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Protest gegen „grüne“ Ski-WM

Damian Piazza vor seiner Installation „Die Grüne WM“ im Schaufenster des Circolo – Kreis für Kunst und Kultur in St. Ulrich: Großveranstaltungen wie eine WM haben mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Damian Piazza ist 18 Jahre jung, stammt aus St. Ulrich und besucht dort die Berufsschule für das Kunsthandwerk. In der Vitrine des Circolo -Kreis für Kunst und Kultur protestiert er mit künstlerischen Mitteln gegen die Scheinheiligkeit einer nachhaltigen „Grünen“ Skiweltmeisterschaft. Seine Botschaft: An der WM sind nur die Euro-Scheine grün.

Tageszeitung: Herr Piazza, Sie haben die Vitrine des Circolo -Kreis für Kunst und Kultur in St. Ulrich mit grünen 100 Euro-Scheinen zugepflastert. Ist das als künstlerischer Protest gegen die Scheinheiligkeit der angekündigten nachhaltigen „Grünen“ Skiweltmeisterschaft zu verstehen?

Damian Piazza: Ja, in erster Linie geht es bei meiner Aktion um die Skiweltmeisterschaft 2029 in Gröden, aber man könnte genauso gut an andere Orte denken. Egal, wohin man schaut – Fußball-WM 2022, Olympia Mailand – Cortina 2026 oder ganz aktuell die Asiatischen Winterspiele 2029 in der Wüste von Saudi Arabien – solche Großveranstaltungen haben mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Grün steht für Nachhaltigkeit, in Wahrheit jedoch denken dabei alle an das Grün der 100 Euro-Scheine. Wie fürchten Sie wird Gröden nach der Ski-WM ausschauen?

Mehr Touristen, mehr Fremdenverkehr, mehr Geld nicht nur für einige Wenige, sondern für die ganze Bevölkerung – das ist die Formel, von der sich die Leute blenden lassen. Natürlich wird die Wirtschaft wachsen, sodass man die negativen Begleiterscheinungen zunächst nicht bemerkt. In Wahrheit jedoch gehen viele Touristen gar nicht mehr in die Hotels, sondern in die eigenen Wohnungen und sie kaufen auswärts in der Stadt ein, weil es dort billiger ist. Das bedeutet, die Preise für die Wohnungen werden weiter steigen, weshalb viele Einheimische verkaufen und fortgehen werden. So verliert Gröden Stück für Stück seine Identität. Leider spüren wir dieses Phänomen schon heute.

Sie sind 18 Jahre jung und besuchen die Berufsschule für das Kunsthandwerk. Wie leben die jungen Menschen in einem Tal, wo die Wohnungen von betuchten Fremden aufgekauft werden und die Lebenshaltungskosten astronomisch hoch sind?

Wir sind jung und haben natürlich viele Hoffnungen, aber allmählich wird uns bewusst, dass die Situation enger und enger wird. Wer Glück hat und von den Eltern eine Wohnung bekommt, wird in der Heimat bleiben können, für alle anderen wird es sehr schwierig. Wir träumen alle von einem Zuhause mit Blick auf den Langkofel, aber wenn die Lage sich weiter in diese Richtung entwickelt, wird es ein Traum bleiben. Wenn es ums Geld geht, macht die Grödner Politik alles, aber wenn es um leistbare Wohnungen für junge Einheimische geht, rührt sie keinen Finger.

Hört die Grödner Politik den jungen Leuten zu oder werden eure Sorgen um die Umwelt und die Lebenshaltungskosten ignoriert?

Sie hört den jungen Leuten zu und sie findet auch sehr schöne Worte dabei, aber letztendlich verändert sie sehr wenig. Es braucht Aufklärung und Gesetze gegen diese schädlichen Entwicklungen und die Verlockungen des vermeintlich schnellen Geldes. Wir sollten jetzt auf ein bisschen Wohlstand verzichten, um den nächsten Generationen eine lebenswerte Zukunft zu hinterlassen. Eine WM, das hört sich toll und vielversprechend an, aber am Ende ist es immer der gleiche Teufelskreis um Geld und noch mehr Geld. Am Ende werden wir so arm sein, dass Geld das einzige ist, was wir haben und all das auf die Kosten unserer wertvollen Natur.

Verstehen die Grödner nur Geld?

Nein, nicht alle, aber wie überall regiert auch in Gröden leider das Geld. Man strebt das ganze Leben danach und vergisst, dass man die wirklich wertvollen Dinge nicht kaufen kann.

Es fehlt in Gröden an Gröden, schreiben Sie. Was meinen Sie damit?

Gröden verliert seine Identität. Junge Leute müssen das Tal verlassen, weil die Lebenshaltungskosten so hoch sind. Wenn es so weitergeht, wird es bald keine mehr geben,die Gröden als ihre Heimat bezeichnen, was leider jetzt schon fast der Fall ist. Beim Ausgehen trifft man praktisch nur mehr Fremde. Ich habe nichts gegen Fremde, aber wenn ich in Spanien bin, möchte ich auch Spanier treffen und nicht Franzosen. Das spüren ja auch die Touristen, die dem Personal Fragen über das Tal stellen und keine Antwort bekommen, weil sie selbst nicht von hier sind und nichts von unserem Tal wissen können.

Sie kritisieren, dass die Bewerbung Grödens für die Ski-WM 2029 nicht transparent war. Was war nicht transparent?

Als die Kandidatur abgegeben wurde, war unter dem Tisch alles schon geregelt. Die Bürger wurden erst nachher informiert. Es gab keine öffentliche Diskussion darüber, ob wir diese WM wirklich wollen oder brauchen. Aber Gröden gehört nicht nur ein paar Leuten, sondern allen Bürgern und jeder hat das Recht, über solche Pläne im Vorfeld informiert zu werden.

Protest von Seiten der Künstler hat in Gröden eine große Tradition, man denke nur an Markus Vallazza, Josef Kostner oder Egon Rusina, um nur einige zu nennen. Sehen Sie sich in dieser Tradition und hat Kunst für Sie die Aufgabe, sich politisch einzumischen?

Sich selbst einzustufen ist immer schwierig. Kunst ist meiner Meinung nach immer irgendwie politisch, denn selbst ein Künstler oder ein Werk, das behauptet, unpolitisch zu sein, gibt durch diesen Akt eine politische Erklärung ab.

Interview: Heinrich Schwazer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

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  • treter

    Braaavo Herr Piazza! Sie haben meine volle Unterstützung! Die Versprechungen der WM-Veranstalter, weniger Plastik z.B. bei Trinkbechern usw. zu verwenden, sind ein reines „Greenwashing“ denn auf der anderen Seite gibt es gravierende Eingriffe in die Natur mit Pistenverbreiterungen, Varianten und neuen Speicherbecken!!

  • dn

    Bravo auch von meiner Seite! Eine grüne WM würde für mich bedeuten, die Teilnehmer tragen ihre Ski hinauf und fahren die unpräparierte Piste hinunter. Der ganze Profisport ist mir völlig egal, ich finde es schade, dass dort Kinder und Jugendliche verbraucht werden. Zum Thema Zweitwohnungskauf für nicht Provinzansässige: Die Schweiz hat hier einen Riegel vorgeschoben, wieso geht das bei uns nicht?

  • gulli

    Wo er Recht hat, hat er Recht!
    Herr Piazza ich zolle Ihnen meinen Respekt!

  • pingoballino1955

    Wenn es um Geld geht,sind alle Katzen grau,auch bei den GRÜNEN! Bestes Beispiel mitgestimmt für Millionen Pensionsskandal!

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