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Hymnen an das Leben 

Pier Paolo Pasolini als Schriftsteller Chaucer

„Pasolinis tolldreiste Geschichten“ lautet der missglückte deutsche Titel für „I Racconti di Canterbury“, Teil zwei von Pasolinis „Trilogia della vita“. Am 2./ 3.11. Filmclub. 

von Renate Mumelter

Damals gab es Anzeigen bei der Zensurbehörde, und es gab viel Publikum für Pasolinis Filme aus der Trilogie des Lebens. „Il Decameron“ wurde 29 Mal angezeigt, „I Racconti di Canterbury“ landete auch bei der Behörde, herausgekommen ist nichts. Die Filme durften ins Kino, auch wenn Nackte zu sehen sind, sogar die Pimmel nackter Männer – ein Skandal Anfang der 1970er Jahre.

Pasolini erzählt in dieser Trilogie Geschichten aus dem Mittelalter, wo es Lebensfreude gab, diese aber streng geahndet wurde. Damit wollte er deutlich machen, dass auch die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaft noch im Mittelalter lebt – die Anzeigen gegen seine Filme bewiesen es. 

Il Decameron

machte 1971 den Anfang. Eine der Erzählungen wurde in Südtirol gedreht, weil Südtirol geeignete Mittelalter-Locations hatte. Der Künstler Giuseppe Zigania hatte die Idee, er stellte den Kontakt zum Bozner Galeristen Ennio Casciaro her. Runkelstein, eine Stube im Stadtmuseum, die Engelsburg, der Brixner Dom, das Bozner Fetzgassl waren Schauplätze. Komparsen aus Südtirol gab es auch. 

In Boccaccios und Pasolinis Decameron vertreiben sich junge Florentiner Männer und Frauen die Wartezeit auf den Hügeln, während in Florenz die Pest wütet. Der Film bekam einen Silbernen Bären in Berlin.

I Racconti di Canterbury

erzählt auch Geschichten zum Zeitvertreib, diesmal unter den Pilgern, die auf dem Weg zum Grab des Heiligen Thomas Becket sind. Die literarische Vorlage kam von Geoffrey Chaucer. Als  solcher tritt Pasolini schriftstellernd im Film auf. Im Decameron war er ein Schüler Giottos. 

In den Geschichten geht es um Lebensfreude, Lust, auch fleischliche Lust, deren Folgen und Begleiterscheinungen. So wird ein Mann, der eine homosexuelle Begegnung hatte, vor aller Augen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Franco Citti und Ninetto Davoli sind wieder tragende Figuren. Pasolini arbeitete auch viel mit Laien. Für den Soundtrack zeichnet er selbst verantwortlich, Maestro Ennio Morricone war sein Berater. In Berlin bekam der Film einen Goldenen Bären.

Umwerfende Bilder 

Dass auch dieser Film unbedingt auf Leinwand gesehen werden muss, versteht sich schon fast von selbst. Tonino Delli Colli malte mit seiner Kamera beeindruckende Bilder. Die Anweisungen dazu kamen von Pasolini. Der hatte einen sehr engen Bezug zur bildenden Kunst, ließ sich für die Bilder in seinen Filmen immer wieder davon inspirieren, in diesem Fall von mittelalterlichen Gemälden. Über diesen Zusammenhang gibt es in Bologna eine Ausstellung der Cineteca. „Folgorazioni figurative“ zeigt die Verbindung zwischen Kunstwerken und Pasolinis Bilderwelt. Nur noch bis 2. November, am Finissage-Tag bis 23h geöffnet. 

Tryptichon des Todes. Salò

Nach dem dritten Teil der Trilogie des Lebens „I Fiori di Mille e una Notte“ hätte ein Tryptichon des Todes folgen sollen. Nur der erste Teil kam zustande. „Salò e le 120 giornate di Sodoma“ (1975) ist Pasolinis skandalträchtigster und der grausamste, denn anders als in der Trilogie des Lebens geht es hier auch um Gewalt und Zerstörung. Vorlagen waren Dantes Inferno und die Schriften von De Sade. 1976 kam der Film kurz heraus, wurde zensuriert und erst 1978 wieder freigegeben.

Filmtipps: 

„Eismayer“, der nicht nur in Venedig sondern auch auf die Biennale viel Aufmerksamkeit bekam. „Triangle of Sadness“, „Tausend Zeilen“ im Filmtreff Kaltern.

 

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