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„Gert, was tust du?“

Der Landtag ist mehrheitlich gegen ein Wahlwerbeverbot für Vereine und Verbände. Aus teils kuriosen Beweggründen.

von Matthias Kofler

Der Landtag hat sich mit 19 Nein und 16 Ja gegen ein Wahlwerbeverbot für Verbände, Vereine und Gewerkschaften ausgesprochen. Opposition und Mehrheit stimmten kompakt ab: Während die politische Minderheit der Auffassung ist, dass Vereine und Verbände ab dem 60. Tag vor dem Wahltag jegliche Werbetätigkeit für Kandidaten und Parteien unterlassen und anderenfalls sanktioniert werden sollten, erscheint SVP, Lega und Forza Italia der Gesetzentwurf der Grünen als „zu unausgereift“.

In der Generaldebatte brachten die Abgeordneten teils kuriose Argumente ins Feld. Gert Lanz nutzte seinen Redebeitrag, um aus dem Nähkästchen zu plaudern:

„Auch wenn ich als ehemaliger LVH-Präsident in den Landtag gewählt wurde, bin ich nicht als großer Lobbyist in Erscheinung getreten. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Rügen bekommen, weil ich in vielen Punkten zu links, zu rot und zu wenig wirtschaftsfreundlich sei. Ich spreche aus eigener Erfahrung: Wenn man in einem Verband eine falsche Bewegung macht, bekommt man sofort per Mail Rücktrittsforderungen zugeschickt.“

Der SVP-Vertreter wollte mit der kleinen Anekdote zum Ausdruck bringen, dass Abgeordnete sehr wohl zwischen der Tätigkeit in einem Verband und der Tätigkeit im Landtag unterscheiden können. Die Leute wählten keinen Verband – das möge früher so gewesen sein –, heute würden die Personen gewählt. Die Lorbeeren hole man sich bei der Bevölkerung, und nicht im Verband, betonte Lanz. Zudem zeigte er sich verwundert darüber, dass Leute hier sitzen und das Wort erheben würden, „die sich vor fünf Jahren sehr wohl unterstützen ließen“.

Rumms – das hat gesessen!

Gert Lanz

Auch andere Edelweißpolitiker gaben Einblick in ihre tägliche Arbeitswelt. „Wir kommen aus verschiedensten Vereinigungen – gewerblichen, privaten und ehrenamtlichen“, stellte der HGV-Vertreter Helmut Tauber fest. Es sei durchaus legitim, wenn sich Bürger zusammentäten und eine Vereinigung bildeten, und dann auch ihre Meinung kundtäten, Hilfestellungen leisteten und anderes mehr. „Die Oppositionsparteien hätten selbst die Möglichkeit, in ihren Statuten bestimmte Dinge vorzusehen“, giftete der SVP-Abgeordnete in Richtung von Brigitte Foppa und Co. Seine SVP sei „sehr breit aufgestellt“. Welche andere Organisation mache permanent einen direkten Austausch mit Interessen und Vertretungen – vom Vinschgau bis ins Pustertal, vom Brenner ins Unterland? Tauber stellte sogar eine mögliche Verfassungswidrigkeit des Grünen-Gesetzes in den Raum und verwies auf den Verfassungsartikel 21 zur Meinungsfreiheit und auf Artikel 18, der eine uneingeschränkte Zusammenführung von Vereinigungen vorsieht.

Wenn sie in ihre Fraktion hineinschaue, dann sei jeder aus einem Verein oder Verband hervorgekommen, berichtete SVP-Fraktionschefin Magdalena Amhof. „Wer in die Politik geht, streift nicht einfach die im Verein gewonnenen Ideen ab.“ Ihr Kollege Lanz habe es auf den Punkt gebracht: Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, die jemandem nicht in Ordnung gehe, dann gebe es unmittelbar Rückmeldungen seitens der Mitglieder. Ein Verbot jedweder Werbeveranstaltungen 60 Tage vor der Wahl bedeute, dass man auch nicht mehr zu Podiumsdiskussionen gehen dürfte. Mit dem Grünen-Gesetz würden die großen Vereine, an die gedacht werde, nicht getroffen, wohl aber Chöre, Musikkapellen usw., so Amhof. Alle Abgeordneten der Mehrheit hielten sich an die Vorgabe der Chefin. Auch der Arbeitnehmer Helmuth Renzler beteuert, gegen das Wahlwerbeverbot gestimmt zu haben „wenngleich etwas mit Bauchweh“.

Die Opposition schoss sich – wie zu erwarten war – auf die SVP ein: Paul Köllensperger (Team K) erinnerte daran, dass es bereits ein Wahlwerbeverbot gebe. Die bestehende Norm sähe aber keine Sanktionen vor. „Wer die Strafen ablehnt, beweist, dass er mit der aktuellen Regelung gut gefahren ist“, meinte der Oppositionsführer. Ihre Zustimmung zum Gesetz brachte auch Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) zum Ausdruck: Ein Verbot würde zu mehr Chancengleichheit und Neutralität beitragen – auch für Parteien, die nicht im Landtag vertreten seien. Ulli Mair (Freiheitliche) erinnerte an einen Wahlaufruf für einen Kandidaten am Wahltag und die „Zuckersackln”, die der HGV mit Namen von Kandidaten versehen hatte. Für diese Kandidaten seien in der Wahlnacht noch E-Mails verschickt worden.

Brigitte Foppa, die Einbringerin des Gesetzentwurfs, stellte klar, dass eine Podiumsdiskussion mit vielen verschiedenen Akteuren keine Wahlwerbung, sondern eine Hilfe zur Entscheidungsfindung sei. Die Grüne schloss die Debatte mit einem Exkurs:

„Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wir alle hier drinnen bis zum Letzten verteidigen werden. An echter Meinungsfreiheit krankt unser Land nämlich. Deshalb, Kollege Lanz, muss ich den Südtiroler Bauernbund zitieren, der zwei Tage vor der Wahl 2013 folgende Aussage getätigt hat: ,Es ist immer das Gleiche! Kurz vor den Wahlen entdecken viele Kandidaten ihre Nähe zur Landwirtschaft. Die Aufgabe, bäuerliche Kandidaten vorzuschlagen, kann aber nur dem Bauernbund zufallen.‘ So viel zur Meinungsfreiheit.“

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