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„Ein Zuckerle“

Nicht nur Touristen, Einheimische und Tiere streifen durch die Südtiroler Berge. Selbst Steine legen hierzulande bestimmte Höhenmeter zurück. Die Gründerin der Facebook-Gruppe „Wandersteine Südtirol“ Sara Cristelli erklärt, was dahintersteckt.

Das Konzept der Wandersteine ist weit verbreitet und sehr beliebt. Die Idee dahinter ist simpel: Die Steine werden bunt bemalt und später während einer Wanderung an einem gut ersichtlichen Ort, die meisten Menschen wählen dafür Gipfelkreuze, ausgesetzt. Der Finder des Steins darf ihn entweder behalten oder, falls dieser die Idee dahinter kennt, ihn mitnehmen, um den Stein an einem anderen Ort wieder auszusetzen, wo er vom Nächsten gefunden wird. Auf diese Weise gelangt der Stein an verschiedenste Orte. Die Idee, dieses Konzept auch in Südtirol aufzugreifen, stammt von der Gründerin der Facebook-Gruppe „Wandersteine Südtirol“ Sara Cristelli. Diese erklärt, wie es dazu gekommen ist.

Tageszeitung: Frau Cristelli, viele Menschen scheinen sich für die Idee der „Wandersteine Südtirol“ zu begeistern, auch wenn das Prinzip nicht neu ist. Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Konzept auch nach Südtirol zu bringen?

Sara Cristelli: Auf die Idee bin ich während der ersten Covid-Welle gekommen: Ich war mit meinen Kindern zuhause eingesperrt und habe nach einer sinnvollen Beschäftigung für diese schwierige Zeit gesucht. Da bin ich auf angemalte Steine gestoßen, die beim Spazieren wieder ausgelegt werden. Ich fand es schön, anderen Menschen auf diese Weise eine Freude zu machen. Hinzu kam, dass Spazieren zu den wenigen Dingen zählte, die noch erlaubt waren. So ist die Facebook-Gruppe „Wandersteine Südtirol“ entstanden, wobei es mittlerweile viele solcher Gruppen gibt.

Was war die erste offizielle Reise der „Wandersteine Südtirol“?

Die erste offizielle Reise war in der Gaulschlucht in Lana. Ich erinnere mich an die Aufregung beim Auslegen und die Freude als ich entdeckt habe, dass er kurze Zeit darauf verschwunden war. Er ist in Laas wieder aufgetaucht. Dann habe ich ihn aber aus den Augen verloren. Das ist nicht ungewöhnlich, wobei es auf Bergen öfter passiert, dass Steine über einen längeren Zeitraum mitverfolgt werden können, dennoch ist es mir wichtig zu betonen, dass die Steine überall ausgelegt werden können. Viele Steine verschwinden nach einiger Zeit von der Bildfläche oder tauchen gar nicht erst auf. Das liegt daran, dass entweder nicht jeder weiß, was es mit den Wandersteinen auf sich hat, die Finder kein Handy dabei haben oder nicht daran denken, ihren Fund zu posten. Viele Steine werden auch einfach mit nach Hause genommen und behalten. Wie ein kleiner Schatz.

Wie viele Mitglieder sind zurzeit Teil der Facebook-Gruppe „Wandersteine Südtirol“?

Die Gruppe zählt aktuell rund 5.000 Mitglieder und wird ständig größer. Das Schöne an der Gruppe ist, dass jeder mitmachen kann. Es gibt keine Begrenzungen. Alle Mitglieder wirken aktiv mit: Entweder sind sie Steinbemaler, -ausleger oder -finder. Manche sind auch alles in einem. Dass in manchen Fällen die Aufgaben aufgeteilt werden liegt daran, dass es ältere, kranke oder eingeschränkte Menschen gibt, die keine langen Wanderungen machen können, aber sehr wohl Steine bemalen. Dafür gibt es leidenschaftliche Berggeher, die dafür nicht gerne malen. Aus diesem Grund ist es schon vorgekommen, dass sich in der Gruppe verschiedene Menschen spontan zusammengetan haben.

Man sieht auch immer wieder Kinder, die eine Freude an den Wandersteinen haben. Fördern diese die Wanderlust?

Da ich selbst Mutter von zwei Kindern bin, kann ich bestätigen, dass Wandersteine auch für „wanderfaule“ Kinder eine super Sache sind: Einerseits ist es an Regentagen für sie eine gute Beschäftigung, die Steine zu bemalen. Andererseits hatten zumindest meine Kinder viel Spaß beim Auslegen und Finden. So wurde die Mühe der Wanderung zweitrangig.

Was war die bisher längste Reise, die ein Stein unternommen hat?

Da wir in einem Grenzgebiet leben, gelangen viele unserer Steine nach Österreich, Deutschland und in die Schweiz. Oft verliert man dann ihre Spur, wobei wir wissen, dass es ein Stein bis nach Holland geschafft hat und ein anderer bis nach Norwegen gewandert ist. Tatsächlich war ich darüber nicht wirklich überrascht. Natürlich ist es cool, wenn Steine es so weit schaffen, aber wer weiß, wie viel weiter andere Steine aus der Gruppe, deren Weg lediglich nicht festgehalten wurde, schon gekommen sind.

Manche Steine scheinen auch im Namen von Verstorbenen weitergetragen zu werden. Stimmt das?

Ja, es gibt Gedenksteine, die Verstorbenen gewidmet sind. Auch diese Idee ist in der Gruppe entstanden. Es ist ein schöner und tröstender Gedanke, wenn sie immer wieder an verschiedenen Orten auftauchen und weiterwandern dürfen. Meiner Kollegin liegen solche Steine besonders am Herzen.

Was war der Kerngedanke?

Mein Kerngedanke war es, mit dieser Aktion den Menschen eine Freude zu bereiten. Natürlich ist es spannend, zu sehen, wohin ein Stein reist, was jedoch nur geht, wenn der Finder den Stein auch wieder postet. Für mich ist das nicht das Wichtigste, vielmehr ist es ein „Zuckerle“ obendrauf. Ein weiterer Gedanke war auch, die Menschen anzustoßen, kreativ zu sein und hinaus in die Natur zu gehen. Ich bin sehr stolz darauf, welche tollen Dinge in dieser Gruppe immer wieder zustande kommen. Ich möchte mich bei allen Mitgliedern bedanken, die mit so viel Leidenschaft und Freude dabei sind. Aus einer simplen Idee ist eine große Gemeinschaft geworden. Leider werden nicht alle Steine auf Facebook gepostet, aber jeder ausgelegte Stein bereitet dem Finder eine Freude.

Interview: Stefanie Putzer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • andreas1234567

    Hallo zum Sonntag,

    ach das steckt dahinter, hab mich schon gewundert, so ein bemalter Kiesel lag auf einem Bachgeländer in Nordrhein-Westfalen.
    Hab einen „Pinguin“..

    Wandersteingrüsse aus Deutschland

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