Du befindest dich hier: Home » Chronik » Verprügelte Frauen

Verprügelte Frauen

Foto: lpa/pexels.com

Zuletzt schockierten Femizide Südtirol. Eine neue Studie des Landesinstituts für Statistik (Astat) unterstreicht, wie präsent Gewalt an Frauen ist und wo bzw. in welcher Form Betroffene Hilfe ansuchen.

von Sandra Fresenius

Aktuelle Zahlen des Astat belegen, dass in den Beratungsstellen des Landes im vergangenen Jahr 600 Frauen aufgenommen worden sind. Das entspricht einer Zunahme von 2,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Dabei ist die psychische Form von Gewalt (82 Prozent) mit Abstand die am häufigsten ausgeübte, es folgen die körperliche (48 Prozent) und die ökonomische Gewalt (34 Prozent). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die verschiedenen Formen von Gewalt oftmals miteinander verbunden sind.

Gleich welcher Art von Gewalt, betroffene Frauen können sich an eine der vier Beratungsstellen wenden, die ihnen in vielfältiger Weise weiterhelfen. Im Jahr 2022 erbrachten sie insgesamt 5.350 Dienstleistungen, von denen mehr als die Hälfte Auskünfte bzw. telefonische Beratungen waren, aber auch die persönliche Beratung vor Ort wurde im Vergleich zu 2021 um 13 Prozent häufiger nachgefragt. 263 Rechtsauskünfte wurden im Jahr 2022 erbeten und 116 Rechtsberatungen.

Neben den Beratungsstellen gibt es in Südtirol mittlerweilezahlreiche Einrichtungen und Initiativen, um Frauen vor Gewalt zu schützen oder in Gewaltsituationen zu helfen. Eine der Initiativen ist das Erika-Projekt, welches 2015 zuerst nur in Bozen eingeführt, später auf das ganze Land ausgeweitet wurde. Dieses Projekt erlaubt Opfern von Gewalt einen vorrangigen Zugang zu den Notaufnahmen in den Krankenhäusern. „Im Jahr 2022 konnte somit 26 Frauen geholfen werden“, so das Landesstatistikinstitut.

Daneben gibt es geschützte Einrichtungen, die Frauen aus ihrer Gewaltsituation herausführen. Beinahe die Hälfte aller Betroffenen, die sich vergangenes Jahr an die Beratungsstellen gewandt haben, um in so einer Einrichtung aufgenommen zu werden, war zwischen 30 und 49 Jahre alt. In den vergangenen zwei Jahren konnten die Altersgruppen der 20- bis 29-Jährigen und der über 60-Jährigen einen Anstieg um zwei Prozent verzeichnen, wohingegen die Anzahl der minderjährigen Frauen, die eine Beratung in Anspruch genommen haben, konstant bei fünf Prozent geblieben ist. In der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen ist die Zahl um ein Prozent gesunken.

Auffällig ist, dass die Beratungsstellen für Frauen in Gewaltsituationen überwiegend von italienischen Staatsbürgerinnen aufgesucht werden (59 Prozent). Frauen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, denen vor Ort oft das Netzwerk aus Familie oder Freunden zur Unterstützung fehlt,werden eher in geschützten Einrichtungen betreut (61 Prozent).

Die aktuelle Auswertung des Astat gibt nicht nur Auskunft über die Opfer sondern nimmt auch die Täter ins Visier. In der Mehrzahl der Fälle geht die Gewalt vom Partner (57 Prozent) oder Ex-Partner (22 Prozent) aus. Bei gut einem Zehntel war der Vater oder ein anderer Verwandter für die an der Frau verübte Gewalt verantwortlich. „In Summe sind es also fast 90 Prozent der Gewalttaten, die sich im familiären und emotionalen Umfeld ereignet haben“, berichtet das Astat. Sehr selten dagegen ist der Täter ein Bekannter (8 Prozent) oder Unbekannter (2 Prozent). In 83 Prozent aller Fälle besaßen Opfer und Täter die gleiche Staatsbürgerschaft und in mehr als der Hälfte der Fälle hatte der Gewalttäter die italienische Staatsbürgerschaft.

Gewalt betrifft oftmals nicht nur Frauen, sondern auch deren Kinder sind direkt bzw. indirekt betroffen. Die Minderjährigen können gemeinsam mit ihrer Mutter in einem der fünf geschützten Wohneinrichtungen der Provinz Zuflucht finden, um weiterer und schwerwiegender Gewalt zu entkommen. In diesen Einrichtungen, deren Adressen geheim gehalten wirdund in denen die maximale Aufenthaltsdauer 180 beträgt,stehen 38 Wohnungen zur Verfügung. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 130 Frauen und 122 Kinder geplant oder aus einer Notsituationen heraus geschuldet aufgenommen. Jedoch ist vor allem bei Frauen in Notsituationen ein Anstieg zu bemerken. Waren es 2021 noch 55 Frauen, stieg ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 75. Der Kontakt zu den geschützten Einrichtungen erfolgt in 41 Prozent aller Fälle über die Beratungsstellen, ein Fünftel der Betroffenen suchte die Einrichtungen persönlich auf, jeweils ein gutes Zehntel wurde von den Sozialdiensten oder den Sicherheitskräften gemeldet, ein glattes Zehntel von Familienmitgliedern und Bekannten.

In den Einrichtungen können die betroffenen Frauenverschiedenen Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die überwiegend (90,4 Prozent) von diesen selbst erbracht werden. Dabei handelt es sich zu einem Drittel um persönliche Beratungen.

Bemerkenswert ist, dass 33 Prozent der im vergangen Jahr aus einer geschützten Einrichtung entlassenen Frauen wieder zu dem Gewalttäter in die Wohnung zurückkehrt. 19 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen haben eine neue Wohnung gemietet, 12 Prozent sind in ihre alte Wohnung zurückgekehrt jedoch ohne den Täter.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • vinsch

    Die schlimmste Zeit waren die Monate während Corona für diese Frauen. Arbeitslose Männer, Kinder und eben Frauen eingesperrt auf engstem Raum. Statistiken zeigen dies sehr gut auf was da in den vier Wänden passiert ist. Bloß wo waren unsere Frauenrechtlerinnen in dieser Zeit?

  • 2xnachgedacht

    @vinsch
    vermutlich auch eingesperrt… und die statistiken gab es vor und während corona noch nicht 😉

  • sabine

    Das aggressionspotential in der gesellschaft ist generell gestiegen, viele menschen sind zu viel unter druck, was aber nichts entschuldigt. Wenn ich so manche männer nur sehe, wie aggressiv und nervös sie sind, dann denke ich mir schon manchmal, du liebe güte, wie es da wohl daheim zugehen wird…..

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen