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„Widmann macht sich lächerlich“

Diego Nicolini

5-Sterne-Leader Diego Nicolini wirft seinen Oppositionskollegen Mutlosigkeit vor – und zerrupft die Versprechungen von Thomas Widmann.

Tageszeitung: Herr Nicolini, bei der Vorstellung der Kandidatenliste haben Sie unterstrichen, dass der Movimento 5 Stelle in der ablaufenden Legislaturperiode die einzige echte Oppositionskraft gewesen sei. Wie meinen Sie das?

Diego Nicolini: Wenn es um echten Widerstand ging – zum Beispiel bei der Forderung nach dem Rücktritt von Thomas Widmann oder im Kampf gegen das Medienmonopol der Athesia –, war ich immer auf mich allein gestellt. Bei bestimmten Themen – von der Sanität über den Wolf bis hin zum ökologischen Wandel – gab es keine wirkliche Opposition, weil meine Kollegen nicht den Mut hatten, sich klar zu äußern.

Worauf führen Sie diese Mutlosigkeit zurück?

Das hat etwas mit Bequemlichkeit zu tun. Wenn man sich gegen ein Mediensystem stellt, muss man dafür bezahlen. Ich bezahle jeden Tag dafür, weil ich in den Athesia-Medien kaum erscheine. Innerhalb der Opposition gibt es den starken Wunsch, die SVP nicht zu sehr zu stören, weil man hofft, in der neuen Legislatur auf der Regierungsbank sitzen zu können.

Alle Oppositionskräfte schießen sich auf das Südtiroler Gesundheitswesen ein. Dennoch wollte niemand Ihren Misstrauensantrag gegen den Sanitätslandesrat Thomas Widmann mitunterzeichnen. Ein Widerspruch?

Zweifellos. In den Sitzungen der Opposition haben meine Kollegen alle möglichen Szenarien durchgespielt, die Landeshauptmann Arno Kompatscher hätten helfen oder schaden können. Aber das war nicht der Punkt. Nach der Veröffentlichung der Audiodateien war es unmöglich, so zu tun, als hätte man Widmanns Aussagen nicht gehört. Das ist eine Frage der öffentlichen Moral. Dass Widmann nun den LH für die Fehler in der Sanität verantwortlich macht, ist lächerlich. Er hat das Ressort jahrelang geleitet. Wenn etwas schief geht, ist nicht nur der „ultimo arrivato“ Schuld.

Was sind die größten Baustellen im Gesundheitswesen?

Wir kämpfen seit jeher für die Vereinheitlichung der vier Gesundheitsbezirke und für die Effizienzsteigerung der Strukturen durch Skaleneffekte. Auf diese Weise sparen wir nicht nur Kosten ein, sondern bauen auch Bürokratie und politischen Einfluss auf das öffentliche Gesundheitssystem ab. Ein weiteres Problem ist der Zweisprachigkeitsnachweis. Wir sind für eine vorübergehende und notfallmäßige Ausnahmeregelung, um dem akuten und europaweiten Ärztemangel begegnen zu können. Das Recht auf Gesundheit steht meiner Meinung nach über dem Recht auf Zweisprachigkeit.

Fast alle Parteien träumen davon, der neuen Mehrheit anzugehören. Unter welchen Voraussetzungen können Sie sich eine Regierungsbeteiligung vorstellen?

Natürlich wollen auch wir in die Regierung, um unsere Programmpunkte umsetzen zu können. Es handelt sich nicht um unerreichbare Vorschläge. Im Gegenteil: Ein Großteil unserer vom Landtag abgelehnten Beschlussanträge wurden in der Zwischenzeit von der SVP aufgegriffen. Wir haben aber klare rote Linien: Wir würden uns nie – wie die Lega – vollständig der SVP unterwerfen. Wir brauchen zum Beispiel endlich eine einheitliche Regelung für die Lehrerausbildung an deutschen und italienischen Schulen.

Gibt es Parteien, die Sie als Koalitionspartner bevorzugen? Und welche Parteien kommen für eine Zusammenarbeit nicht in Frage?

Mit Fratelli d’Italia könnten wir nie eine Koalition bilden, weil sie Werte vertreten, die den unseren komplett widersprechen. Programmatisch und ideologisch stehen wir den Grünen, dem Team K und dem PD am nächsten. Allerdings wird es auch nicht leicht, mit diesen Parteien zusammenzuarbeiten. Die Grünen haben komplett die Idee Alexander Langers von einem Südtirol aller Sprachgruppen aufgegeben. Sie sind für die Waffenlieferung an die Ukraine und komplett pro-NATO. Auch haben sie sich gegen meinen Vorschlag gestellt, die jährliche Umwandlung von Wald in landwirtschaftliches Grün zu beschränken, weil sie es sich nicht mit der SVP verscherzen wollen. Das Team K hingegen hat ein Identitätsproblem: Es hat einen liberalen und einen sozialdemokratischen Flügel und ist innerhalb des staatlichen und europäischen Parteiengefüges komplett isoliert. Das macht es zu einem bequemen Partner für die SVP, weil es keine echte Vision verfolgt.

Ihnen ist es – anders als vielen Ihrer Mitbewerber – gelungen, die Liste mit 34 Kandidaten zu füllen. Wie viele davon kommen in den Landtag?

Auf unserer Liste sind sowohl die traditionelle alte Garde als auch viele neue Gesichter vertreten, was auf eine wiedererwachte Begeisterung und den Willen hinweist, sich für die Herausforderungen unserer Gemeinschaft zu engagieren. Wir streben mindestens zwei Sitze an. Das ist kein Zwangsoptimismus. Ich bekomme unzählige Komplimente von unterschiedlichen Personen, die in uns die einzige kohärente Alternative sehen. Die italienische Sprachgruppe verfolgt sehr stark die Entwicklungen auf nationaler Ebene: Auch dort steigen wir in den Umfragen und liegen mittlerweile bei 16,5 Prozent. Unsere Themen – Teuerungen, Wohnungsnot, soziale Gerechtigkeit – sind wichtiger denn je. Die Regierung Meloni ist mit ihrer Politik komplett gescheitert: Im zweiten Semester ist das BIP um 0,4 Prozent geschrumpft, die Wirtschaft und der Konsum stehen lahm. Wir sind weit entfernt von den 11 Prozent Wirtschaftswachstum, die wir unter Giuseppe Conte verzeichnet haben. Der von uns eingeführte Superbonus wird von der heutigen Mehrheit verteufelt, obwohl es der damalige Wirtschaftsentwicklungsminister und heutige Finanzminister Giancarlo Giorgetti war, der das entsprechende Gesetzesdekret 16 Mal abgeändert hat.

Interview: Matthias Kofler

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