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Sexuelle Übergriffe

Nach dem Übergriff  („She Said“, Regie: Maria Schrader)

„She Said“ von Maria Schrader ist 127 Minuten hindurch spannend. Es passiert nicht viel und doch alles. Sexuelles ist nicht zu sehen, Harvey Weinstein auch nicht.

von Renate Mumelter

Jodi Kantor ist Journalistin bei der New York Times, Megan Twohey auch. Beide haben Familie. Sie arbeiten als Investigativ-Journalistinnen und wollen den Gerüchten nachgehen, die es über Harvey Weinstein gibt. Er bestimmt als Filmmogul die US-Filmszene und geht offensichtlich davon aus, dass er ein Recht darauf hat bei Frauen übergriffig zu sein. Ein mühsames aber auch gefährliches Geschäft für die zwei jungen Frauen. Mühsam ist es vor allem deshalb, weil niemand sich traut zu reden. Das gute Ende: Heute ist Weinstein zu 23 Jahren Haft verurteilt.

Filmset und Tränen

Ganz am Beginn von „She Said“ sehen wir ein Filmset und eine junge Frau, die dort einen Job als Set-Runnerin übernimmt. Schnitt. Dieselbe junge Frau läuft verzweifelt weinend durch eine Straße. Wir werden diese Frau auch später immer wieder sehen. Sie gehört zu denen, die zunächst schweigen, sich dann aber doch ein Herz fassen und nach vielen Jahren reden. Und dieses Reden ist wichtig, denn nur so können auch weitere potentielle Opfer geschützt werden. Solche Opfer gab und gibt es überall, nicht nur im Filmgeschäft und nicht nur in Amerika.

Schweigen in Tirol 

Kleiner heimatlicher Exkurs: Der in Südtirol stark hofierte Dirigent Gustav Kuhn soll auch zu den Übergriffigen gehört haben. Er legte zwar irgendwann alle Ämter zurück, passiert ist ihm nix, weil verjährt. Das kommt vom Schweigen. 

Nicht mehr länger schweigen wollten jene Personen aus Südtirol, die der Psychologin Veronika Oberbichler erlaubten, ein Gespräch über den Missbrauch, den sie erlebt haben, aufzuschreiben. Ihr Buch „Wir brechen das Schweigen“ wird derzeit in Südtirol vorgestellt. 

Erpresserische Vereinbarungen

Zurück zum Film. Die wenigen Frauen, die sich getraut hätten, etwas zu sagen, wurden von Harvey Weinstein und seinen KomplizInnen mit Geld und üblen Verträgen still gestellt. Jene Frauen, die unterschrieben hatten, sagten nichts mehr, auch weil sie rechtlich wenig Chancen gehabt hätten. 

Paltrow und Judd

Zwei Betroffene machten in Schraders Film direkt mit, Ashley Judd und Gwyneth Paltrow. Judd spielt sich selbst, Paltrow erscheint in einem Audio-Cameo. Sie wird zwar von einer anderen Schauspielerin dargestellt, die Stimme ist aber ihre eigene.

Investigativer Journalismus

„She Said“ zeigt, dass es mit Biss, etwas Glück, Teamarbeit und vor allem viel Mut  möglich ist, Unrecht aufzudecken. Es ist spannend zu sehen, wie penibel seriöse Medien recherchieren, welche Regeln der Korrektheit sie einhalten, welchem Druck sie vonseiten der Beschuldigten ausgesetzt sind. Das kostet Nerven und Geld. Deshalb muss Journalismus was kosten dürfen. Ganz nebenbei wird gezeigt, dass auch Frauen solch delikate Jobs hervorragend meistern.

Formal klassisch

ist „She Said“ ohne Effekthascherei gemacht, sehr klar und nachvollziehbar strukturiert, gut ins Bild gesetzt, und sehr gut gespielt. Zu sehen gibt es „She Said“ in deutscher Fassung oder am Montag in der OmU-Version. 

Filmtipp

Synergie: Regisseur und ZeLIG-Dozent Florian Hoffmann präsentiert am MO um 20h „Stille Post“ im Filmclub.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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