Du befindest dich hier: Home » Gesellschaft » „Man gibt nie nach“

„Man gibt nie nach“

Alex Schwazer (Foto: Netflix)

Vom Olympiasieger zum Doping-Sünder, vom Opfer eines Komplotts zum Netflix-Star: Was sich Alex Schwazer von der Doku-Serie über seinen Fall erwartet. 

Tageszeitung: Herr Schwazer, die vierteilige Netflix-Serie beleuchtet den „Fall Alex Schwazer“. Ein Versuch der Öffentlichkeit Ihre Sicht der Dinge zu schildern? 

Alex Schwazer: Eigentlich nicht, weil auch die Gegenpartei zu Wort kommt und überhaupt allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben wurde, dabei zu sein. Ich habe damals, als ich kontaktiert wurde, nicht gewusst, in welche Richtung es gehen wird, mir wurde nur gesagt, dass eine vierteilige Dokumentation über meinen Fall entstehen soll.

Und was sagen Sie zum Ergebnis? 

Ich habe die Serie bereits vor längerer Zeit gesehen, weil ich einfach auch hören wollte, was alle anderen Interviewpartner gesagt haben. Vieles ist zudem einfach auch lange her: Wenn ich die Bilder aus Peking sehe – das ist mittlerweile 15 Jahre her – dann sind schon auch Emotionen hochgekommen, weil ich mich an viele Sachen nicht mehr oder nur verschwommen erinnere und es deswegen schon toll war, das alles zu sehen. Es werden aber auch Aufnahmen aus Rio gezeigt wie wir trainieren, die ich selbst nicht kannte, und man geht dann irgendwie in diese Zeit zurück, wo schlussendlich alles umsonst war und das war nicht so schön zu sehen. Aber ich glaube, es ist eine schöne Dokumentation geworden, für alle, auch für jene, die mit dem Sport weniger zu tun haben. Mein Fall ist ein komplexer und es gibt sicher Sachen, die ich anders sehe, aber ich glaube insgesamt, dass es gut dargestellt ist.

Das Bozner Gericht hat das Doping-Verfahren archiviert und darin einen Komplott aufgedeckt. Wie wichtig war Ihnen diese Entscheidung? 

Sehr wichtig. Ich hatte zwei große Ziele: Das erste war in Rio starten zu können, da ich überzeugt war, dass sich das irgendwie klarstellen lässt. Deswegen bin ich ja auch nach Rio geflogen, ich habe nicht einfach so zum Spaß weitertrainiert, sondern wirklich geglaubt, dass ich noch starten kann. Aber als das dann nicht möglich war, war mein letztes Ziel in dieser Sache wenigstens im Strafprozess alles zu geben, um schwarz auf weiß stehen zu haben, dass ich unschuldig bin. Die Rennen werden nicht mehr zurückkommen, aber das was noch möglich war, wollte ich unbedingt erreichen, weil wir einfach so viel investiert haben. Wir haben fünf Jahre hart gekämpft und es war deswegen sicher eine gewisse Genugtuung.

Wer hinter diesen Vorfällen steckt, konnte das Gericht aber nicht aufdecken. Konnten Sie trotzdem mit dieser Geschichte abschließen? 

Das musste ich, weil einfach zu viel Zeit vergangen ist. Es ist leider so, dass die Staatsanwaltschaft in Bozen nie so richtig auf unsere Anzeige gegen Unbekannt 2016 eingegangen ist und sie erst nach der Archivierung durch Richter Pellino beschlossen hat, diese Sache aufzudecken. Und das war einfach zu spät, deswegen hatte ich ab einem gewissen Punkt einfach keine Hoffnungen mehr.

Alex Schwazer und Sandro Donati (Foto: Netflix)

Die Staatsanwaltschaft will jetzt die Archivierung der Ermittlung zur Komplott-Theorie im Ausland beantragen. Endet damit der Kampf vor Gericht? 

Wir werden einen Antrag gegen diese Archivierung einreichen. Wenn man unschuldig ist, gibt man nie nach – das geht nicht. Es gibt aber nur mehr eine Möglichkeit und zwar, dass jemand, der Bescheid weiß, redet. Und das wird erst passieren, wenn derjenige in Zukunft nie mehr im Sport arbeiten wird.

Die Serie beleuchtet Ihre gesamte Karriere: Zuerst der Olympiasieg, die Doping-Beichte, der harte Kampf zurück und dann das Aus kurz vor den Olympischen Spielen in Rio. Was war rückblickend die schwierigste Zeit für Sie?

Die schwierigste Zeit für mich war sicher die Zeit vor den Olympischen Spielen in Rio. Alles was mit London zu tun hat, war schwierig, aber ich habe es akzeptieren müssen, weil ich einen Fehler gemacht habe. Wenn man einen Fehler macht, muss man dafür geradestehen und wenn man deswegen auf den Deckel bekommt, dann muss man das auch akzeptieren, weil es eben die Konsequenzen sind. Aber für etwas geradestehen zu müssen, was man nicht getan hat – man müsste eigentlich gewinnen, muss sich aber weiter rechtfertigen und weiter kämpfen – das war nicht einfach.

Wie sehr hat Sie diese Zeit mitgenommen? 

Meine große Hilfe war sicher meine Frau, die genau vor Rio schwanger geworden ist und ich wusste nach Rio dann auch, dass wir eine Tochter bekommen und eine Familie haben werden. Das hat mir sicher einen Antrieb gegeben, ich musste überlegen, wie es weitergeht – und das war in meinem Fall sehr wichtig.

Wie ging es für Sie nach dem Aus bei Olympia weiter? Haben Sie der Sportwelt den Rücken gekehrt? 

Ich trainiere seit mittlerweile sieben Jahren Hobby-Sportler, vor allem Hobby-Läufer. Ich habe in den Jahren eine gewisse Erfahrung gesammelt und kann dank meines Berufs trotzdem weiter meiner Leidenschaft nachgehen. Der Sport ist einfach meine Leidenschaft, das war er schon immer und wird es immer sein.

Wie geht es jetzt weiter? Welche Projekte stehen demnächst an? 

Momentan eigentlich nichts konkretes. Ich werde beruflich meine Arbeit weiterführen und alles andere werde ich so beurteilen, wie bis jetzt auch: Wenn mir eine Anfrage zusagt, werde ich es machen und sonst nicht. Ich habe aber keine großen langfristigen Pläne, weil es so oder so immer anders kommt, als man es plant – meine Geschichte zeigt ja genau das.

Interview: Lisi Lang

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • laura

    Fakt ist dass Schwarzer bei den Carabinieri war, die eigentlich Betrüger aufdecken sollen, er alles bezahlt bekommen hat, mit alles Privilegien, jedes Monat sein Gehalt von Steuerzahler bekommen hat und alle verarscht und betrogen hat, mein Mitleid hält sich in Grenzen.

    • gabriel

      Liebe “ Laura “ ,

      ich bin der Meinung, dass Sie sich die Doku nicht angeschaut haben. Denn ich kann einfach nicht glauben und es wäre für mich unverständlich, wenn jemand, des dies gesehen hat, solch einen Kommentar abgibt !

      Mich freut es zu sehen, dass die heimischen Medien darüber berichten; denn sehenswert ist Sie allemal

  • backofen

    der Russe steckt dahinter

  • prof

    @Laura
    Alle Sportler welche beim Militär,Polizei Forstwache usw. angestellt sind,müssen während ihrer sportlichen Tätigkeit keinen Dienst leisten, also müssen somit auch nichts „aufdecken“. Schwazer hat gedopt, hat gestanden,hat seine Strafe abgebüßt ist dann aber von wem auch immer Betrogen worden. Es wäre die Pflicht der WADA gewesen die Betrüger (Manipulation der Urin Proben) aufzudecken,sie hatte aber nicht die Courage dazu weil angeblich Russland mit Putin zu stark dahinter steckte. Jetzt mit den Krieg gegen die Ukranie wäre die Situation fast sicher eine andere.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen