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„Ein Präzedenzfall“

Volksbank-Hauptsitz in Bozen

Ein Gericht in Venedig hat die Class Action von Aktionären der Südtiroler Volksbank zu.  Es ist die erste Sammelklage bei Finanzprodukten. Wie viele Südtiroler sich nun melden können. Und: Wie die Volksbank auf die zugelassene Klage reagiert.

von Markus Rufin

Sammelklagen werden in Italien nur selten zugelassen. Zwar hat der Staat die Zulassung von Class Actions erleichtert, noch sind aber die alten Regularien gültig.

Umso größer ist der Erfolg, den das Aktionärskomitee Südtirol gemeinsam mit den Verbraucherschutzvereinigungen Robin und Centro Consumatori Italia sowie den Rechtsanwälten feiert. Sie haben versucht, beim Gericht von Venedig eine Sammelklage gegen die Volksbank Südtirol einzubringen. Diese wurde nun zugelassen.

Gegenstand ist ein Aktienverkauf der Volksbank. Die Anwälte werfen der Bank vor, beim Verkauf der Aktien an tausende von Sparern gegen ihre Verpflichtungen verstoßen haben, da sie die Sparer nicht korrekt über die Merkmale der Aktien informiert haben. Die Aktien wurden für mehrere Dutzend Millionen Euro verkauft, die Volksbank verwendete dabei ein Informationsblatt, das bereits in rund 30 Entscheidungen des Consob-Finanzschiedsgerichts (AFC) als irreführend und täuschend eingestuft wurde.

Die Bank habe den Anlegern die Information gegeben, dass die Aktien liquide und daher immer zum gleichen Kaufpreis veräußerbar sein werden.

Im Laufe der Jahre erwiesen sich die Wertpapiere aber als unverkäuflich. Sie verloren etwa 60 Prozent ihres Wertes. Die Sparer erlitten also einen deutlichen Verlust.

Am Mittwoch hat das Gericht von Venedig den Anträgen der Anwälte stattgegeben und die Sammelklage für zulässig erklärt. Theoretisch könnten dadurch alle betroffenen Sparer daran beteiligen und in einem einzigen Verfahren ihre Rechte einklagen. „Das ist nicht nur kosten- sondern auch zweitsparend“, erklärt Walther Andreaus, Chef der Verbraucherschutzvereinigung Robin.

Um was für eine Summe es dann beim Prozess geht, steht noch nicht fest, da auch nicht klar ist wie viele Geschädigte sich im Prozess beteiligen. Am kommenden Mittwoch soll eine Pressekonferenz stattfinden, bei der die Details zur Sammelklage bekannt gegeben werden. Ab dann werden sich die geschädigten Sparer für die Sammelklage melden können, berichtet Andreaus: „Wir müssen genaue Angaben machen, denn sonst gibt es ein großes Chaos. Wahrscheinlich sind alle Sparer betroffen, die an der Kapitalerhöhung 2012 beteiligt waren. Ich schätze das werden zwischen 15.000 und 20.000 Sparer sein.“

Doch nicht nur deshalb stellt die Sammelklage eine Besonderheit dar. Es ist die erste Class Action, die in Italien gegen Finanzprodukte zugelassen wurde, unterstreicht Andreaus: „Das ist ein Präzedenzfall, der richtungsweisend wird. Das zeigt, dass auch die alte Class Action angewendet werden kann. Durch die neue wird es künftig sogar noch einfacher und auf verschiedene Bereiche anwendbar.“ Der Robin-Chef geht davon aus, dass nun weitere Versuche zur Zulassung von Sammelklagen gegen Finanzprodukte folgen werden. Auch Robin selbst hätte einige Ideen, werde aber erst mehr bekannt werden, wenn es offiziell ist.

Die Zulassung der Sammelklage ist allerdings nur ein Etappensieg. Die Volksbank hat nämlich bereits angekündigt dagegen vorzugehen. Dementsprechend nehme man die Verfügung zwar zur Kenntnis, die Bank werde aber Beschwerde dagegen einlegen. Diese behandle nur die „verfahrensrechtlichen Aspekte“ und nicht „die Fundiertheit der darin erhobenen inhaltlichen Einwände“.

Trotz der zugelassenen Klage zeigt sich die Bank nach wie vor optimistisch. Man habe im betroffenen Zeitraum zwischen Jänner 2012 und Juli 2015 korrekt gehandelt und werde den Weg weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Die Bank verweist auf verschiedene Gerichtsurteile zum selben Sachverhalt, die ebenfalls zugunsten der Volksbank ausgefallen sind.

Außerdem verweist die Bank darauf, dass im Frühjahr 2023 eine Dividende von 30 Millionen Euro an die Aktionäre ausgeschüttet wurde. Diese gute Entwicklung ermögliche es der Bank trotz der Risiken des Gerichtsurteils an einem weiteren Wachstum für das laufende Jahr festzuhalten, was eine angemessene Vergütung der Aktionäre ermögliche.

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