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Das zertrampelte Pflänzchen

Michl Ebner

Wie das Medienhaus Athesia mit einer überhasteten Zeitungsgründung seine Monopolstellung im Trentino verteidigen will.

von Artur Oberhofer

Die Situation ist kafkaesk: In einer unternehmenspolitischen Nacht-und Nebelaktion hatte das Medienhaus Athesia am 15. Jänner 2021 die Tageszeitung „il Trentino“ eingestellt – und 19 JournalistInnen in die Wüste geschickt.

Ohne Vorwarnung.

Den drastischen Schritt begründete Athesia-Direktor Michl Ebner damals mit der „schweren Krise auf dem Zeitungsmarkt“, die durch die Corona-Pandemie „noch weiter verschärft worden“ sei.

Und jetzt, keine zwei Jahre später – mitten in der Energiekrise und in einer Zeit, in der alle Printmedien gegen Auflageneinbußen zu kämpfen haben – startet das Medienhaus Athesia im Trentino ein neues Medienprojekt, eine Tageszeitung, und macht sich sogar selbst Konkurrenz!

Die Fakten:

Nach der überraschenden Schließung der Tageszeitung „il Trentino“ war das Medienhaus Athesia mit der Tageszeitung „l’Adige“ und dem Radiosender Dolomit der alleinige Platzhirsch im Trentino.

Anders als in Südtirol, wo die Monopolsituation des Hauses Athesia nicht nur politisch geduldet, sondern von einigen SVP-Kreisen sogar begrüßt und befeuert wird, haben sich im Trentino die Politik und insbesondere die Wirtschaft mit der feindlichen Übernahme und mit der medialen Deutungshoheit durch Athesia nie anfreunden können.

So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Trentiner gegen das Medienhaus Athesia aufbegehren.

Im vergangenen Frühjahr haben die größten Wirtschaftsverbände des Trentino die Stiftung Synthesis gegründet und die Herausgabe einer neuen Tageszeitung beschlossen.

In der Stiftung sind mit dem Unternehmerverband, mit dem Handwerkerverband, mit der Hoteliervereinigung und mit dem Bund der Genossenschaften die größten und wichtigen Wirtschaftsverbände vertreten.

Das neue Tagblatt, das „il T“ heißen wird, soll am 3. November erstmals erscheinen. Für das neue Blatt arbeiten 20 JournalistInnen. Verantwortlicher Direktor ist Simone Casalini. Geplant ist eine 40 Seiten starke Tageszeitung, die von Dienstag bis Sonntag erscheint und 1,50 Euro kostet.

Die Eigentümer des neuen Medienprojektes kalkulieren mit einer verkauften Auflage von 5.000 bis 6.000 Exemplaren. Man wolle mit „il T“ im Trentino wieder mehr Pluralismus schaffen, so das Leitmotiv der Herausgeber.

Nachdem Michl Ebners Versuche, die Trentiner Wirtschaftsverbände von ihrem Vorhaben, eine neue Zeitung zu gründen, abzubringen, scheiterten, beschloss das Haus Athesia, in die Offensive zu gehen – und selbst eine neue Zeitung zu gründen (und dies, obwohl zur Covid-Krise die Energiekrise dazugekommen ist und alle Zeitungen mit sinkenden Auflagezahlen zu kämpfen haben).

Athesia will der Konkurrenz zuvorkommen und wirft am 18. Oktober sein neues Medienprodukt auf den Markt – die Tageszeitung „Il nuovo Trentino“.

Das Blatt, 12 Seiten dünn, soll wie das Konkurrenzblatt „il T“ nur sechs Mal die Woche, von Dienstag bis Sonntag erscheinen – und nur 1 Euro kosten. Für das Blättchen sollen neben dem Verantwortlichen Direktor Paolo Mantovani (der bereits beim „Trentino“ beschäftigt war) nur vier RedakteurInnen arbeiten.

Mit anderen Worten: Das Medienhaus Athesia, das vor weniger als zwei Jahren, das Tagblatt „il Trentino“ über Nacht eingestellt hat, weil im Trentino – nach den Worten von Michl Ebner ­­– für zwei Tageszeitungen kein Platz sei, wirft jetzt eine dritte Zeitung auf den Markt. Wenn man den Corriere del Trentino, also die lokale Beilage des „Corriere della Sera“ noch mitrechnet, sind es sogar deren vier.

Vor diesem medienstrategischen Hintergrund wird klar, dass die Corona-Krise für das Haus Athesia vor zwei Jahren nur ein willkommener Vorwand war, um die Tageszeitung „il Trentino“ zu schließen. Athesia wähnte sich am Ziel.

Der Monopolist Athesia scheut keine Kosten, um seine Pfründe zu verteidigen. Um das zarte Pflänzchen „il T“ zu zertrampeln. Am ersten Tag, am 18. Oktober, soll das neue Athesia-Tagblättchen gratis und in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erscheinen.

Ab 19. Oktober wird die Zeitung „Il nuovo Trentino“ dann um einen Euro verkauft.

Im Trentino haben die Machtspiele des Medienhauses Athesia für viel böses Blut gesorgt. Auf politischer Ebene laufen bereits Bestrebungen, die Monopolsituation wieder auf das römische Parkett zu bringen (vielleicht deswegen die Anbiederung der „Dolomiten“-Chefredaktion an die künftige Ministerpräsidentin Giorgia Meloni?)

Auch auf dem Werbemarkt entsteht jetzt eine paradoxe Situation: Die Werbeagentur Media Alpi – sie gehört zum Hause Athesia – sammelt die Anzeigen für die Tageszeitungen „Alto Adige“, „Adige“ Radio Dolomiti, den Corriere dell’Alto Adige (sehr zum Leidwesen der Redakteure, die so indirekt unter der Ebner-Fuchtel stehen).

Und jetzt kommt auch noch die Zeitung „Il nuovo Trentino“ dazu.

Eine totale Monopol-Situation, also.

Entsprechend hoch waren die Anzeigenpreise im Trentino bislang.

Nun wird man sehen, ob die Trentiner Wirtschaft mit Athesia geht – oder gegen die feindliche Übernahme aufbegehrt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (9)

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  • gulli

    Schon traurig, wenn man den Hals nicht voll genug bekommt…

    • artimar

      Ebners sind Unternehmer.
      Die Konkurrenz belebt offenbar auch das Mediengeschäft. Die (kritische) Leserschaft kann Vielfalt ja nur freuen — oder?

    • besserwisser

      #9ottobre #Tg2Rai ore 20,30
      #Politico, Giorgia Meloni interviene con un video alla convention di #VOX. „Viva l’Europa dei patrioti, serve un’Unione più coraggiosa“ … sonst noch Fragen …
      Herr Ebner ist ja frei zu schreiben was er will.
      Aber die Volkspartei mit Ihren Mandataren sollte wohl so langsam wieder mal einen Blick in die Satzungen riskieren (auch wenn man dabei kein Geld verdient) …

  • sougeatsnet

    Oh, die christlichen Brüder mit ihrem Canonicus (santo subito) meinen es doch nur gut mit den Trentinern. Und diese sind nicht dankbar? Und die Gelder aus Rom, oh die sind gefährdet, wenn die regierende Mehrheit der Vormachtstellung nicht zustimmt. Links oder rechts, ist egal, wichtig ist, dass das Geld fließt. Wir Südtiroler sind ja einiges gewohnt und wechseln sogar zu den Faschi, Geld regiert die Welt. Dass Urzi meine Interessen in Rom vertritt, daran kann ich immer noch nicht glauben.

    • asterix

      @sougeatsnet, da kann ich dir nur zustimmen. Ausser dass die Gelder ausbleiben. Berluconi ist wieder mit im Spiel und dem sein Minister Gasparri hat das Mediengesetz mit Finanzierung eingeführt.

  • brutus

    …es wird immer gegen das Monopol der Athesis gewettert, dabei haben wir es alle selber in der Hand, bzw.sind verantwortlich mit unserem Medienkonsumverhalten, dass dieses eingeschränkt wird.

    • sougeatsnet

      @brutus, wäre schön wenn es so wäre, leider. Beispiel: wer verzichtet bei einem Todesfall auf die Anzeige in den Dolomiten? Werbung Dolomiten, Südtirol1 …. irgendwo sind die christl. Brüder mit von der Partie.

  • dn

    Macht verführt zu Machtmissbrauch.

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