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„Schlimme Saison“

Alberich Hofer, Bergbauernvertreter im Südtiroler Bauernbund, zieht Bilanz über die auslaufende Almsaison: die Wolfs-Risse und die Forderungen der Züchter.

Tageszeitung: Herr Hofer, beginnen wir bei der Almsaison, die sich dem Ende zuneigt: wie ist sie verlaufen?

Alberich Hofer: Schlimm. Die Risse haben dramatisch zugenommen, die gesetzliche Möglichkeit, die Wölfe zu entnehmen, ist gleich null. Der Wolf genießt einen hohen Schutzstatus, der eingeführt wurde, als die Rahmenbedingungen völlig andere waren. Es ist höchste Zeit, die Bestimmungen neu zu regeln, denn Wölfe sind heute nicht mehr vom Aussterben bedroht. Die Möglichkeit der Entnahme muss ins Jagdgesetz aufgenommen werden. Es ist für die Berglandwirtschaft unbegreiflich, weshalb die Behörden nicht mehr Druck machen.

Die Politiker gehen zu lasch vor?

Ich will niemandem etwas unterstellen, aber der Eindruck ist, dass nichts unternommen wird. Die Schutzrichtlinien entstanden in den 1980er Jahren, damals war der Wolf bedroht. Jetzt sind wir im Jahr 2020 und die Situation ist komplett anders. Wir kämpfen seit zehn Jahren, damit das Jagdgesetz reformiert wird, aber es fehlt der Mut. Man argumentiert mit dem Tierwohl, dabei ist es genau das Tierwohl, das unter dem jetzigen Gesetz leidet. Wir brauchen nur an die angefressenen Schafskadaver denken. Für diese Untätigkeit habe ich mittlerweile nur noch eine Erklärung.

Nämlich?

Man will die Peripherie ausbluten lassen. Die Berglandwirtschaft soll aussterben. Man will es so weit treiben, dass wir auf unseren Höfen keine Nutztiere mehr halten können.

Das ist weit hergeholt. Die realistischere Erklärung wäre, dass die Wählerstimmen in den Städten liegen, wo der Wolf nicht als Bedrohung empfunden wird und die italienische Politik deshalb zaudert?

Ich kann verstehen, dass die Politik nach Wählerstimmen-Potential agiert. Aber diese Überlegung  ist mittlerweile überholt. Die Städter kommen ja auch zu uns auf die Berge und genießen sie als Naherholungszone. Sie verstehen die Problematik mittlerweile auch.

Sind die Schäden der diesjährigen Almsaison bereits quantifizierbar?

Die genauen Zahlen werden wir in etwa 3 Wochen haben. Bis dahin wird einiges an Rissen dazukommen, denn der Hunger des Wolfs ist noch nicht gestillt. Dieser versiegt erst, sobald das letzte Nutztier im Tal ist. Der Wolf verfolgt die Tiere selbst bis auf die nieder gelegenen Almen. Auch die Tierschützer müssten für den Schutz der Nutztiere sein, sonst sind sie keine Tierschützer.

Aber ein Trend wird sich wohl bereits jetzt ableiten lassen?

Es wurden viel mehr Tiere gerissen als in den vergangenen Jahren. Mehr noch: Es wurden heuer erstmals auch Kälber gerissen, das ist für Südtirol ein neues Phänomen. Im Gegensatz zur Schweiz oder zu Tirol, wo bereits Pferde angefallen wurden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch bei uns so weit ist.

Was fordern Sie? Die Ausrottung des Wolfs in den Alpen?

Wir fordern keine Ausrottung. Es geht darum, den Wolf, der Menschen gefährdet, ins Jagdgesetz aufzunehmen.

Was würde das bringen?

Das Jagdgesetz regelt, welche Tiere ich abschießen darf. Wenn man den Wolf jagen darf, dann bin ich überzeugt, dass er sich zurückziehen würde. Wölfe sind intelligente Tiere, sie würden verstehen, dass sie nicht mehr sicher sind. Derzeit haben wir nicht mehr einen wilden Wolf, sondern den Kulturwolf, der bis zur Stalltür kommt, weil er weiß, dass ihm nichts geschieht.

Sie zeichnen ein düsteres Bild?

Im Gegenteil, ich drücke die Gefahr noch zu mild aus. Wenn es mit den Rissen so weitergeht, dann wissen wir, was kommt. Dann wird keine Alm mehr bestoßen, denn wir wollen kein Wolfsfutter züchten.  

Was ist mit den Hybriden?

Davon gibt es inzwischen viele. Die könnte man sofort entnehmen, jedoch hinken die Behörden auch hier hinterher. Das Landesamt für Jagd und Fischerei hätte die Aufgabe, die Hybriden durch Tests herauszufischen. Leider geschieht das nicht.

Einige Risse gehen auf das Konto von wildernden Hunden. Wie hoch ist der Anteil?

Verschwindend gering. Auch wildernde Hunde können von den Jagdaufsehern sofort abgeschossen werden. Aber das Problem sind nicht die wildernden Hunde, sondern die Wölfe, die im Blutrausch unsere Tiere teilweise bei lebendigem Leib auffressen. Der Rest der Herde flüchtet in Panik und stürzt ab, diese Tiere fallen dann auch nicht in die Wolfsstatistik.

Die Bauern erhalten Entschädigungen für jeden Riss. Wie hoch sind diese?

Für ein nachweislich gerissenes Schaf sind 70 bis 130 Euro vorgesehen, für die Schafe, die in der Panik abstürzen, bekommen wir nichts. Aber wir wollen keine Entschädigungen, sondern die Möglichkeit, den Wolf zu entnehmen. Es geht uns um die Zucht, die seit Jahrzehnten mit Freude betrieben wird.

Was ist mit Herdenschutzhunden?

Herdenschutzhunde sind bei uns nicht denkbar, es sind zu viele Wanderer, teilweise mit Kindern und Hunden unterwegs. Das kann gefährlich werden. Das sehen wir in der Schweiz. Dort sind die Älpler im Sommer auf der Weide und im Winter vor Gericht. Außerdem bräuchte es viele Herdenschutzhunde, einer oder zwei haben gegen ein Wolfsrudel keine Chance. Die werden getötet. Auch das ist Tierquälerei.  

Und Hirten?

Ein Hirte kann auch nicht rund um die Uhr bei der Herde sein. Der Wolf schlägt meist in der Nacht zu. Ständig präsent zu sein, wo die Angriffe stattfinden, ist unmöglich.

Werden Wölfe bereits illegal abgeschossen?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich sage: Wenn nicht bald eine Lösung kommt, dann wird man sich selbst helfen müssen. Unsere Heimat lassen wir uns nicht nehmen.

Vom Bär hört man gar nichts mehr. Ist er verschwunden?

Man hat heuer nicht viel gehört, das stimmt, aber dass er verschwunden ist, will ich nicht behaupten. Wenn das Life-ursus-Projekt im Trentino nicht gestoppt wird, dann wird er auch bei uns zur Gefahr. Im Trentino sind weite Talschaften entvölkert, dort kann er vielleicht leben. Aber es gab dort auch schon drei Angriffe auf Menschen, was immer gern vergessen wird.

Was fordern Sie in Bezug auf die Bären?

Auch die Entnahme des Bären ist in das Jagdgesetz aufzunehmen.

Ihr Wunsch für die nächste Almsaison?

Bevor wir im kommenden Jahr die Tiere auftreiben, muss eine Regelung da sein. Ich erhoffe mir von der nächsten Regierung, dass sie das Problem endlich angeht und löst. Das verlange ich von Rom, aber auch von Bozen.

Interview: Karin Gamper

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • criticus

    Wenn Wölfe Zeitung lesen könnten, würden sie lachen. Denn die Wölfe überleben das nächste Jahr ohne Abschuss sicher, eher ist da die Frage ob nicht der LR Schuler politisch abgeschossen wird?

  • sougeatsnet

    Pssssst: SSS; problem solved.

  • andreas1234567

    Hallo nach Südtirol,

    immerhin sind die Achtmalgescheiten welche irgendwas von den Herdenschutzhunden und meterhoch und auf Quadratkilometer eingezäunten Berglandschaften schwadroniert haben jetzt ziemlich leise geworden, die letzten Berichte aus der Schweiz waren zu eindeutig, zu vernichtend.

    Das mit den Entschädigungen ist ein Elend, die versprengten Tiere sind verloren, eine Nachschau wird ebenso nicht bezahlt wie der Papierkram. Dazu Kadaverentsorgung und wenn es per DNA so ein Dreckshybrid war gibt es gleich gar nichts.

    Das gilt auch für wertvolle Zuchttiere, da gibt es den Schlachtpreis und sonst nichts.

    Ich hör öfter „soll er nur herkommen, der Wolf. Kriegt was Feines zu fressen“

    Das ist einfach ein Schreibtischtäterproblem, da wird was angeschafft was 200 Jahre kein Problem gewesen ist und nun hat sich leider ein lautstarker Kreis aus Forschern, Meinungsforschern, Tierschützern und Bauernhassern gebildet die sich das Treiben und Geplärr in guter klingender Münze heimzahlen lassen, als Forschungsauftrag, Spende oder mit Staatsdienstgehalt.

    Wenn man keine Bergbauern mehr will soll man das sagen, dann werden die Höfe eben an Oligarchen, Sport-und Mediengrössen oder den dritten Lieblingsneffen von einem Emir verhökert, die verlangten Hofpreise um 1,5 bis 3 Millionen Euro ist für die wie Schuhe kaufen.
    Und dann gibts auch die meterhohen Zäune..Kann sich jeder in Südbayern anschauen..

    Auf Wiedersehen morgen in Südtirol

  • dn

    Die Regierung in Rom wird nicht viel ändern, die wollen den Wolf schützen. Da sind der Schuler und der Bauernbund machtlos. Die Viehzüchter sollten sich nicht zu viele Hoffnungen machen, so leid es mir für sie tut.

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