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„Wir machen uns Riesensorgen“

Der Chef des hds, Philipp Moser, stellt der Politik die Rute ins Fenster: Wenn man das Twenty „rette“, indem man den Mitbewerbern Aspiag und Tosolini den Einzelhandel im Gewerbegebiet erlaubt, habe dies fatale Auswirkungen auf den Handel in Südtirol.

TAGESZEITUNG Online: Herr Moser, warum schweigt der hds zum Twenty-Urteil?

Philipp Moser: Wir verfolgen die gesamte Thematik sehr aufmerksam. Und wir machen uns konkrete Sorgen.

Nämlich?

Es geht um Grundsätzliches: Es geht um den Einzelhandel im Gewerbegebiet, der in Südtirol nicht erlaubt ist.

Waren Sie überrascht über das Twenty-Urteil des Staatsrates?

Nein, und ich denke, dass das Urteil auch für die Betreiber des Twenty nicht so überraschend gekommen ist, ansonsten hätten sie nicht – wie Ihre Zeitung berichtet hat – in die Mietverträge eine entsprechende Klausel eingebaut. Also: So ganz neu ist die Sache nicht. Wissen Sie, was für uns besonders schlimm ist?

Sie werden es uns sagen …

Das Schlimme ist, dass es faktisch keine Rechtssicherheit gibt. Wo kommen wir hin, wenn auf niemandem mehr Verlass ist? Wo kommen wir hin, wenn wir uns auf Beschlüsse und auf Gutachten verschiedener Doktoren nicht verlassen können? Im Fall Twenty hat es neun Jahre gedauert, bis die Entscheidung gefallen ist …

Eine lange Zeit …

Neun Jahre, das ist ein Wahnsinn, und ich übe hier eine Riesenkritik am System. Wie soll jemand in so einem System Wirtschaft machen und arbeiten?

Wie wird es in Sachen Twenty Ihrer Meinung nach weitergehen?

Die Experten auf allen Seiten werden sich hineinknien und das Urteil analysieren. Und am Ende wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten …

Warum der Steuerzahler?

Entweder werden die Twenty-Betreiber hergehen und sagen, dass sie alle notwendigen Dokumente und Genehmigungen hatten, um die Handelstätigkeit auszuüben. Oder es wird die Aspiag hergehen und ins Feld führen, dass sie die Dummen waren, weil ein Mitbewerber in den vergangenen zehn Jahren zu Unrecht riesige Umsätze generieren konnte.  Wir reden da nicht über Peanuts, sondern über viele Millionen.

Eine salomonische Lösung könnte sein, dass die Politik den Einzelhandel in der betreffenden Zone freigibt, so dass das Twenty nicht schließen muss und die Klägerin Aspiag selbst ein Einkaufszentrum bauen kann …

Das ist die zweite Riesensorge, die wir haben: Wir befürchten, dass es zu einer austarierten Handelsgesetzgebung kommt. Wenn der Ausweg der sein sollte, dass man den Klägern Handelsflächen im Gewerbegebiet zugesteht, dann hätte dies langfristige Auswirkungen auf die Handelslandschaft in ganz Südtirol.

Foto: FB/Twenty

Dann wollen alle den Einzelhandel im Gewerbegebiet?

Richtig! Wenn man im Bozen den Einzelhandel im Gewerbegebiet erlaubt, dann stehen 50 andere Interessenten auf der Matte, die sagen: Ich will auch! Wir sind seit 50 Jahren die Linie gefahren, dass in Gewerbegebieten kein Einzelhandel betrieben werden kann, damit die Ortszentren ihre Attraktivität behalten.

Sie befürchten eine Kettenreaktion?

Wenn es so kommen sollte, dass man das Twenty „rettet“, dann wird nicht nur die Aspiag ein Einkaufszentrum errichten, sondern es wird auch der (Pietro) Tosolini hergehen und sagen: Ich will den Einzelhandel auf dem Metro-Gelände, wo ihn die Gemeinde blockiert hat. Dabei gibt es kein schlüssiges Argument, warum es im Gewerbegebiet zusätzliche Handelsflächen braucht.

Kann es eine allein auf die Landeshauptstadt zugeschnittene Lösung geben?

Nein, es geht um Grundsätzliches. Es geht nicht nur um Bozen Süd. Wenn man in Bozen Süd den Einzelhandel im Gewerbegebiet erlaubt, dann muss das auch für Meran, Brixen und Bruneck gelten. Ich weiß nicht, ob dies politisch vertretbar ist. Ich bin kein Jurist, aber aus meiner Sicht wäre so eine Lösung Anlassgesetzgebung pur. Wie gesagt: Ob so eine Lösung politisch opportun ist, das weiß ich nicht.

Giovanni Podini

Der Twenty-Betreiber macht es dem Land auch nicht einfach, indem er sagt: Wenn ich schließen muss, stehen 500 Menschen auf der Straße …

Das sagt Podini gegenüber den Medien. Gleichzeitig arbeiten 20 Rechtsanwälte im Hintergrund an Schadenersatzklagen, weil sie in den letzten zehn Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in das Twenty investiert haben.

Wo steht denn Ihr Verband, der hds, in dieser Geschichte: Auf der Seite der Aspiag? Oder auf der Seite der Twent­y-Betreiber?

Wir stehen auf keiner Seite. Ich habe nur die große Sorge, dass es für die gesamte Handelslandschaft langfristig zu negativen Veränderungen kommen wird. Wenn man eine Entscheidung trifft, die nur den Sinn und Zweck hat, jemanden zu retten, dann würde sich dies auf das Gesamtgefüge des Handels in Südtirol negativ auswirken. Das wollen wir verhindern.

Eine verzwickte Sache …

Ich weiß auch von politischer Seite, dass die Losung ausgegeben wurde: Lassen wir vorerst die Hände von dieser heißen Kartoffel, lassen wir die Techniker mal die Sache studieren. Mir kann aber niemand sagen, dass das Urteil überraschend gekommen ist.

Interview: Artur Oberhofer

 

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