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Herr Prey, was tut der Prey eigentlich?

Kuno Prey: Ich bin schnell, ich rede schnell, ich kann drei Sachen gleichzeitig machen, ich bin ein lebender Scanner.

Kuno Prey hat als Gründungsdekan die Fakultät für Design und Künste der Universität Bozen auf den Weg gebracht. Jetzt hat er seine Erinnerungen aufgeschrieben. Ein Buch zwischen Design-Handbuch und Bildungsroman.

Tageszeitung: Herr Prey, Ihre Karriere als Designer begann mit einem Kurzschluss.

Kuno Prey: Ich bin in einem Hotel aufgewachsen, wo man viel anstellen konnte und ich war ein Kind, das viel Schaden angerichtet hat. Die Malermeister können ein Lied davon singen. Damals besaß ich ein elektrisches Zugile, das mir zu langsam gefahren ist. Um es schneller zu machen, habe ich es an eine 220 Volt-Steckdose angesteckt. Es hat geraucht und gefunkt, ich habe einen Beitler bekommen und das Zugile war hin. Sachen zerlegen und wieder zusammensetzen war für mich eine Lust.

Zum Beispiel.

Zum Beispiel habe ich eine Vespa und ein komplettes Auto zerlegt. Ich bin kein Mechaniker, aber ich habe intuitiv verstanden, was ich tun muss, damit ich die einzelnen Teile wieder finde und richtig zusammensetzen kann. 17 Jahre alt war ich damals. Das Auto gibt es noch immer.  Durch Zerlegen und Zusammensetzen versteht man Arbeitsprozesse und das ist gerade in der heutigen digitalisierten Welt wichtig.

Eine sehr sparsame Großmutter hat Ihnen schon früh beigebracht, was heute als Nachhaltigkeit bezeichnet wird.

Meine Großmutter hat zwei Kriege mitgemacht und wusste, was Not ist. Etwas wegwerfen kam für sie nicht in Frage. Man kann alles noch einmal brauchen, hat sie gesagt.

In der Schule hat es 5 in Latein gesetzt: Für Ihre Mutter waren Sie ein lustloser Faulpelz.

Es war die falsche Schule für mich. Latein hat mich einfach nicht interessiert. Meine Zeichenlehrerin hat mein Talent zum Zeichnen erkannt und mir geraten, die Kunstschule in Gröden zu besuchen.

Wo unter anderem Milli Schmalzl Ihre Lehrerin war.

Eine charismatische Frau. Ich habe bald erkannt, dass ich für die Kunst nicht gemacht bin, das war mir zu wenig konkret. Deshalb bin ich nach Cortina gegangen, wo es eine vergleichbare Schule gab, die auf Möbelbau spezialisiert war. Ich bin per Autostopp zwischen Innichen und Cortina hin- und hergefahren. Die Leiter waren Süditaliener, die sehr offen waren und uns Design-Kultur vermittelt haben. Cortina war damals noch ein Zentrum der italienischen High-Society. Die Agnellis waren da, Indro Montanelli, Marcello Mastroianni und andere.

Wie ging es nach der Matura weiter?

Ich bin über Vermittlung eines Professors beim Centro Studi e Ricerche in Calalzo gelandet. Das war meine erste Berufserfahrung. Ich bin aber bald fremdgegangen und habe für eine Konkurrenzfirma eine Brille entworfen, für die ich gleich eine Auszeichnung bekommen habe. Bei der Verleihung in Mailand habe ich eine Schlüsselfigur kennengelernt, den Meraner Designer Heinz Weibl, der mich mit der Firma Nava Design in Kontakt gebracht hat. Damals habe ich sehr gut verdient, während meine Freunde bei Sottsass gratis gearbeitet haben. Ich habe mir den Luxus einer Visitenkarten leisten können: Kuno Prey, San Candido/Innichen, Dolomiti Italia. Ich dachte, warum dürfen nur die Touristiker mit den Dolomiten Schindluder treiben? Das kann ich auch.  Diese Karte hat, sei es in Italien, sei es in Deutschland, richtig eingeschlagen. Ach, sie kommen aus den Dolomiten, ach wie schön …!

Sie hatten keinen Studientitel, wurden aber trotzdem zum Professor für Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar berufen. Wie kam das?

In Deutschland gibt es den sogenannten Genie-Paragraphen, der besagt, dass berufliche Qualifikation mit akademischer Qualifikation gleichgestellt ist. Bei der Bewerbung in Berlin war eine Frau mit mir in der Endrunde und es war klar, dass sie aufgrund der Frauenquote den Posten bekommen wird. Zeitgleich wurde an der Bauhaus-Universität in Weimar ein neues Projekt für Design gestartet und ich habe mich dafür beworben. Es gab über 500 Bewerbungen, 85 davon wurden zum „Vorsingen“ eingeladen. Ich habe damals einen Rucksack voller kleiner Produkte von mir mitgenommen und die Objekte im Saal zirkulieren lassen. Das hat sie überzeugt und ich wurde berufen. Weimar war sehr wichtig für mich, weil ich dort gelernt habe, wie man eine Schule aufbaut, wie man sein Wissen vermittelt und wie man Studierende begeistert.

Der Name Bauhaus ist Legende.

Der Name hat uns bei den Firmen alle Türen geöffnet. Apple hat uns damals gratis Computer zur Verfügung gestellt. Weimar war eine schöne Zeit. Sobald die Leute verstanden haben, dass ich kein Wessie bin, war ich willkommen.

2002 wurden Sie dann von Weimar nach Bozen berufen wurde, um die Gründung der Fakultät für Design und Künste als Dekan zu organisieren.

1997 hat mich Benno Simma kontaktiert, der von der Eurac den Auftrag bekommen hatte, eine Designakademie zu gründen. Es war schon eine gewagte Geschichte, als diese dann als eigene Fakultät in die Universität eingegliedert und ohne akademischen Rückhalt aus dem Boden gestampft wurde. Da mussten einige Federn lassen, in erster Linie Benno selbst. Die dachten alle, sie werden jetzt Professoren. In Deutschland wäre das ja kein Problem gewesen, in Italien ist es aber unmöglich. Nur Akademiker dürfen eine Fakultät gründen.

Sie hatten damals auch keinen akademische Studientitel. Warum war es bei Ihnen möglich?

Ich hatte einen Professorentitel in Deutschland, der in Italien gleichgestellt war. Deutschland und Italien sind in akademischen Belangen sehr unterschiedlich. In Deutschland ist man als Professor eine hochrespektierte Person, in Italien ist man ein Lump, vor dem es die Institution und die Studierenden zu schützen gilt. Das ist der Grund, warum das System hierzulande so überreglementiert ist. Kommissionen, die die Professoren berufen, sind so geheim, dass deren Namen mit zwei Passwörtern geschützt werden. Was soll das?

Mit Ihrem eben erschienenen Buch „Designing Designers“ möchten Sie den Leuten erklären, was der Prey eigentlich macht. Was macht der Prey?

In meinem Heimatort Innichen kursierten immer viele Vermutungen und Gerüchte, was der Prey eigentlich macht. Es stand manchmal etwas in der Zeitung über mich, etwa, wenn ich einen Preis bekommen habe, aber verstanden hat man nie wirklich, was ich mache. Als ich Professor wurde, haben mein Papa und mein Onkel das nicht geglaubt. Die wollten es schriftlich haben und die Ernennung vom Minister sehen. Es war unvorstellbar für sie, dass einer, der nicht studiert hat, auf einmal Professor sein soll. Ich war richtig beleidigt damals.

Definieren Sie kurz, was ein Designer tut.

In meinem Buch habe ich 8 Ratschläge formuliert, welche Eigenschaften ein Designer haben sollte. Kurz gesagt, ist ein Designer eine kritische Person, die nicht einfach irgendetwas neu gestaltet, sondern den Sinn einer Sache hinterfragt und diese mit großer Verantwortung den Mitmenschen und der Umwelt gegenüber zu verbessern versucht. Selbstverständlich gehört auch dazu, neue Produkte zu gestalten.

Ist alles Design?

Ja, alles ist Design. Hinter jedem Produkt und jeder Serviceleistung stecken ein Kopf und eine Idee

Nicht wenige beklagen, dass es eine Inflation moderner Gestaltung gebe, obwohl wir doch alles schon im Überfluss haben.

Vollkommen richtig. Wir haben von allem zu viel und vor allem haben wir viel zu viele schlechte Sachen. Die Dinge müssen besser werden. Beispiel Zahnbürsten: Die sind immer größer und aufgeblasener geworden in den vergangenen Jahren. Der Kunststoff, der dafür verwendet wird, kann nicht mehr wiederverwertet werden. Warum also? Nur weil die Marketingabteilungen der Herstellerfirmen sagen, wir müssen mehr und anderes als die Konkurrenz bieten? Ein anderes Beispiel sind die momentan modischen Schuhe mit den aufgeschäumten Sohlen. Das ist ein absurder Materialverbrauch, der nicht mehr zu verantworten ist. Ein Designer muss auf diese Situation reagieren. Wir werden weiterhin Schuhe und Zahnbürsten brauchen, aber bitte sinnvoll.

Schlechtes Design ist mitverantwortlich für den Klimawandel.

Und wie. Jede schlechte Entscheidung, wozu auch Design gehört, ist für den Klimawandel verantwortlich. Ich will nicht die Designer an den Pranger stellen, aber sie können ein Element in einer Kette von Fehlentscheidungen sein.

Die große Aufgabe ist es, schlechtes Design hinter und zu lassen.

Ja. Ich will Produkte, die man versteht, die pflegeleicht sind, die reparierbar sind. Ein Bügeleisen ist heutzutage so kompliziert, dass man es nicht mehr reparieren kann, also kauft man gleich ein neues. Und der Kundendienst ist meist so schwierig zu erreichen, dass man es gleich bleiben lässt. Jeder weiß, wie schwierig es ist, einen Videorekorder zu programmieren. Jede alte Oma, und nicht nur die, ist mit einem Digitalradio oder mit ihrem Fernseher schlicht überfordert. Da hat Design eine große Aufgabe.

Vor welchem Designstück gehen Sie in die Knie?

Ich bin begeistert vom Reißverschluss. Das ist ein so banales und so gut funktionierendes Ding. Eine tolle Erfindung.

Sie haben einmal einen Weihnachtsbaum aus Klobesen gestaltet. Pure Lust an Provokation?

Das war keine Provokation. Eine Studentin von mir hat einst traumhaften Christbaumschmuck entworfen, den ich einer Hamburger Geschenkefirma vermittelt habe. Die wollten auch einen Baum dazu und den habe ich entworfen. Der Baum ist produziert worden und war sehr erfolgreich. Das Moma in New York hat ihn in seinem Shop verkauft.

Sind Sie ein leidenschaftlicher Lehrer?

Ein Vermittler. Ich will die jungen Leute aufwecken. Die kommen aus Mittel- und Oberschulen heraus, wo ihre Kreativität über Jahre hinweg unterdrückt wurde. Das sind für mich die kriminellsten Organisationen überhaupt. Sie ersticken das Denken und die Kreativität der Schüler, man lernt ihnen nur auswendig lernen. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass sie Fehler machen dürfen, weil man aus Fehlern lernt. Man muss ihnen zuerst die Angst nehmen, damit sie sich etwas trauen.

Design ist ein stark überlaufenes Studium. Finden die Abgänger der Design-Fakultät alle eine Arbeit?

De facto finden sehr viele einen tollen Job oder werden selbständig. Die wenigen Studierenden, die keine Arbeit finden, werden auf jeden Fall kritische Verbraucher oder kreative Eltern sein.

Kuno Prey hat ein Defizit: Sein Tempo. Er ist so schnell unterwegs, dass er oft nicht denkt, dass andere nicht so schnell sind.

Das stimmt, aber diese Lektion habe ich gelernt. Ich bin schnell, ich rede schnell, ich kann drei Sachen gleichzeitig machen, ich bin ein lebender Scanner. Das versuche ich auch meinen Studierenden zu vermitteln: Ihr müsst alles wahrnehmen, alles aufnehmen, irgendwann könnt ihr es brauchen.

Wo steht die Bozner Design-Fakultät im internationalen Vergleich?

Wir zählen mit Ecal in Lausanne, Les Ateliers in Paris, Design Academy in Eindhoven und Royal Academy of Art in London zu den fünf besten Design-Schulen in Europa.

Bei Design denkt jeder zuerst an Mailand.

Mailand ist viel zu groß und kann keine intensive persönliche Betreuung gewährleisten.

Funktioniert die Dreisprachigkeit?

Die hat sehr gut funktioniert, bis Englisch die dominante Sprache geworden ist. Zu Beginn ist man ohne Deutsch oder Italienisch nicht aufgenommen worden, mittlerweile ist Englisch die Eingangssprache geworden. Die Folge ist, dass alle nur mehr Englisch reden. Sogar im Kaffee reden die Studierenden nur mehr Englisch miteinander.

Was ist Design?

Design bedeutet Verantwortung. Der Gesellschaft und der Umwelt gegenüber.

Können uns gute Formen zu besseren Menschen machen?

Ich bin kein Welt- und kein Menschenverbesserer. Aber wir Designer können dazu beitragen, dass es den Menschen besser geht.

Interview:Interview Heinrich Schwazer

Zur Person

Kuno Prey, 1958 in Innichen geboren, lehrte von 1993-2002 als Professor für Produktdesign an der Bauhaus-Universität Weimar. 2002 gründete er an der Freien Universität Bozen die Fakultät für Design und Künste, wo er als Professor für Produktdesign in der Lehre und Forschung tätig ist. In seinem im Verlag Corraini erschienen Buch„Designing Designers“ erzählt er seinen Werdegang anhand von Projekten und „Kurzgeschichten“.

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