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„Die Hure der Reichen“

Jetzt hat Thomas Schmid, einst einer der engsten Vertrauten von Sebastian Kurz, ausgepackt. Drohen dem Alt-Kanzler und dem in Südtirol gut vernetzten Immobilien-Magnaten René Benko langjährige Haftstrafen?

von Artur Oberhofer

Als er am 21. Juni dieses Jahres erstmals den WKStA-Staatsanwälten gegenübersaß, verriet Thomas Schmid, was ihn dazu veranlasst hat auszupacken und den Kronzeugen-Status zu beantragen.

Es ein Satz seiner Mutter sei es gewesen, der in ihm die Überzeugung habe reifen lassen, „einen Schlussstrich zu ziehen“ und „die Sache aufzuarbeiten“.

Seine Mutter habe zu ihm gesagt:

„Thomas, wir haben dich nicht so erzogen. Wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu, und das mit allen Konsequenzen.“

Tatsächlich, so Thomas Schmid zu den Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), hätten er und andere prominente Ex- und amtierende Politiker „Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren“.

Diesem ersten, ganztägigen Verhör, das aus Geheimhaltungsgründen in der WKStA-Außenstelle in Graz geführt wurde, folgten 14 weitere Vernehmungen.

Und die 454 Protokollseiten mit den Aussagen von Thomas Schmid, dem einst engsten Vertrauten von Sebastian Kurz, erschüttern jeztzt die Republik Östereich.

„Jetzt packt Schmid aus – und stürzt die Republik, indem er aufzeigt, wie verfilzt und korrupt die Spitzen des polit-medialen Systems in der ÖVP waren“, so beschreibt etwa der Wiener „Falter“ die Dimensionen des Skandals.

Es geht denn auch um viel mehr als „nur“ um die sogenannte Inseraten-Affäre mit den frisierten Umfragen, die mit Steuergeldern bezahlt und – wiederum unter Einsatz von Steuergeldern – in Boulevardmedien („Österreich“) vermarktet wurden, um Sebastian Kurz an die Spitze der ÖVP und ins Kanzleramt zu pushen.

„Falter“-Bericht zur Causa Schmid

Muss Sebastian Kurz ins Gefängnis?

Für Ex-Kanzler Kurz könnten sich ebenso die Gefängnistore öffnen wie für den Ex-Innenminister der Alpenrepublik und jetzigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka.

Und die „Österreich“-Affäre, wie der Skandal jenseits des Brenners genannt wird, könnte sogar nach Südtirol überschwappen.

Der Grund:

Auch der hierzulande bestens vernetzte Immobilien-Magnat René Benko wird von Thomas Schmid, dem ehemaligen Kabinettschef und Generalsekretär im österreichischen Finanzministerium, schwer belastet.

Schmid gab nämlich zu Protokoll, Benko habe versucht, ihn – Schmid – dazu zu bringen, „wissentlich seine Befugnis zu missbrauchen“, um ihm Steuererleichterungen zu verschaffen.

Als Geschenk – und dies wäre ein klarer Fall von (versuchter) Bestechung – habe Benko ihm einen Job im Signa-Konzern angeboten, Jahresgage 300.000 Euro plus Boni.

Bestechung, Untreue, Amtsmissbrauch, falsche Zeugenaussage:

Das sind – laut dem Wiener „Falter“ – die schweren Vorwürfe, die in den kommenden zwei, drei Jahren wohl zu einer Anklage gegen Sebastian Kurz und sein Team führen werden.

Ein Bild aus „guten“ Tagen: Philipp Achammer und Sebastian Kurz

„Wenn das rauskommt, sind wir hin“

Der „Falter“ hat bereits die prominent besetzt Anklagebank „fotografiert“:

Darauf werden Alt-Kanzler Kurz, sein Medienbeauftragter Johannes Frischmann, Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling, die Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (die übrigens nach dem Wunsch von SVP-Chef Philipp Achammer den Landtagswahlkampf der SVP im Jahr 2018 hätte managen sollen), die Zeitungs-Macher Wolfgang und Helmuth Fellner sowie die „Austro-Oligarchen“ René Benko und Siegfried Wolf Platz nehmen.

„Fast allen drohen lange Haftstrafen“, schreibt der „Falter“.

Was Thomas Schmid in den tagelangen Verhören schilderte, werde die Republik verändern – politisch, aber auch personell.

Schmid, dessen politischer Lehrmeister der inzwischen zu acht Jahren verurteilte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser war, zeichnet in seinen Verhören das Sittenbild einer durch und durch korrupten Kurz-ÖVP.

Die ÖVP, so schrieb Thomas Schmid in seinen Chats, sei die „Hure der Reichen“, er selbst sah sich als der „Galeerensklave von Kurz“.

Und Schmid war sich bereits damals der Tragweite seines Handelns bewusst: „Wenn das rauskommt, sind wir hin.“

Damit Thomas Schmid tatsächlich den Kronzeugen-Status erhält, muss er der Justiz Neues bieten, neue Fakten offenlegen. Und das hat Schmid, wie man jetzt weiß, auch fleißig getan.

Die Causa Benko

Aus Südtiroler Sicht ist insbesondere der Ermittlungsstrang, der zu René Benko führt, von Interesse. Denn auch der Tiroler Immobilien-Tycoon vertraute auf die Dienste des Thomas Schmid.

Der „Falter“ und der „Standard“ haben indes brisante Details aus den WKStA-Verhörprotokollen mit Thomas Schmid veröffentlicht.

Die Causa Benko beginnt demnach im November 2016, als der Immobilien-Unternehmer Ronny Pecik, der es vom kroatischen Gastarbeiterkind zum angeblich 500 Millionen Euro schweren Geschäftsmann brachte, ein Treffen zwischen Thomas Schmid und René Benko einfädelte.

Schmid sprach danach von einem „superguten Abend“.

Bereits an diesem Abend, an dem er mit Benko drei Flaschen Wein leerte, seien die Steuerprobleme des Tirolers ein Thema gewesen.

Wenige Tage später lud Benko den mächtigen Generalsekretär im Finanzministerium nach Lech zum Skifahren sein.

Am 9. Dezember 2016 schickte Benko dem hohen Ministerialbeamten folgende Nachricht:

„Die Rolle des Generalbevollmächtigten bei uns im Konzern würde dir sicher gut liegen.“ 

Warum suchte Benko den Kontakt zu Thomas Schmid?

Die verdeckte Gewinnausschüttung

Der junge Immobilienstar hatte ein Problem: Die Großbetriebsprüfer im Wiener Finanzamt 1/23 waren „zu wenig kompromissbereit“.

So rekonstruiert der „Falter“ den Sachverhalt:

2007 hatte Benko gemeinsam mit Investoren den Immobilienx ,Imperial von der Bawag PSK erworben, darunter den ,Komplex Tuchlauben, drei angrenzende Immobilien mitten in der Innenstadt: Tuchlauben 3/Bognerstraße 2, Tuchlauben 5-7 und Tuchlauben/ Steindlgasse 1-3.

2008 löste Benko den Komplex Tuchlauben aus dem Portfolio heraus, verkaufte ihn an einen ihm nahestehenden Sicur-Fonds in Luxemburg – zu einem sehr niedrigen Preis von 141 Millionen Euro.

Archivfoto von René Benko (mit Alt-LH Durnwalder und dem damaligen Vize-BM Christoph Baur)

Der Fonds verkaufte den Komplex nur 14 Tage später um 195 Millionen Euro an die PA81 WT Holding Gmbh weiter, eine Mantelegsellschaft der Anwaltskanzlei Wolf Theiss, die wiederum Benko zuzurechnen ist.

Das sind um 54 Millionen Euro mehr, als zwei Wochen zuvor für dieselben Liegenschaften bezahlt worden waren.

Laut Ansicht des Finanzamtes Wien hat Benko offenbar versucht, über eine versteckte Ausschüttung die Steuerlast zu drücken.

Eine versteckte Ausschüttung liegt vor, wenn einander nahestehende Kapitalgesellschaften ,fremdunübliche Geschäfte untereinander machen, das heißt, zu besonders guten Konditionen. Versteuert werden müssen diese Geschäfte aber nach den Verkehrswerten.

Sechs Jahre lang (…) prüfen die Finanzbeamten die Signa Holding.

Man bietet Signa an, von einer ,versteckten Ausschüttung abzusehen. Dafür aber müsste Signa ihrerseits für 50 Millionen Euro Steuern bezahlen.

Doch Signa wollte das höchstens für eine Bemessungsgrundlage von 35 Millionen Euro tun. 

Benkos Problem: Das Finanzamt rückt von seiner Forderung nicht ab.

Nun passiert etwas Ungewöhnliches.

Signa beschließt, den Firmensitz zu ändern. Nicht mehr in der Wiener Innenstadt soll der Konzern offiziell Hof halten, sondern in Innsbruck.

Damit einher geht, dass auch das laufende Steuerverfahren an das Finanzamt in Innsbruck abgetreten werden muss. 

Der zuständige Finanzbeamte in Wien ist dagegen. Seinen Unmut hält er in einem Aktenvermerk im Elak, dem elektronischen Verwaltungssystem, fest. Er schreibt von einem ,überstürzten Abzug.

Das Finanzamt Innsbruck regelt den Fall im Durchwinken. Nur zwei Wochen (…) später liegt das Ergebnis der Außenprüfung vor.

Für den Verkauf des Komplex Tuchlauben setzt das Finanzamt eine steuerliche Bemessungsgrundlage in Höhe von 36 Millionen Euro ab, eine Million mehr, als Signa in Wien zu akzeptieren bereit gewesen wäre.

14 Millionen Euro weniger, als das Finanzamt Wien die Bemessungsgrundlage angesetzt hat.

René Benkos Signa hat seither ihren Sitz in der Maria-Theresien-Straße 3.

Genau dort klopften am vergangenen Dienstag Polizeibeamte und Fahnder der WKStA – und durchsuchten die Signa-Büros.

Übrigens: Florian Schmid, der mit seinen spektakulären Aussagen das „System Kurz“ wohl endgültig zur Implosion gebracht hat, hat den Kronzeugen-Status beantragt, weil er sein Leben ändern und „nicht mehr der Gejagte und Gesuchte sein will“ (so der „Falter“).

Schmid will in den Niederlanden ein neues Leben beginnen.

Das hat er seiner Mutter versprochen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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