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„Es geht ums Gesamtpaket“

Alexander Steiner (Foto: lpa)

Immer mehr Gemeinden beklagen sich über die schlechten Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst. Generaldirektor Alexander Steiner betont, dass bereits viel zur Verbesserung dieser getan wurde, zeigt sich aber auch einsichtig. 

Tageszeitung: Herr Steiner, ausgehend von der Stadtgemeinde Bruneck wurde ein offener Brief formuliert, in dem die schlechten Arbeitsbedingungen und die zu geringe Bezahlung beklagt werden.  Inzwischen haben sich verschiedene Gemeinden angeschlossen. Halten Sie die Kritik und die Forderungen für berechtigt?

Alexander Steiner: Sehr viele Dinge, die im Brief aufgezeigt werden, kann ich teilen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass man diesbezüglich eine Aussprache findet – auch im Sinne einer Wertschätzung der Mitarbeiter der Gemeinden. Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindeverbandes, wird auch dabei sein, denn wir als Landesverwaltung sind zwar für die Finanzierung der Gemeinden zuständig, aber für die Kollektivvertragsverhandlungen ein Vertreter des Gemeindeverbandes.

Betrifft der angesprochene Personalmangel nur die unterzeichnenden Gemeinden oder ist dieses Problem weitaus verbreiteter?

Das ist eine generelle Thematik, um nicht von einer Problematik zu sprechen, die uns alle in den kommenden Jahren noch viel stärker betreffen wird und mit der demographischen Entwicklung, der Arbeitskraft am Markt und der Vollbeschäftigung zusammenhängt.

Geht es tatsächlich nur um eine Inflationsanpassung oder müssen die Gehälter in Südtirol, wie schon oft in anderem Zusammenhang geäußert, nicht generell angehoben werden, um die Abwanderung der Fachkräfte aufzuhalten?

Natürlich kann ein Anheben der Gehälter die Abwanderung der Fachkräfte aufhalten, aber ich glaube, es hat nicht nur mit den Gehältern zu tun. Ich glaube, es geht um das Gesamtpaket. Wir haben sehr viel gemacht in den letzten Jahren, beispielsweise Essensgutscheine, flexible Arbeitszeiten. Neben den Zusatzleistungen unterscheiden wir uns zum privaten Dienst in einer Sache, die die junge Generation sucht: für das öffentliche Gut zu arbeiten, kann eine sehr Sinn stiftende Arbeit sein.

Wäre nicht auch eine Überarbeitung der Funktionsebenen im öffentlichen Dienst angebracht, wo sich viele Berufsbilder im Laufe der Jahre so verändert haben, dass die tatsächlichen Anforderungen inzwischen höher liegen als die Funktionsebene vorgibt?

Das werden wir sicherlich tun. Es gibt schon einen Grundsatzbeschluss für die neue Festsetzung der Berufsbilder. Mittlerweile ist es so, dass gewisse Berufsbilder gar nicht mehr nachbesetzt werden. Stellenumwandlungen geschehen schon seit vier oder fünf Jahren. Das hat zur Folge, dass die Stellen unterm Strich höherwertig nachbesetzt werden, was sich wieder auf die Personalkosten auswirkt.

Wann wurden die Funktionsebenen zuletzt angepasst?

Eine Anpassung geschieht nach und nach. Es gibt in allen Bereichen den Bedarf, neue Berufsbilder zu übernehmen, die durch neue Ausbildungsmodelle entstehen. Es ist ein ständiges Nachjustieren, aber auch ein Offensein für neue Herausforderungen. Um flexibel reagieren zu können, definieren wir – anstatt jedes Berufsbild zeitaufwändig einzeln zu verhandeln – nur sogenannte Berufsfeldgruppen, in die dann die einzelnen Berufsbilder eingeführt werden.

Viele Stellen im öffentlichen Sektor bleiben aufgrund der bereits angesprochenen Problematik unbesetzt. Was könnte – neben besserer Bezahlung, Überarbeitung der Funktionsebenen – noch getan werden, um diese Arbeitsplätze gerade auch für nachrückende Generationen wieder attraktiver zu gestalten?

Es wird immer jemanden geben, der besser ist. Wir sind jetzt nicht in Konkurrenz und versuchen, uns gegenseitig zu überbieten. Wir sind dafür zuständig, Arbeitsbedingungen für 35.000 Mitarbeiter zu schaffen, die für alle gewisse Möglichkeiten vorsehen. Es geht darum, einen herausfordernden, attraktiven Arbeitsplatz anbieten zu können, wo als Grundvoraussetzung natürlich die finanzielle Komponente stimmen muss. Es muss Entwicklungs-, Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten geben. So gibt es bereits die Konzepte der internen und vertikalen Mobilität, die es ermöglichen, sich intern beruflich zu verändern und Herausforderungen zu suchen.

Durch die Genehmigung des Nachtragshaushalts für das Finanzjahr 2023 wird den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst ein Inflationsausgleich gewährt. Für welche Jahre ist der Ausgleich vorgesehen? 

Es ist nicht so, dass der Inflationsausgleich für den Zeitraum 2019 bis 2021 nicht gewährt worden ist. Wenn wir unsere Vorgehensweise mit jener des Staates vergleichen, ist es so, dass der Staat drei Jahre lang verhandelt und dann im Jahre vier oder fünf einen Kollektivvertrag macht, der dann rückwirkend in Kraft tritt. Wir haben jedes Jahr einen Vertrag gemacht und jedes Jahr eine prognostizierte Inflation anerkannt. Dann haben die Gewerkschaften vereinbart, dass in der neuen Vertragsperiode zurückgeschaut wird auf den abgeschlossenen Vertrag und entsprechend Ausgleichzahlungen gewährt werden, sofern die gewährte Inflation nicht jener entspricht, was die effektive Inflation ist. Es ist praktisch ein Garantiemechanismus eingeführt worden, der eine eventuell zu wenig bezahlte Inflation ausgleicht.

Interview: Sandra Fresenius

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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