drübergezogen. Schuhe trägt fast jede Person verschiedene, sie werden selten gewechselt. Für die Ermittler eine wichtige Beschreibung.

Bei all diesen Gefahren kommen auch Apps zu Hilfe, die anzeigen, wo man sich gerade befindet. Ich kann den Standort mit anderen teilen. Beim Roaming ist jedoch der Akku bald leer: Ein zusätzliches Ladegerät ist notwendig.

Eine Utopie ist hingegen, eine Pfeife könnte behilflich sein.

Warum?

Wenn jemand in Panik gerät – so haben viele Angst – schaffen sie es nicht mehr zu schreien. Aber in diesem Fall schafft man es auch nicht eine Pfeife aus der Tasche zu nehmen und zu pfeifen.

Sind Pfeffersprays sinnvoll?

Sie sind beim Ausgehen eine tolle Sache. Zuerst muss man sich aber über die Wirkung im Klaren sein: Wenn sich der Wind dreht, bekomme ich beispielsweise den Spray selbst ab. Wenn schon Pfefferspray, dann brauche ich mehrere: einen im Auto, einen in der Handtasche, einen zu Hause usw. Vorab muss ich mich aber informieren, welcher Pfefferspray sinnvoll und welche Vorgehensweise legal ist. Nicht legal ist, wenn eine Frau den Spray in einer Disco nutzt, weil ihr ein Mann auf den Hintern gegriffen hat. Sie kann bei dieser Belästigung den Mann anzeigen, aber den Spray darf sie nur in Notwehr nutzen und in diesem Fall ist der Angriff schon vorbei. Pfefferspray in der Disco eingesetzt, kann zu Massenpanik führen, Leute können dann sterben – und dann wird die Frau zur Verantwortung gezogen. Auch auf offener Straße darf der Spray nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden.

Wie kann man K.-o.-Tropfen vorbeugen?

Zumeist ist bei K.-o.-Tropfen Alkohol mit im Spiel. Wenn ich zu viel Alkohol trinke, sodass ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle habe, dann riskiere ich, dass mein Körper missbraucht oder ich Opfer eines Diebstahls oder Überfalls werde, zumal ich leichte Beute bin. Dessen muss ich mir bewusst sein.

Zu K.-o.-Tropfen: Ich muss den Becher dementsprechend halten, sodass die Öffnung mit meiner Hand abgedeckt wird, also von oben. Gerade Jugendliche trinken oft aus derselben Flasche: Abgesehen von der Hygiene – die Flasche geht die Runde und ich weiß nie, ob jemand etwas hineingibt. Hinzuzufügen ist: K.-o.-Tropfen sind zwar im Umlauf, aber laut unserer Erfahrung nicht so häufig wie vermutet. Gerade Mädchen tendieren ihren Eltern oft gerne zu sagen, sie haben K.-o.-Tropfen erhalten – um nicht zugeben zu müssen, dass sie viel zu viel Alkohol getrunken haben.

Wie sieht es bei Einbrüchen aus?

Einbrüche waren letzthin ein aktuelles Thema: Auch hierbei gilt, sich in den Einbrecher hineinzuversetzen: Wie würden Sie in Ihr Haus eindringen? Primär muss man kontrollieren, ob das Haus gut gesichert ist. Hält die Tür oder das Fenster, wenn ich mit einem Hammer darauf einschlage? Die Fenster können mit einer T-Sicherung versehen oder mit Bolzen nachgerüstet werden. Sinnvoll ist auch, den Handhebel mit einem Druckknopf zu versehen, denn Räuber bohren zumeist beim Fenster ein Loch, fügen einen Draht ein und schieben von innen die Handhebel auf die Seite und das Fenster öffnet sich. Bei einem Druckknopf öffnet sich das Fenster hingegen erst, sobald man auf den Knopf drückt.

Zur Tür: Zumeist sind die Häuser zwar mit guten Türen versehen, aber dort, wo die Tür einrastet, liegt das Problem: Ist es möglich, diese mit einem festen Fußtritt zu öffnen? Zu prüfen ist, ob die Sperrplatten stabil genug sind. Und: Die Tür immer zusperren und nicht nur zuziehen. Ansonsten lässt sie sich mit einer Kreditkarte öffnen.

Und eine Alarmanlage? 

Eine Alarmanlage kann sinnvoll sein, diese wissen die Räuber aber meist zu umgehen. Sinnvoller sind Kameras, die ans Handy einen Signalton schicken, sobald sich jemand mehr als ein Meter dem Haus nähert. So kann ich schon bevor der Einbrecher eindringt bei den Ordnungskräften Alarm schlagen. Und ich erspare mir dann sogar die Reparaturkosten am Fenster oder an der Tür, die der Einbrecher verursacht hätte.

Aber auch hier gilt das Rollenspiel: Viele Kinder fragen ihre Eltern, was sie tun sollen, wenn ein Einbrecher kommt. Die Antwort der meisten Mütter: „Du brauchst keine Angst haben, bei uns bricht keiner ein.“ Aber wieso sollte es nicht gerade auch diese Familie treffen?

Sinnvoll wäre, die Szene – nicht gerade mit Kindern bis zu sechs Jahren, die wirklich Angst bekommen könnten – durchzuspielen: Sollen sich die Kinder im Fall des Falles in den Zimmern verbarrikadieren? Dann muss ich kontrollieren, ob sich dort auch ein Schlüssel befindet. Man kann Kinder darauf vorbereiten, wie sie die Notrufnummer wählen. Das Vorausdenken gilt auch im Urlaub.

Inwiefern?

Während ihrer Vorfreuden auf den Urlaub sehen alle nur den weißen Strand. Die wenigsten informieren sich vor der Reise über die politische Lage. Es besteht auch die Gefahr, dass man sich eine Verletzung zuzieht und sich das Bein bricht. Habe ich mich informiert, ob ein Krankenhaus in der Nähe ist? Habe ich ein Erste-Hilfe-Set mit?

Apps zeigen an, wo ich mich gerade aufhalte. Denn wie kann ich jemanden zu Hilfe rufen, wenn ich nicht weiß, wo ich mich befinde, weil ich das Straßenschild nicht lesen kann?

Mein Tipp: Vorbeugen ist immer besser, als dann das Nachsehen zu haben.

Interview: Erna Egger 

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