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„Das Gericht ist eine Privatfirma“

Zwei Staatsverweigerer, die sich im Oktober 2022 in Schluderns der Abschleppung ihres Pkw widersetzten und einen Carabiniere verletzten, erschienen nun in Bozen vor Gericht. 

von Thomas Vikoler

Irgendwie scheint das Ehepaar – er trägt weite Hosen und Öko-Schuhe, sie ein weites Kleid und nichtgefärbte Haare – die staatliche Einrichtung, die über sie befinden muss, doch anzuerkennen. Es wartet brav auf die Strafvorverhandlung vor Richterin Elsa Vesco, eine Stunde später verlassen Mann und Frau gesittet den Verhandlungssaal.

Am 13. Oktober 2022 auf einem Parkplatz in der Matscher-Winkel-Straße in der Gemeinde Schluderns ging es dagegen heftig zu: Das Ehepaar, das sich zusammen mit der minderjährigen Tochter in einem Renault Clio verschanzt hatte, stellte sich gegen eine Pfändung bzw. Abschleppung des Fahrzeuges.

Derartige Situationen hat es während der Corona-Lockdowns an mehreren Orten Südtirols gegeben: Staatsverweigerer, die zum Teil in ihren, auf öffentlichen Parkplätzen geparkten Pkw wohnten, wehrten sich gegen staatliche Vollstreckungsmaßnahmen. Einer der Hotspots diesbezüglich war St. Pauls in der Gemeinde Eppan.

Das Ehepaar in Schluderns unternahm auch einiges, um die Abschleppung zu verhindern. Der Mann erklärte gegenüber den Carabinieri, die dem Gerichtsvollzieher bei der Pfändung des Autos zur Seite standen, er seine keine physische Person, sondern ein „lebendiger Mensch“ nach dem Gesetz „iure tondin“. Zu seiner Identifikation legte der in Südtirol gemeldete Mann einen sogenannten Universal Pass vor, der von einer Organisation namens „Noi e´ la nazione“ am 13. Jänner 2022 ausgestellt worden war.

Die Familie im Renault Clio weigerte sich für längere Zeit diesen zu verlassen, die Carabinieri forderten Verstärkung an, sodass am Ende zwölf Beamte am Parkplatz im Einsatz waren.

Am Ende wurde das Fahrzeug tatsächlich abgeschleppt, vorausgegangen waren lange Verhandlungen und Würfe von Gegenständen aus dem Auto.

Und es kam auch zu einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf ein Carabiniere zu Boden fiel. Er erlitt dabei eine Schulterluxation und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die Ärzte diagnostizierten eine Heilungsdauer von 14 Tagen.

Der Carabiniere tritt im Strafverfahren gegen das Ehepaar als Nebenkläger auf und fordert Schadensersatz.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen die beiden Staatsverweigerer, die von einem Anwalt aus Perugia vertreten werden, Anklage wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Amtspersonen erhoben.

Ob Richterin Vesco die Anklage zulässt und ein Hauptverfahren gegen das Ehepaar einleitet, entscheidet sich auf der nächsten Verhandlung am 3. Oktober. Da wird auf Antrag der Verteidigung ein Video angeschaut, welches die minderjährige Tochter zum Carabinieri-Einsatz vom Renault Clio aus gefilmt hatte.

Ein weiterer Staatsverweigerer, der bei der Abschleppung am Parkplatz in Schluderns anwesend war, hat in einem Brief an die Carabinieri-Station einige Tage später klargestellt, dass seine Gruppe weder die Carabinieri, die sich eines „brutalen Übergriffs“ schuldig gemacht hätten, noch das Landesgericht als anerkenne. Bei beiden handle es sich um „Privatfirmen“ ohne Verfügungsgewalt über „Noi e´ la nazione“. Der Brief ist Teil des Anklageakts der Staatsanwaltschaft.

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