Du befindest dich hier: Home » Südtirol » „Ein Mann der Gründerjahre“

„Ein Mann der Gründerjahre“

Zeno Giacomuzzi

Zeno Giacomuzzi war ein großer Bürgermeister, ein Bürgermeister des Volkes. Ein Nachruf von Arnold Tribus. 

Sein plötzlicher Tod bei einem Kuraufenthalt mit seiner teuren Gattin Josefine in Abano hat seinen großen Freundeskreis erschüttert. Vor just einem Jahr hat er seinen 90. Geburtstag gefeiert, er wurde geehrt und bewundert, auch weil er sich bester Gesundheit erfreute, kein Mensch hätte ihm die 90 zugetraut, er genoss sein Leben, traf viele Menschen, weil er leutselig war und gerne plauderte und auch immer was zu erzählen und den neuesten Witz auf Lager hatte.

So will auch ich alt werden, haben sich viele gedacht, als sie ihn trafen, immer elegant, immer charmant. Und dann dieser plötzliche Tod. Gesund und guter Dinge nach Abano gefahren und als Leiche zurückgekommen. Traurig.

Die Stadt Brixen weint um ihn, denn er war ein großer Bürgermeister, ein Bürgermeister des Volkes. Wer ihn erlebt hat, erinnert sich an den Liberalen aus gutem Hause, der die Stadt vom klerikalen Mief befreit hat.

Er hat die Fenster des Rathauses geöffnet und aus Brixen eine offene, sehr hübsche Kulturstadt gemacht mit großer Lebensqualität und blühender Wirtschaft. Er hat sie auch von all den Vorurteilen oder wahren Aussagen befreit,  mit der die schöne Bischofsstadt seit Heinrich Heine behaftet ist: „ … Dämmernde Stille, melancholisches Glockengebimmel, die Schafe trippelten nach ihren Ställen, die Menschen in die Kirchen; überall beklemmender Geruch nach hässlichen HeiligenbiTdern und getrocknetem Heu.“

Er war kulturbelissen, besuchte Theater und Konzerte. Als langjähriger Bürgermeister der Stadt, von 1968 bis 1988, hat Zeno Giacomuzzi die Stadt geöffnet. Er war ein authentischer Liberaler, gehörte zur in Südtirol dünn gesäten Spezies der Liberalen, die auch in  seiner Partei, der SVP, eher eine Seltenheit waren. Zeno war aber auch als Liberaler ein authentischer Patriot, er liebte seine Stadt und seine Heimat, er war ein glühender Verfechter der Autonomie und als Accordino –Regionalassessor ein Vorbote des europäischen Gedankens und der Europaregion Südtirol-Trentino-Tirol. (Was das Accordino war, weiß heute niemand mehr). Auch seiner Herkunft wegen war er immer ein Verfechter des transethnischen Dialogs, war in beiden Sprachen und Kulturen zu Hause, auch das ist heute eine Seltenheit.

Aufgewachsen ist der kleine Zeno in einem konservativen und pfaffendominierten Ambiente. 1932 geboren, hat er in den Jahren des Faschismus das Franziskanergymnasium besucht, dann das Vinzentinum, wo Hundertschaften junger Männer aus dem ganzen Land vom Klerus unterwiesen wurden, in der geheimen Hoffnung, dass diese dann übers Brüggele gehen und Priester des Herrn werden.

Das Vinzentum hat einen Gutteil der Südtiroler Politiker und Intellektuellen hervorgebracht, sie sind alle mächtig geworden, wichtigtuerisch und gottlos. Der Zeno wurde nicht Pfarrer, hätte gar nicht zu ihm, der die Freuden des Lebens zu genießen wusste, gepasst. Er studierte in Florenz Handel und Wirtschaft und nach einem Praktikum in einer Kanzlei in Verona unterrichtete er 12 Jahre Wirtschaft am Brixner Realgymnasium.

Die Schule war aber nicht sein Ding, obwohl er ein guter Lehrer war, er strebte nach Höherem, es zog ihn in die Politik. Er wurde in den Gemeinderat gewählt, wurde dann Bürgermeister, 1988 wurde er dann in den Südtiroler Landtag gewählt und wurde Regionalassessor. Ich habe ihn  dort als liebenswerten Kollegen kennengelernt, der keine Berührungsängste hatte, mit ihm konnte man plaudern, ein Glas trinken, auch blödeln, das in

Zeiten, als die SVP im Landtag die Opposition ausgrenzte. Er war immer ein Mann des Dialoges und des Ausgleichs, ein Vermittler zwischen Menschen und Kulturen, so gesehen war er mit seinem grenzüberschreitenden Assessorat für das Accordino, ein Handelsabkommen zwischen der Region Trentino-Südtirol, Tirol und Vorarlberg, der richtige Mann.

Zeno Giacomuzzi hat sich schon vor seiner politischen Karriere für das Gemeinwohl engagiert, als Präsident der Kurverwaltung, als Präsident des Landesfremdenverkehrsamtes, dann als Präsident der Spar- und Vorschusskasse, dann als langjähriger Präsident der Südtirol Volksbank, die ihn dann ob seiner Verdienste zum Ehrenpräsidenten ernannte. Er war auch Präsident des Landesverbandes der Seilbahnunternehmer, und wenn Brixens Hausberg, die Plose, heute ein beliebtes Naherholungs- und Skigebiet ist, dann verdankt die Stadt das auch dem Einsatz von Zeno Giacomuzzi.  Ein Leben für seine Leute, sein Land. Seine Stadt.

Er entstammte einer gutbürgerlichen Familie, Vater Holzhändler und Gutsbesitzer, seine Mutter war die wunderbare, kluge Marianne von Lutz von adeligem Geschlechte und Tochter des historischen Gasthofs Zum Kalten Keller, wo sich neben Durchreisenden auch die hohe Gesellschaft traf. Im Kalten Keller hat seine Mutter ihren ersten Mann Zeno Giacomuzzi aus Neumarkt kennengelernt.

Der Ehe entsprossen drei Kinder, Zeno, Hans und Lia, der zweiten Ehe mit Paul Mader hingegen drei weitere, Titti, Moni und Heinz, der als Künstler und beliebter Kunstprofessor bekannt wurde, während Hans als Unternehmer und Gatte der schönen Renate Hirsch bekannt wurde. Zenos Mutter war eine überzeugte Antifaschistin, wie die ganze Familie, und ich will auch mit Wertschätzung daran erinnern, das sie, die adelige Dame, sich das Recht herausnahm, Kommunistin zu sein.

Mit Zeno Giacomuzzi hat uns einer der letzten Politiker der alten Generation verlassen, ein Mann der Gründerjahre, der wesentlich dazu beigetragen hat, aus Südtirol ein blühend Land zu machen.

Der Gattin Josefine und seinen Angehörigen gilt unsere Anteilnahme.

Lebe wohl, lieber Zeno! Auch Dich mögen Engel begleiten.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen