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Der Affront

Die SVP- und die Lege-Delegation mit Roberto Calderoli (Fotos: Karl Oberleiter)

Die SVP fällt ihrem Koalitionspartner Lega in den Rücken und empfiehlt, beim Referendum am Sonntag fünfmal mit Nein zu stimmen.

von Matthias Kofler

Dicke Luft im Hause SVP-Lega: Beim Referendum an diesem Sonntag werden die beiden Koalitionsparteien getrennte Wege einschlagen. Während der „Carroccio“, der die abschaffende Volksabstimmung auf nationaler Ebene in die Wege geleitet hat, seine Wähler aufruft, bei allen fünf Fragestellungen mit Ja zu stimmen, empfiehlt die Edelweißpartei fünf Mal Nein. Am gestrigen Nachmittag kam die SVP-Leitung per Videokonferenz zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um die Marschroute für das Referendum festzulegen. Senatorin Julia Unterberger erläuterte den Inhalt der fünf Fragestellungen. Der rote Stimmzettel beinhaltet die Abschaffung jenes Teils der Severino-Reform, der den automatischen Amtsverlust von rechtskräftig verurteilten ParlamentarierInnen und RegionalrätInnen sowie den Amtsverlust von BürgermeisterInnen ab der erstinstanzlichen Verurteilung vorsieht.

„Dieser Fragestellung können wir absolut nicht zustimmen“, betonte Julia Unterberger. Es gehe hierbei nicht um Bagatelldelikte, sondern um schwerwiegende Straftaten wie Korruption, Mafia, Bestechung oder Veruntreuung. Sollte das Ja gewinnen, könnten verurteilte PolitikerInnen weiterhin im Parlament sitzen, „als ob nichts wäre“. Daher wirbt die SVP dafür, am Sonntag das Nein anzukreuzen. Auch beim orangenen Stimmzettel empfiehlt das Edelweiß ein Nein. Hier geht es darum, ob die Wiederholungsgefahr aus der Reihe der Gründe gestrichen werden soll, aus denen RichterInnen die Untersuchungshaft oder den Hausarrest über eine Person während der Ermittlungen (also vor rechtskräftigen Verurteilung) verhängen können. Es blieben also nur noch die Flucht- und die Verdunklungsgefahr als mögliche Gründe einer Untersuchungshaft übrig. Die Lega argumentiert, dass die Gefängnisse in Italien überfüllt seien und man daher die Wiederholungsgefahr als Grund streichen sollte.

„Darüber kann man nur den Kopf schütteln“, meint SVP-Senatorin Unterberger. Im Falle schwerwiegender Indizien für die Schuld eines Täters und der Gefahr der Tatwiederholung müsse ein Straftäter zun Schutz der Allgemeinheit aus dem Verkehr gezogen werden können. Man denke an Vergewaltiger, Bankräuber, ja sogar Mörder. Auch bei den anderen drei Fragestellungen spricht sich die SVP für ein Nein aus. Beim gelben Stimmzettel geht es darum, ob RichternInnen untersagt werden soll, von der Rolle des/der RichterIn in die Rolle der/des StaatsanwaltIn zu wechseln, und umgekehrt. Der graue Stimmzettel zielt darauf ab, die Arbeit der RichterInnen auch von den Laienmitgliedern des Obersten Richterrats (AnwältInnen und UniversitätsprofessorInnen) bewerten zu lassen. Dies ist derzeit nicht der Fall, da das Gesetz von 2006 dies verhindert.

Der grüne Stimmzettel schließlich sieht eine Reform des CSM, sprich des Obersten Rates der Gerichtsbarkeit, und der Wahl von dessen Mitgliedern aus den Berufsrichtern (Italienisch: giudici togati) vor. Die BürgerInnen müssen darüber befinden, ob die Vorschrift, nach der RichterInnen und StaatsanwältInnen zwischen 25 und 50 Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, um für die Wahl zum Obersten Rat der Gerichtsbarkeit kandidieren zur können, aufgehoben werden soll. Wie Julia Unterberger ausführte, sind die drei genannten Punkte bereits Bestandteil der Reform des Obersten Richterrats, die derzeit in der Justizkommission des Senats behandelt wird. Eine Reform über eine Gesetzesinitiative eigne sich besser als ein abschaffendes Referendum, ist die Fraktionssprecherin der Autonomiegruppe überzeugt. Die Cartabia-Reform gehe in dieselbe Richtung wie das Referendum. Es gebe nur minimale Unterschiede: So sei auch dort ein Funktionswechsel nur beschränkt auf die ersten neun Jahren weiterhin möglich.

„Die drei Fragestellungen sind daher obsolet“, sagt Julia Unterberger. Die Justizreform sei ein politisch hart umkämpftes Thema, eine Vereinfachung über ein Referendum erachte sie als „nicht zielführend“. Dass die SVP mit ihren fünf Nein der Lega, mit der man auf Landesebene zusammen regiert, in den Rücken fällt, scheint der Senatorin jedenfalls nichts auszumachen. „Ich finde es gut, dass wir damit zeigen, unabhängig zu sein“, meint Julia Unterberger.

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