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„Brauchen weniger Bürokratie“

Ulrich Seitz, Direktor des Dienstleistungszentrums für das Ehrenamt in Südtirol, zeigt sich erfreut über die Reformbemühungen des Dritten Sektors, fordert von der Landesregierung diesbezüglich aber mehr Klarheit sowie eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Tageszeitung: Herr Seitz, als Direktor des DZE setzen Sie sich für das Ehrenamt in Südtirol ein. Finden die ehrenamtlichen Vereine in der Politik genügend Gehör?

Ulrich Seitz: Ich finde, dass die Südtiroler Politik sich sehr wohl für das Ehrenamt in Südtirol einsetzt.  Tatsche ist, dass es in vielen Bereichen gelungen ist, eine gute Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Vereinswesen zu implementieren. Es gibt aber natürlich immer noch Luft nach oben, da wir sehen, dass die Anliegen von Organisationen des Dritten Sektors nicht immer verstanden werden. Gerade bei der Reform des Dritten Sektors hat sich gezeigt, dass die Politik Nachbesserungen am Gesetz anstreben muss, und was Südtirol angeht, auf die aktuellen Anliegen der Vereine eingehen sollte – vor allem, was die Entbürokratisierung angeht.

Was sind die größten Probleme in Südtirol, die Sie ansprechen möchten?

Die größten Probleme bestehen in der Unsicherheit aufgrund der Herausforderungen der Reform des Dritten Sektors. Wir vom Dienstleistungszentrum für das Ehrenamt Südtirol sind aber schon auf einem guten Punkt, um den Menschen einen genauen Überblick zu geben, was steuerlich auf die Vereine, die den Schritt in den Dritten Sektor wagen, zukommt, aber auch auf jene – und das sind doch sehr viele – die nicht für diese Möglichkeit der steuerlichen Benefits optieren und Gewissheit haben wollen, was sie zukünftig steuerbefreit machen können und was nicht.

Schon seit geraumer Zeit laufen Bemühungen, die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt zu verbessern. Wurde Ihren Wünschen und Forderungen bisher genügend entgegengekommen?

Ich sehe, dass hier sei es von der politischen Seite, aber auch von Seiten der Verbände entsprechend Druck aufgebaut wurde, Abänderungsvorschläge an der bestehenden gesetzlichen Bestimmung vorzubringen. Es ist positiv, dass es nun auch provinzübergreifende Arbeitsgruppen gibt, die sich mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen beschäftigen.

Inwiefern hat sich die Arbeit für ehrenamtliche Tätigkeiten in den letzten Jahren erschwert?

Auf jeden Fall sind die Folgen der Corona-Pandemie noch immer spürbar. Zudem hat die Digitalisierung einiges an Neuigkeiten mit sich gebracht. Es ist Tatsache, dass es unabhängig vom Dritten Sektor kaum mehr möglich ist, ohne SPID und PEC oder digitaler Unterschrift auszukommen. Gerade bei Ansuchen um Beiträge, Autorisierungen, Lizenzen und Genehmigungen wird es immer öfters notwendig sein, im Besitze dieser Werkzeuge zu sein.

Sie haben den Dritten Sektor bereits angesprochen: Welche Fragen müssen diesbezüglich geklärt werden?

Die Reform des Dritten Sektors ist eine steuerliche, das heißt es sollte grundsätzlich genauestens durch entsprechende Beratungen abgeklärt werden, ob der Verein die Vorteile durch die Anerkennung der Fünf-Promille-Zuweisungen oder auch die Möglichkeit der Absetzbarkeit von Spenden benötigt. Des Weiteren muss überprüft werden, inwieweit kommerzielle Aktivitäten für den Verein von Bedeutung sind und welche Ziele diesbezüglich die angesprochene Organisation verfolgt.

Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung und Anerkennung von Seiten der Politik für das Ehrenamt?

Ich kann nur sagen, dass es nicht immer nur von der Politik abhängt, wie sich Unterstützung und Anerkennung ergeben, sondern sehr oft das Zusammenspiel mit der Beamtenschaft im Lande, die ja praktisch gesehen mit den Vereinen zusammenarbeitet, verbessert oder auch ausgebaut werden sollte. Dabei geht es vor allem darum, Entscheidungen nicht nur vom Schreibtisch oder aus dem „Smart Working“ heraus zu fällen, sondern sich vor Ort das Engagement der Vereine anzuschauen. Begegnungen, Arbeitstische und Lokalaugenscheine bereichern einfach die Kooperation und stellen einen Mehrwert für die öffentliche Seite wie auch für die Vereine dar.

Bräuchte es mehr finanzielle Förderung von Seiten des Landes und wofür?

Nicht immer ist mehr Geld die Lösung, auch wenn die Bedürfnisse allgemein steigen und auch die Vereine nicht von der Teuerung verschont bleiben. Ein großes Anliegen des DZE Südtirol ist vielmehr eine Überarbeitung der Beitragskriterien und hier vor allem, was die Bearbeitungszeiten durch die öffentliche Hand angeht. Es ist problematisch, wenn Vereine oft erst nach Abschluss ihrer Projekte die Rückmeldung betreffend die Genehmigung ihrer eingereichten Anträge um Finanzierungen erhalten oder wie neuerdings Spielregeln in laufenden Verfahren hinterfragt oder sogar neu ausgelegt werden.

Gibt es ausreichend Vereinsräumlichkeiten in den Südtiroler Gemeinden?

Südtirol ist grundsätzlich sehr gut mit Vereinsräumlichkeiten in den Gemeinden aufgestellt. Der Eindruck, dass es auf dem Lande oft besser aussieht, ist kein falscher, denn meistens tun sich Vereine in den Städten viel schwerer, geeignete Sitze und vor allem Versammlungslokale zu finden. Ich finde es nicht richtig, dass neuerdings oft hohe Mieten verlangt werden. Hier müsste man gegensteuern.

Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen im Herbst an die neue Landesregierung?

Ich hoffe, dass die neue Landesregierung den Mehrwert der geleisteten Dienste durch das Ehrenamt weiterhin schätzt und auf Beamtenebene einen guten Kontakt zwischen öffentlicher Hand und Vereinswelt garantiert. Leider müssen wir nämlich vom DZE Südtirol aus immer öfters feststellen, dass es nicht selten Unstimmigkeit zwischen Behörden und Exponenten des Volontariats gibt. Die Vereine dürfen nicht als Bittsteller, sondern als loyale Partner angesehen werden, die sich für die Allgemeinheit einsetzen.

Interview: Sylvie Debelyak

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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