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Der Milliarden-Poker

Neoliberal, unsozial und wenig nachhaltig: Wie die Wirtschaftspolitiker der Landtagsopposition den Haushalt 2023 bewerten. Und welche Änderungen sie vorschlagen.

von Matthias Kofler

Der Landtag behandelt in der kommenden Woche die Gesetzentwürfe zum Landeshaushalt 2023. Bereits am vergangenen Dienstag stellte Landeshauptmann Arno Kompatscher in seiner Haushaltsrede die Eckpunkte des 6,69 Milliarden Euro schweren Rekordhaushalts vor. Von einer „etwas blutleeren LH-Rede“ spricht Oppositionsführer Paul Köllensperger. „Inhaltlich hören sich Kompatschers Reden immer gut an, aber sie passen irgendwie nicht zu seiner Partei“, findet der Team-K-Politiker. Kompatscher erkläre auch nicht, wie er und die Landesregierung die gesetzten Ziele mit konkreten Maßnahmen umsetzen wollten.

„Denn wenn man, so wie er, die Nachhaltigkeit zelebriert, dann frage ich mich, wie das zu seinen Beschlüssen in der Regierung passt“, sagt Köllensperger und nennt einige Beispiele: die Genehmigung der neuen Skipiste Klausberg mit der Rodung von neun Hektar Wald, der Verkauf eines Grundstücks am Rosengarten an einen Parteifreund und die – so Köllensperger – „abenteuerliche Sanierung der Bauvergehen der Tierser Seilbahn, um denen 11,4 Millionen Euro an Steuergeldern zu schenken“. Er selbst habe sich während Kompatschers Rede gefragt, was dieser in neun Jahren konkret an Nachhaltigem geleistet habe. „Mir ist auf die Schnelle dazu nichts eingefallen“, so Köllensperger.

Der Haushalt sei aber „wie immer solide“ – so wie der seines Vorgängers Luis Durnwalder, dessen Haushalt er im Prinzip mit wenigen Verschiebungen, die aufgrund des gestiegenen Kostendrucks vor allem in den Bereichen Sanität und Soziales nötig seien, weiterschreibe. Es fehle an politischem Willen, von der fantasielosen Weiterschreibung historischer Haushaltsposten abzukommen, kritisiert Köllensperger. Er schlägt vor, den IRAP-Hebesatz wieder auf 2,68 Prozent – also auf das Vor-Covid-Niveau – zu senken.

Der Grüne Hanspeter Staffler bezeichnet den Haushaltsentwurf als „mut- und kraftlos“. Kraftlos, weil er bis auf einige wenige Arbeitsbereiche eine schlichte Fortschreibung des Anfangshaushaltes 2022 sei. Mutlos, weil sich keine besonderen politischen Schwerpunkte erkennen ließen, keine Neuausrichtung der Politik und keine Nachhaltigkeitswende für die Zukunft. Geldmäßig bleibe alles beim Alten, Energiekrise, Klimakrise und Naturkrise seien nicht in den Haushalt aufgenommen worden. Die Südtiroler Landesregierung, führt Staffler aus, fahre seit Jahren eine der höchsten Investitionsquoten im EU-Raum: sechs Prozent des BIP seien die Regel, häufig liege die Quote auch darüber. Der EU-Durchschnitt liege bei drei Prozent.

„Die Steuermilliarden der Südtiroler fließen in den Straßen- und Seilbahnbau, in die Tourismusindustrie, in den Bau von Beschneiungsbecken, an Unternehmen, in die Landwirtschaft und auch in den Urlaub am Bauernhof“, sagt Staffler. Auf der Strecke blieben dabei viele Menschen: einerseits Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, andererseits alle Bürger, die die öffentlichen Dienste wie Gesundheit, Pflege, Mobilität und Bildung stärker denn je beanspruchen müssten. Die soziale Schere gehe auseinander, ein Gegensteuern sei auch im Haushalt 2023 nicht in Sicht, sagt der Grüne und wirft der Landesregierung eine „neoliberale Politikagenda“ vor. „Sorgenkinder“ seien die Arbeitsbereiche Sozial- und Familienpolitik, den Wohnungsbau bzw. leistbares Wohnen sowie Energie und Natur- und Umweltschutz. Staffler fordert mehr Steuergerechtigkeit und mehr Respekt für die parlamentarischen Institutionen. Im vorliegenden Gesetzentwurf wiederholten sich die schlechten Gewohnheiten der Landesregierung, wichtige und umfangreiche Gesetzesänderungen an den zuständigen Gesetzgebungskommissionen „vorbeizuschleusen“.

Als „vorhersehbar und schwach“ bewertet Diego Nicolini den Landeshaushalt. „Angesichts einer Inflation von zehn Prozent können wir nicht von einem gewachsenen Haushalt sprechen, denn real sind die zur Verfügung stehenden Mittel deutlich gesunken“, analysiert der 5-Sterne-Abgeordnete. Mit der Verteilung der Gelder ist Nicolini nicht zufrieden: der soziale Bereich sei unterfinanziert, obwohl die Familien und Unternehmen auch im kommenden Jahr am meisten unter der Krise zu leiden hätten. Auch für die territorialen Tarifverhandlungen fehlten die notwendigen Finanzmittel. Besorgniserregend sei die Aufstockung des Reservefonds, über den Kompatscher nach eigenem Ermessen verfüge. Es sei zu befürchten, dass der LH dieses Geld für Wahlkampfzwecke einsetze.

„Der Haushalt zeigt einmal mehr eine gespaltene und unkoordinierte Mehrheit, die kaum in der Lage ist, sich für das Wohlergehen aller Bevölkerungsschichten einzusetzen“, so Nicolini. Der Grillino will im Zuge der Haushaltsdebatte erreichen, dass die GIS für den Urlaub auf dem Bauernhof erhöht und jene für die leerstehenden Wohnungen umgeschrieben werde, da sie sich negativ auf den Mietmarkt auswirke. Als positiv hebt Nicolini die Deregulierung für die weitere Einstellung von medizinischem Personal und die Schaffung internationaler Schulen mit Englisch als erster Sprache hervor.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • andreas

    Allen Recht machen ist eine Kunst, welche niemand beherrscht.

    Die kontinuierlichen Forderungen massiv in Soziales oder die Gehälter der Landesangestellten zu investieren, um den eigenen Wählern zu zeigen, wie sehr man sich um sie kümmert, erfüllt keine Partei, sobald sie an der Regierung ist und die Ausgaben verantworten muss.

    Investitionen, welche Umsätze generieren, sind immer „nachhaltiger“ als Ausgaben, welche keine zusätzlichen Einnahmen bringen.
    Ein Beispiel die Sanität, welche in der Zwischenzeit täglich 4,1 Millionen Euros kostet und sich trotz solcher Beträge nicht merklich gebessert hat.

    Ich bin dafür Familien, deren Einkommen kaum reicht, zu unterstützen.
    Wenn aber eine Deeg für Urlaub auf dem Bauernhof kassiert oder ein Vallazza, weil er sich vom Land den Verkauf seines Grundstücks an die Geschwister finanzieren lässt, bleibt hat für die anderen nichts übrig.

    Solche Vertreter der Bauern zeigen halt, dass nicht nur die Obstbauern, sondern anscheinend auch die Viehbauern ohne wirtschaftliche Notwendigkeit, jeden Cent abstauben, welchen sie kriegen können.
    Gefallen haben die Beiden dem Image der Viehbauern sicher keinen getan…..

    • rumer

      @andreas
      du bist lustig, bezeichnest die Deeg als Viehbäuerin…das hätte ich nicht besser ausdrücken können.
      Bzw. denkst, dass die Viehbauern mit der Geldabschöpfung der Deeg einverstanden wären.
      Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Beiträge auf Pseudobauern, speziell Parteifreunde, geht auf deinen immer hochgelobten Luige della Foresta zurück.

  • gerhard

    Na da muss sich der vorbestrafte Alt-LH ja nun ein klein weniger Sorgen machen, wie er das veruntreute, gestohlene Geld wieder zurückbezahlt.
    Und, Schuler, Köllensperger und ander Lumpen, haltet durch, die 500 Euro erhaltet Ihr im Ruhestand JEDEN Monat, dann braucht Ihr wegen 600 Euro einmalig keine Lumpereien mehr machen.

  • dn

    Herr Staffler hat vollkommen Recht, oder will man Schönreden, dass Ärzte, Pfleger und Lehrer fehlen. Diese konsumieren auch, oder eben auch nicht. Da es in der Parteienlandschaft Südtirols in der linken Ecke ziemlich leer ist, sollten sich die Grünen verstärkt im Sozialen einbringen. Zudem sollten sie sich nicht auch von übermächtigen Medien vereinnahmen lassen. Soweit der Wunschzettel an den Weihnachtsmann.

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