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„Das nimmt Freude“

Der Dachverband für Soziales und Gesundheit klagt über gestiegene Kosten und über den bürokratischen Mehraufwand für soziale Organisationen.

Die Pandemie ist einigermaßen überstanden. Alle sozialen Organisationen und Einrichtungen bemühen sich, wieder vom Notbetrieb auf Normalbetrieb umzustellen. Geblieben sind große Herausforderungen. Vor allem fehlt aktuell überall Personal. Dazu kommen gestiegene Kosten und die bürokratischen Auflagen nehmen laufend zu.

Am Freitag hat in der Handelskammer Bozen die Vollversammlung des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit stattgefunden.

Mit der Neuwahl der Gremien wurden die Weichen für die nächsten drei Jahre gestellt. Die Delegierten der 58 Mitgliedsorganisationen wählten einen neuen Ausschuss, der nun in den kommenden Tagen den Präsidenten bestimmen wird.

Dachverband-Präsident Wolfgang Obwexer wollte eingangs bewusst auf positive Entwicklungen hinweisen. Er erinnerte an mehrere erfolgreich zu Ende gebrachte Vorhaben, die nach einer langen Phase der Vorarbeiten endlich zum Abschluss gebracht werden konnten: etwa den neuen Landessozialplan, sowie den Sozialbeirat und das Kompetenzzentrum für Sozialforschung, die im letzten Jahr ihre Arbeit aufgenommen haben. Mit Blick auf die anwesenden Vertreter/innen aus Politik und Behörden sprach er aber auch kritische Punkte an, etwa die anfallende Bürokratie.

„An Hilfsbereitschaft mangelt es auch im Jahr 2023 nicht. Aber je mehr Verpflichtungen zum freiwilligen Engagement dazukommen, desto schwieriger ist es, Personen dafür zu finden. Die Rahmenbedingungen für die Vereinsarbeit und das Ehrenamt müssen passen“, betonte Obwexer.

„Vereine müssen heute in der Praxis wie ein Unternehmen geführt werden. Das nimmt vielen die Freude am Engagement. Oft entsteht der Eindruck, wonach mehr Zeit für Zettelkram aufgewendet werden muss als für die eigentlichen Vereinsziele“, so Obwexer: „Dass wir uns nicht missverstehen: Gesetzliche Regelungen haben durchaus ihren Sinn. Sie sind sicher nicht bösem Willen geschuldet und haben im Einzelnen oft gute Gründe. In der Summe entsteht an der Vereinsbasis aber der Eindruck, dass der Bogen überspannt ist. Vor allem, weil jede Behörde, jedes Amt ihr eigenes Süppchen kocht“, so Obwexer.

Man wolle die aktuelle Situation im Ehrenamt nicht dramatisieren. Bürokratische Hürden können beseitigt werden. Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch, man müsse sie nun aber umsetzen. Obwexer gab sich überzeugt, dies werde gelingen.

„Ein heißes Eisen sind die Finanzen. Das Antragswesen und die Abrechnungen sind drastisch zu vereinfachen“, so Obwexer: „Wir fordern ein einheitliches Beitragsverfahren für den gemeinnützigen Bereich.“

Hier könne Südtirol selbst das Heft in die Hand nehmen und durch das Vereinfachen und Zusammenführen bürokratischer Auflagen zur Entlastung gemeinnütziger Organisationen beitragen.

„Momentan schreibt jede Behörde, egal ob Gemeinde, Land oder Staat, unterschiedliche Abläufe vor. Vereine, die bei mehreren Behörden um Unterstützung und Beiträge ansuchen, müssen also jeweils verschiedene Reglements studieren und Fristen beachten. Sie bekommen zudem die Antwort oft viel zu spät und müssen laufende Tätigkeiten oder Projekte oft über Monate hinweg vorfinanzieren“, so Obwexer.

Der anwesende Landeshauptmann Kompatscher und Landesrätin Deeg versicherten sich für das Ehrenamt einzusetzen, warnten aber vor Panikmache. Die Neuordnung des Dritten Sektors verursache viel Verunsicherung und mehr Verwaltungsaufwand, bedeute aber auch mehr Wertschätzung und Anerkennung für die Vereine, betonte Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Die Praxis hinke dem aber noch nach, aktuell spürbar sind eher neue Belastungen. „Wir wollen es besser machen“, versprach Landesrätin Waltraud Deeg. Der Landeshauptmann kündigte zudem an, dass es beim Bau des „Haus des Sozialen“ in Bozen nun endlich konkret in die Umsetzungsphase gehe. Kompatscher betonte, dass soziale und sanitäre Dienste von den Bürger/innen oft gleichzeitig gebraucht werden, deshalb müssten sie noch enger und effizienter zusammenrücken. Der Landeshauptmann kündigte auch an, dass die Ressorts Gesundheit und Soziales in der nächsten Legislatur wohl wieder zusammengelegt werden.

Landesrätin Waltraud Deeg betonte, es gelte angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Armutsfallen zu vermeiden und Löhne, Renten und Sozialleistungen anzupassen. Auch das Südtiroler Pflegemodell und die Assistenz müssten weiterentwickelt werden, so Deeg. Sorge bereite ihr vor allem das überall fehlende Personal.

„Der gordische Knoten im Bereich Pflege ist unbedingt zu lösen. Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Auf der anderen Seite gibt es immer weniger Fachkräfte“, sagte Wolfgang Obwexer: „Auch Pflegekräfte sind unbedingt von Bürokratie und pflegefremder Arbeit zu entlasten.“

Was die direkte Unterstützung für die Bürger/innen angeht, so spricht sich der Dachverband klar für eine bedarfsorientierte Sozialhilfe aus. „Hier muss in einer Grundsatzdiskussion geklärt werden, wer wie viel Hilfe erhalten soll. Vor allem muss man sich auf ein einheitliches Bewertungskonzept einigen, entweder EEVE oder ISEE bzw. etwas anderes, aber nicht alles parallel“, so Obwexer.

Lob für Stromkostenzuschuss und Bemühungen der Behinderteneinrichtungen

„Erfreulich ist, dass das Land den sozialen Vereinen rasch einen unkomplizierten Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten bezahlt hat. Das hilft, um über die Runden kommen. Lobend zu erwähnen ist auch das Bemühen, die angespannte Situation in den Behinderteneinrichtungen zu verbessern“, so Obwexer.

Durch Personalengpässe sind im letzten Jahr immer wieder Dienste ausgefallen. Leidtragende waren die Familien. Seit Jahresbeginn hat sich die Situation etwas entspannt. Das bedeutet, dass die Klienten die Dienste wieder regelmäßig laut Stundenplan besuchen können und auch die Wohnbereiche wieder für Besuch geöffnet sind.

„Die Rückkehr zur Normalität darf aber nicht heißen, die Situation vor Corona als Ziel zu haben“, betonte Wolfgang Obwexer, „man muss nun den Abbau der langen Wartelisten angehen.“ Hoffnungsvoll erwartet werden jetzt die angekündigten verlängerten Öffnungszeiten heuer im Sommer. Erstmals soll es keine urlaubsbedingten Schließungen mehr geben und der Transport zu den Behinderten-Einrichtungen soll ebenfalls gewährleistet sein.

„Das ist eine wichtige zusätzliche Entlastung. Darauf haben die Familien lange gewartet. Denn nicht jeder kann in der Ferienzeit selbst die Pflege und Betreuung übernehmen“, betonte Obwexer.

Am Ende der Vollversammlung wurden die Mitglieder der Verbandsgremien Ausschuss, Kontrollorgan und Schiedsgericht neu gewählt.

Die Amtsdauer beträgt jeweils drei Jahre.

In den Ausschuss gewählt worden sind: Wolfgang Obwexer (Lebenshilfe), Magdalena Hofer (Blindenverband), Roberta Rigamonti (Sachwalter), Alfred Ebner (AUSER), Luigi Loddi (Ariadne), Stefan Hofer (Sportgruppe Körperbehinderte), Richard Stampfl (Adlatus), Bruno Marcato (Hands) und Ida Lanbacher (Plattform für Alleinerziehende). Das Kontrollorgan setzt sich zusammen aus Hansjörg Elsler, Arnold Zani, Norbert Kofler.

Dem Schiedsgericht gehören an: Markus Kompatscher, Werner Schwienbacher und Angelika Stampfl.

Der Dachverband in Zahlen

Heuer im Mai feiert der Dachverband sein 30jähriges Bestehen. 58 gemeinnützige Organisationen sind aktuell im Dachverband für Soziales und Gesundheit zusammengeschlossen. Zudem werden die rund 200 Selbsthilfegruppen in Südtirol betreut. Menschen mit chronischen Krankheiten, mit Behinderungen oder anderen Beeinträchtigungen, Alleinerziehende, Senioren, Familien, Menschen in Not wie Obdachlose, Flüchtlinge suchen Hilfe.

Die Non-Profit-Organisationen und Selbsthilfegruppen kümmern sich um die Menschen und helfen ihnen, ihr Leben zu bewältigen.

 

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