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Schnelles Date


Wolf, teures Wohnen und 4-Tage-Woche: Beim Speed-Dating im Landtag konnten die Bürger mit den Abgeordneten über ihre größten Sorgen und Nöte sprechen. Ein Erfahrungsbericht.

von Matthias Kofler

Bei einem Date sollte man sich zweimal überlegen, ob man mit dem Gegenüber über Politik reden will. Studien zufolge unterhalten sich nur etwas mehr als die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen gerne über politische Themen. Die meisten finden andere Argumente wie etwa die Sportlichkeit des Partners interessanter und wichtiger.
Doch was, wenn dein Dating-Partner ausgerechnet ein Landtagsabgeordneter ist? Diese außergewöhnliche Erfahrung durften am Dienstag zahlreiche BürgerInnen machen, die anlässlich des Tages der Autonomie an den sogenannten Speed-Dates im Landtags-
foyer teilnahmen.

Die Spielregeln sind ganz einfach: Zehn Mandatare nehmen an gleich vielen Tischen Platz. Jedem wird ein Bürger zugeteilt, der die Gelegenheit nutzen kann, über seine Ängste und Nöte zu berichten. Nach vier Minuten läutet Präsidentin Rita Mattei mit einem Glöckchen, was das Zeichen dafür ist, dass die Politiker einen Platz weiterrücken müssen.

Die Tageszeitung hat selbst am Experiment teilgenommen – und ist dabei auf sehr unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Diego Nicolini von der 5-Sterne-Bewegung etwa ist aufgefallen, dass viele junge Auslandssüdtiroler an den Dates teilgenommen haben. Diese hätten erzählt, warum es ihnen derzeit so schwerfalle, in ihre Heimat zurückzukehren. Die Grüne Brigitte Foppa sieht in den Speed-Dates eine gute Gelegenheit, mit der Bevölkerung direkt in Kontakt zu treten. Der Vorteil liege darin, dass man sich – anders als beispielsweise bei einer Podiumsdiskussion – direkt unter vier Augen mit dem Bürger unterhalten könne. Allerdings gebe es auch bei diesem Format eine gewisse Schwelle, weil die Teilnehmer erst einmal ihren Schritt ins Hohe Haus setzen mussten. Der PD-Politiker Sandro Repetto glaubt deshalb auch, dass man bei den Speed-Dates nur einen Teil der Gesellschaft erreichen konnte – eben jene Menschen, die an einem Nachmittag Zeit hätten, im Landesparlament vorbeizuschauen. Ähnlich sieht es auch Ulli Mair. Die Freiheitliche ist dennoch von dem Format begeistert: „Jeder Tisch war besetzt. Du triffst auf Menschen, die du außerhalb des Landtags wahrscheinlich nicht treffen würdest und kannst dich über die unterschiedlichsten Themen unterhalten.“ Marco Galateo von den Fratelli d’Italia geht sogar so weit, das Modell zu übernehmen. Im Gespräch mit der Tageszeitung kündigt er an, nach den Wahlen wöchentlich von 6:30 bis 8:30 Uhr im Parteibüro eine Sprechstunde (Alt-LH Luis Durnwalder lässt grüßen) einzurichten – „bis 2028 und unabhängig davon, ob wir in die Landesregierung kommen oder nicht“, verspricht Galateo.

Bei den Speed-Dates konnte man auch schon einmal vorfühlen, wie gut oder schlecht die Abgeordneten in den Wahlkampf gestartet sind. Sandro Repetto spricht von einem „konfusen Wahlkampf“: Bislang sei man zu sehr darauf fixiert gewesen, was mit der SVP passiere und wie viele Mandate die Liste Widmann erhalte. Um Themen sei es nicht wirklich gegangen. Josef Unterholzner (Enzian) behauptet, dass er den Kampf um die begehrten Landtagssitze ganz locker nehme. „Ich bin seit Oktober 2018 im Wahlkampf, weil ich für die Menschen arbeite. Ich mache auch sicher keinen aggressiven Wahlkampf und appelliere an die Medien, seriös und neutral zu berichten.“ Er wolle „das System brechen“; mit einem Ergebnis unter 20.000 Stimmen könne er nicht zufrieden sein.

„Richtig gut“ läuft es, wenn man Brigitte Foppas Aussagen Glauben schenken kann, für die Grünen. „Wir bekommen viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung – alle unsere Kandidaten haben richtig Lust auf den Wahlkampf“, freut sich die Fraktionssprecherin und ist zuversichtlich, dass der Urnengang am 22. Oktober „ein guter Moment“ für die Ökopartei werde. Trotz eines Low-Cost-Wahlkampfes, wie ihn Parteikollege Hanspeter Staffler ankündigt. „Keine Oppositionspartei wird in der Lage sein, mehr als 100.000 Euro auszugeben – die SVP spielt da in einer völlig anderen Liga“, so Staffler.

Einen „großen Enthusiasmus“ spürt auch Marco Galateo. Sein Lega-Konkurrent Massimo Bessone hingegen meint, dass er als Landesrat alle Hände voll zu tun habe und deshalb noch nicht an den Wahlkampf denken könne. Er werde jedenfalls dafür kämpfen, genügend Vorzugsstimmen zu erhalten, um in der Endabrechnung vor Christian Bianchi und Giuliano Vettorato zu landen.
Ulli Mair sagt, sie nehme, ihr gegenüber, eine positive Stimmung wahr. Die erfahrene Wahlkämpferin will dem Braten aber noch nicht so recht trauen. Denn vor fünf Jahren war es ähnlich – bei den Wahlen stürzten die Blauen dann aber komplett ein. „An Auswahl fehlt es dieses Mal nicht“, lacht Ulli Mair, „und wir werden munter von den anderen Parteien kopiert.“

Einen schweren Stand haben die Vertreter der Regierungspartei SVP. Im Gegensatz zur Opposition können sie den Bürgern nicht das Blaue vom Himmel versprechen. Der Wahlkampf laufe bislang verhalten, berichtet Franz Locher. „Das Erreichte wird heute als eine Selbstverständlichkeit hingenommen.“ Die Bürger verlangten von der SVP konkrete Lösungen, wenn es um die niedrigen Löhne, die teuren Wohnungen oder den Wolf gehe. Ein Anliegen, mit dem die Bürger besonders häufig an den Sarner herantreten, ist die Vier-Tage-Woche. „Die Menschen wünschen sich mehr Freizeit“, erzählt Locher. Wie man der Bevölkerung diese großen Wünsche erfüllen kann, wissen er und seine Mitstreiter aber noch nicht.

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