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„Ich will leben“

Gianfranco Maffei bei einer Veranstaltung von AIDO

Nach einer durch Hepatitis C verursachten Leberzirrhose musste Gianfranco Maffei, 67, eine Lebertransplantation durchführen lassen. Wie er diese Zeit erlebt hat.

Es gibt Geschichten, die wie wertvolle Münzen, die Juke-Box unserer Seele in Gang zu setzen vermögen. Die Geschichte von Gianfranco Maffei erinnert an einige Zeilen aus dem Lied Live Forever von Oasis.

Vielleicht will ich nur fliegen, ich will leben, ich will nicht sterben. […] Hast du in letzter Zeit jemals den Schmerz gefühlt im Morgenregen wie es ihn bis auf die Knochen durchtränkt?

Ein menschliches Schicksal, voller Hoffnung, Zielstrebigkeit, Willenskraft, aber auch geprägt von Leiden und Erfahrungen, die über Vernunft und Statistiken hinausgehen.

Auch wenn niemand „ewig leben“ kann, hat der 67-Jährige, ehemals Leiter einer Einrichtung der Autonomen Provinz für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen, heute pensioniert und Vorsitzender der Bozner Sektion von AIDO (Italienische Vereinigung der Organspender) dem Tod schon mindestens zweimal ein Schnippchen geschlagen: „Ich habe mich einfach geweigert zu sterben“, erzählt er mit einem Lächeln. „2006 bin ich wegen einer Hepatitis C und einer schweren Blutung der Pfortader im Krankenhaus Bozen gelandet. Der Ammoniumspiegel in meinem Blut war so hoch, dass ich anfing zu halluzinieren. An einem bestimmten Punkt war ich überzeugt, auf dem Krankenhausdach gäbe es eine Pferderennbahn! Die Situation war so schwerwiegend, dass man mich aufgeben wollte. Meine Frau aber nicht, sie hat alles getan, um dieses unheilvolle Schicksal abzuwenden“.

Maffei, ein Liebhaber der russischen Literatur, insbesondere von Dostojewski und seinem Meisterwerk Schuld und Sühne, rekapituliert jene Tage in epischer Klarheit, reich an Details und Ausschmückungen: „Vier Monate später war ich immer noch am Leben. Es betreuten mich die damalige Primarin Martina Felder (heute in Pension, Anm.d.R.) und Doktor Andrea Mega von der Abteilung Gastroenterologie, zwei sehr erfahrene Spezialisten des Südtiroler Gesundheitsbetriebes. Ich werde ihnen bis zu meinem Lebensende für das, was sie für mich getan haben, dankbar sein. Frau Doktor Felder hatte mir erklärt, dass die Medizin in meinem Fall zu 99,50% von meinem Ableben ausging. Es blieben also noch jene 0,50%, zu denen ich zählte. Meine Mutter sagt, es war ein Wunder, aber weder ich noch meine Frau Cecilia haben jemals daran gedacht, dass es bald mit mir zu Ende sein würde“.

Nach sieben Monaten verlässt Maffei das Krankenhaus. Dann folgen vier Jahre mit Höhen und Tiefen und weiteren Krankenhausaufenthalten bis zur ersehnten Lebertransplantation: „Ich habe den Eingriff 2010 in Bologna machen lassen, aber ich wurde immer hier in Bozen betreut. Ich hatte vollstes Vertrauen zu meinen Ärzten und ich kann nur Gutes von ihnen sagen, vor allem aus menschlicher Sicht. Ich fühlte mich von der ganzen Abteilung gut aufgenommen, auch wenn ich ein klassischer „schwieriger“ Patient war. Ich mache dort immer noch meine Kontrollen. Jedenfalls habe ich in jenen vier Jahren mindestens eineinhalb Jahre im Krankenhaus verbracht. Es hatte sich so lange hingezogen, weil es mir entweder zu gut oder zu schlecht ging, um die OP in Angriff zu nehmen“.

Obwohl der Eingriff optimal verlief, kam es bei Maffei doch zu einigen Komplikationen, sodass er auch eine ziemlich lange Zeit in der Intensivstation verbringen musste: „In jenen zehn Tagen musste ich sehr starke Medikamente nehmen und so sind auch die Halluzinationen oder Visionen wiedergekommen … man kann sie nennen, wie man will. Eine davon war ich mit kurzen Hosen und einem breitkrempigen Strohhut auf dem Kopf und in einer anderen sah ich Johannes Paul II., obwohl ich mich ihm nie eng verbunden fühlte. Er erschien mir so, wie er am Ende seines Pontifikats aussah … krank und leidend. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall war, denn ich empfand eine große Ähnlichkeit zwischen meinem und seinem Leiden. Bei meinem Gespräch mit ihm sagte er mir, dass ich es schaffen würde. Ich antwortete, wenn es so sein sollte, würde ich sein Grab besuchen und ihm meine Ehre erweisen. Zweieinhalb Monate nach der Transplantation konnte ich mich noch kaum auf den Beinen halten, aber ich löste mein Versprechen ein. Ich bin gegen die Empfehlung meiner Ärzte nach Rom gefahren, denn um nichts in der Welt hätte ich darauf verzichtet“.

Von da an geht es mit Maffei bergauf. Er fängt wieder an zu arbeiten, er nimmt Kontakt zur AIDO auf und wird schließlich Vorsitzender der Südtiroler Sektion der Vereinigung und er verspürt „Hunger“ nach Leben: „Alles kommt dir schön vor und du fängst an, die Zeit als ein kostbares Gut zu betrachten. Manchmal vergessen meine Freunde und ich sogar, dass ich eine Transplantation hinter mir habe, auch wenn das, was mir passiert ist, zu groß ist, als dass ich mich genau gleich fühlen könnte wie vorher“.

An jene gerichtet, die eine Transplantation vor sich haben, und über die Wichtigkeit der Vorsorge möchte Maffei noch Folgendes loswerden: „Ihnen kann ich keinen ultimativen Tipp geben, sondern nur empfehlen, dass sie Vertrauen haben und daran denken sollen, dass, wenn es so weit ist und egal wie es auch ausgeht, es schon einen Sieg bedeutet, überhaupt bis dorthin gekommen zu sein. Hepatitis C? Ich habe die medikamentöse Behandlung gemacht und war nach drei Monaten wieder völlig gesund. Mit dem Screening-Test kannst du rechtzeitig handeln und die Lebertransplantation als letzte Möglichkeit verhindern. Vielen ist nicht klar, was für ein Glück es ist, ein öffentliches Gesundheitswesen zu haben. Mir hat es geholfen zu überleben, obwohl ich ein hoffnungsloser Fall war“.

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