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Warum lassen wir Geld liegen?

Hans-Christoph von Hohenbühel: Das Geld wäre da, es müsste nur abgeholt werden.

Hans-Christoph von Hohenbühel ist Vorsitzender des Südtiroler Kulturinstituts. Ein Gespräch über die Wirtschaft als Förderer der Kultur, überquellende Veranstaltungskalender und über Geld, das liegen bleibt.

Tageszeitung: Herr von Hohenbühel, Sie sind Vorsitzender einer der ältesten Kulturinstitutionen in Südtirol. Worin liegt die Besonderheit des Südtiroler Kulturinstituts?

Hans-Christoph von Hohenbühel: Das Südtiroler Kulturinstitut wurde 1954 gegründet, also zu einer Zeit, als das Kulturangebot in Südtirol mehr als karg war. Von Anfang an war das Ziel, hochwertige, qualitätvolle Kulturveranstaltungen anzubieten. Mittlerweile ist es uns gelungen, in unseren Programmauswahlen in puncto Theater und Musik, aber auch in unseren Fortbildungsangeboten mit die besten Interpreten und Köpfe des deutschsprachigen Kulturraumes nach Südtirol zu bringen. Heute ist das kulturelle Angebot in unserem Lande riesig. Neben professionellen gibt es eine Vielzahl von semiprofessionellen und ehrenamtlichen Kulturträgern. Bisweilen beschleicht einen aber das Gefühl, dass es ein Zuviel gibt, ein Zuviel von – ich will es vorsichtig formulieren – mitunter sehr Ähnlichem.

Was meinen Sie mit dem „Zuviel von Ähnlichem“?

Ich möchte niemandem zu nahe treten. Aber die Veranstaltungskalender quellen über und man muss sich fragen, ob es nicht schon in bestimmten Bereichen eine Überfülle ist. Immerhin werden die meisten Einrichtungen und Angebote von der öffentlichen Hand gefördert. Es geht also um Steuergelder. Mir fehlt die Debatte darüber, ob eine weitere Zunahme des Angebots in bestimmten Bereichen noch sinnvoll ist.

Welche Bereiche meinen Sie konkret?

Um diese Frage zu beantworten, bräuchte es zunächst eine konkrete Bestandsaufnahme. Anhand von Angebot und Auslastung ließe sich so feststellen, ob Südtirol beispielsweise noch weitere Klassikfestivals braucht, oder ob in Bereiche wie die Jugendkultur, die Literatur oder auch in zeitgenössische Formen der Kleinkunst künftig mehr investiert werden sollte.

Das Problem bei dieser zweifellos notwendigen Debatte ist, dass daraus sofort eine Futterneid-Geschichte wird. Die Großen gegen die Kleinen und umgekehrt.

David gegen Goliath ist ein alter Streit, der nicht nur Südtirol oder die Kulturbranche betrifft. Blicken Sie mal nach Salzburg. Glauben Sie, dort gibt es keine Diskussionen darüber, wie viel Kulturbudget allein die Salzburger Festspiele in Anspruch nehmen? Aber es ist in der Kultur nun einmal nicht anders als in der Wirtschaft. Es gibt Betriebe, die sich durchgesetzt haben und eine marktrelevante Rolle spielen. Und diese Leistung ist auch anzuerkennen, denn sie entsteht nicht durch Fördergelder allein. Aber genauso wie in der Wirtschaft Startups zu fördern sind, braucht der Kulturbetrieb die Förderung von innovativen Ideen und von Nischen. Aus ihnen können vielleicht die Kulturmarktführer der Zukunft entstehen. Aber auch die Großen haben sich anzustrengen, damit sie nicht ein Schicksal wie Nokia oder Blackberry ereilt, um mal wieder einen Vergleich mit der Wirtschaft zu bemühen.

Bei einer solchen Diskussion müsste wohl auch die Rolle der Wirtschaft als Sponsor, Unterstützer, auch Finanzier von Veranstaltungen betrachtet werden?

Es gibt ein deutliches Zugehen der Wirtschaft auf kulturelle Einrichtungen. Das sehen wir im Südtiroler Kulturinstitut an der Art und Weise, wie sich das Sponsoring entwickelt hat. War es vor einigen Jahrzehnten noch unorganisiert und gießkannenförmig – eine Bank zahlte jährlich einen fixen Betrag an den Skiclub, den Theaterverein usw. – ist das heute anders. Größere Betriebe verfügen über eigene Abteilungen, die im Rahmen des Marketings genau darauf schauen, welche Einrichtungen zu ihnen passen und welche sie unterstützen.

Aber der Kuchen ist nicht unendlich teilbar, oder?

Mehr noch! Wir haben in Südtirol rund 46.000 Betriebe, durchschnittlich 4,9 Mitarbeiter pro Unternehmen. Nur 214 Unternehmen haben mehr als 100 Mitarbeiter, nur 53 mehr als 250. Sie sehen, worauf ich hinauswill? Die Zahl großer Unternehmen – und damit großer Marketing- und Sponsoringbudgets – ist in Südtirol doch sehr überschaubar.

Kultursponsoring ist eine spezielle Form der Werbung, hat aber immer noch den Ruf der Bettelei. Wie kann man die Kultur aus diesem Bittstellerdasein herausholen?

Indem man vor allem auf Betriebe zugeht, deren Kundschaft eine große Schnittmenge mit der Zielgruppe kultureller Veranstaltungen hat. Für diese Unternehmen ist Kultursponsoring kein Opfergeld, sondern eine Win-Win-Situation, die es ihnen ermöglicht, mit ihrer Kundschaft Interessen zu teilen. Betriebe, die das unterstützen, was mir persönlich auch am Herzen liegt, sind mir sympathisch. Und wenn mir ein Unternehmen sympathisch ist, werde ich auch gerne bei ihm Kunde sein.

Wie geht das Südtiroler Kulturinstitut mit diesen Gegebenheiten um?

Das Südtiroler Kulturinstitut gehört, das darf ich mit Stolz sagen, zu den ersten gemeinnützigen Einrichtungen, die in Sachen Sponsoring auf eine professionelle Abwicklung gebaut haben. Seit geraumer Zeit schon werben wir aktiv um Drittmittel. Unter dem Dach der „Unternehmerinitiative Wirtschaft und Kultur“ zeigen wir, wie wir modernes Kulturmanagement verstehen. Es ist ein gemeinsames Dach für Sponsoringpartner, die der Kultur eine hohe Wertschätzung entgegenbringen, ein Netzwerk des Austauschs mit großer Breitenwirkung. Daraus sind langjährige vertrauensvolle Partnerschaften entstanden. Von vier Euro, die das Südtiroler Kulturinstitut im Veranstaltungsbetrieb umsetzt, kommen zwei von der öffentlichen Hand, einer aus dem Inkasso und einer über Sponsoring. Damit haben wir eine sehr solide Basis aufgebaut, die wir mittlerweile auch dringend benötigen, um unserem eigenen Qualitätsanspruch gerecht werden zu können.

Sponsoren finden, bedeutet ganz konkret Klinkenputzen. Das ist nicht jedermanns Sache. Wie leicht oder wie schwer fällt Ihnen das? Haben sie als Bankkaufmann und Anlageberater da einfach mehr professionelle Erfahrung als andere?

Aus Erfahrung kann ich sagen, ein Klinkenputzen allein reicht wohl nicht aus. Es geht vielmehr um Überzeugungsarbeit und vor allem um die konkrete und verlässliche Erfüllung eines legitimen Qualitätsanspruchs. Denn natürlich hinterfragen Kunden wie Sponsoren auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ihr Engagement. So richten Sponsoren ihre kulturelle Fördertätigkeit selbstverständlich auch auf ihre Zielsetzungen aus. Sie wollen damit beispielsweise eine Steigerung ihres Bekanntheitsgrades, die Pflege ihres Images oder eine zielgruppenorientierte Kundenansprache erreichen. Auch wollen sie mit ihrem kulturellen Engagement schlichtweg zu einer Aufwertung des Lebens- und Wirtschaftsstandorts Südtirol beitragen. Zudem ist es mehr als verständlich, dass sich für einen privaten Geldgeber das unternehmerische Ziel erfüllen soll, den geleisteten Sponsoringbeitrag auch irgendwann refinanziert zu wissen. Für das Kulturinstitut ist es vor allem unser quirliger Direktor, der mit seiner humorvollen und gleichzeitig konkreten Art unsere Sponsorenfamilie über die Jahre hin aufgebaut hat, sie pflegt und der es immer wieder versteht, Unternehmerinnen und Unternehmer davon zu überzeugen, dass Kultursponsoring durchaus eine Win-Win-Situation darstellen kann. Mit Dankbarkeit darf ich feststellen, dass wir unsere Sponsorenfamilie immer wieder mit Neuzugängen vergrößern dürfen.

Ohne Förderung können selbst große Kultureinrichtungen nicht bestehen. Wie steht Südtirol in Sachen Kulturförderung da?

Das Trentino hat in etwa gleich viele Einwohner wie Südtirol, im Landesbudget aber rund 250 Millionen weniger. Trotzdem gibt unser Nachbar für die Kultur mehr aus, nämlich 88 Millionen – Südtirol derzeit „nur“ 65 Millionen. Der Bereich Kultur könnte also mehr finanzielles Gewicht vertragen in Südtirol. Was mir in diesem Zusammenhang aber immer wieder auffällt: In die Kultur investierte Mittel sind rasch öffentliches Thema, vergleichsweise wenig hört man dagegen über die Mittel, die das Land insgesamt für wirtschaftliche Entwicklung, Landwirtschaft oder Tourismus ausgibt. Letzthin wieder zu beobachten, als es um die ersten Tranchen an die Kulturstiftungen des Landes in Höhe von 6,13 Millionen Euro ging. Da rauschte es durch den Blätterwald. Natürlich viel Geld und ein sorgsamer Umgang damit geboten – ähnliche Aufmerksamkeit würde ich mir aber auch in anderen Bereichen wünschen.

Angesichts multipler Krisen, die derzeit u. a. für hohe Inflation, starke Teuerungen sorgen, wird es auch in der Kultur eng.

Generell wird lieber über Kürzungen im Kulturbereich geredet, anstatt über Erhöhungen oder gar Überprüfung durch Evaluierungen …

Was und wer sollte wie evaluiert werden?

Zunächst wäre eine Bestandsaufnahme sicher sinnvoll: Wie viel Angebot wird in welchen Sparten und an welchen Orten für welche Zielgruppen angeboten? Was sich etabliert hat, gut angenommen wird und wo Steuergelder effizient investiert werden, sollte auch weiterhin unterstützt werden. Aber damit Platz für neue Ideen und Initiativen da ist, sollte zunächst festgestellt werden, wo denn noch Bedarf besteht und wo es vielleicht bereits eine Übersättigung gibt. Vor allem braucht es auch Geld für talentierte kreative Köpfe.

Zurück zur wirtschaftlichen Bedeutung der Kultur …

Hierzu hat es mit der Studie, veröffentlicht vom Institut für Wirtschaftsförderung der Handelskammer Bozen, einen ersten Versuch gegeben; dabei standen die Monitoringberichte „Kultur- und Kreativwirtschaft“ in Deutschland oder die Standortreporte zu verschiedenen Kulturfestivals der Wirtschaftskammern österreichischer Bundesländer Pate. In diesem Zusammenhang erstaunt mich aber immer wieder, dass Wirtschaftsförderungstöpfe für professionelle Kultureinrichtungen tabu sind, obwohl diese natürlich auch Unternehmen sind. Besonders eklatant finde ich allerdings, dass „wir“ auf Mittel aus Direktfinanzierungsprogrammen der EU verzichten.

Könnten Sie Beispiele nennen?

In unserem Bereich sind Erasmus+ und Creative Europe relevant. Erasmus+ stellt für die Sparten Bildung, Jugend und Sport im Zeitraum 2021–2027 rund 26 Milliarden Euro zur Verfügung. Unter anderem können außerschulische oder transnationale Jugendprogramme, innovative Projekte oder Weiterbildungsprogramme eingereicht werden. Creative Europe startete im Mai 2021. Es fokussiert auf die Sparten Media, Kultur und Kulturpolitik. Rund 2,4 Milliarden Euro sind hier für den Kultur- und Kreativbereich reserviert. Spannende Förderschienen auch für die Kultur in Südtirol.

Gerade kleinere Kultureinrichtungen haben aber kaum Ressourcen, um sich durch die Förderstrukturen der EU zu wühlen, die Kriterien, die Ausschreibungen. Was müsste hier passieren?

Auch größere stoßen da an personelle Grenzen. Die EURAC hat eine eigene Abteilung mit mehr als einem Dutzend Mitarbeitern, die Fördermöglichkeiten auf EU-Ebene abklopfen und entsprechende Anträge stellen. Damit lukriert sie beachtliche Mittel! Meiner Meinung nach wäre es erstrebenswert, wenn auf Landesebene Kultureinrichtungen aktiv über Förderungen informiert und bei der Abwicklung der Anträge unterstützt würden. Das Geld wäre da, es müsste nur abgeholt werden.

Im Geldabholen stellen sich die Südtiroler gewöhnlich nicht ganz ungeschickt an. Warum klappt es ausgerechnet in der Kultur nicht?

Vielleicht weil Kulturmenschen sehr kreativ sind und das Ansuchen um Gelder eher trockene Bürokratie ist, die viel Zeit verschlingt, die eigentlich für andere Dinge gebraucht wird. Personell sind Kulturbetriebe fast immer knapp besetzt und tun sich erfahrungsgemäß bei der Suche nach Verwaltungspersonal schwer. Wer neben der Regie auch noch Bürokratie machen muss, hat es in der Tat nicht leicht.

Interview: Heinrich Schwazer

 

Zur Person

Freiherr Hans-Christoph von Hohenbühel genannt Heufler zu Rasen,
 1964
 in Bozen geboren, ist selbstständiger Anlageberater und seit 2018 Vorsitzender des Südtiroler Kulturinstituts. Engagement unter anderen beim Malteser Orden und beim Rotary Club Brixen. 2022 wurde er mit der Notstandsmedaille für die Ukrainehilfe SMOM
, 2021 mit der Notstandmedaille für COVID-19-Hilfe 
geehrt.

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