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„Lockerungen gehen in Ordnung“

Gleich mehrere Länder in Europa planen eine schrittweise Reduzierung der Corona-Maßnahmen. Biostatistiker Markus Falk erklärt, welche Maßnahmen noch Sinn ergeben.

Tageszeitung: Herr Falk, europaweit wird derzeit gelockert. Italien fährt eine vorsichtigere Linie. Ist diese Strategie richtig?

Markus Falk: Die Rücknahme der Maßnahmen ist durchaus nachvollziehbar, weil sich durch Omikron die Sachlage gänzlich verändert hat. Zudem haben manche Maßnahmen an Wirksamkeit verloren. Sinnvoll ist noch die Verwendung der Maske und die Impfung. Mit Testungen kann man hingegen kaum mehr eindämmen, sondern nur mehr aufdecken. Viele Staaten lockern, da eine Überlastung der Krankenhäuser nicht mehr gegeben ist. Diese ist aber in manchen eine rechtliche Voraussetzung für das Ergreifen von Maßnahmen, sodass nun beispielsweise in Dänemark und Schweden geöffnet werden musste.

Sehen Sie in der Rücknahme der Maßnahmen ein Risiko?

Ich denke, es handelt sich hier eher um ein psychologisches als um ein epidemiologisches Problem. Die Frage ist, ob sich mit der Rücknahme das Risikoverhalten der Leute so verändert, dass dies zur Gefahr für die Allgemeinheit wird. Wenn man Südtirol hernimmt, dann war der Rückgang der Fälle in den letzten Wochen auch dem korrekten Verhalten der Bevölkerung zu verdanken. Da die Intensivabteilungen mit Omikron derzeit aber nicht mehr überlastet werden, besteht keine kollektive, sondern nur mehr eine individuelle Gefahr. Jeder muss deshalb selbst abschätzen, wie er damit umgeht. Durch den Wegfall der Maßnahmen ergeben sich auch neue Möglichkeiten. So kann man nun beispielsweise Masken mit Ventilen verwenden, die wesentlich komfortabler sind, den Träger optimal schützen aber nicht das Gegenüber. Deshalb waren sie bisher nicht erlaubt.

Am 31. März soll die Maskenpflicht in Italien fallen. Könnte sich das zu einer Gefahr entwickeln?

Nimmt man die Schulen her, dann liegen derzeit noch nicht alle Informationen vor, um den Wegfall der Maske abschließend beurteilen zu können. Man weiß beispielsweise noch nicht, in welchem Umfang ein Omikroninfekt zu Long-Covid führen kann. Zudem gibt es ab 5-Jahren die Möglichkeit der Impfung. Würde diese genutzt, dann stünde dem Wegfall der Maske nichts im Wege.

 Der vorsichtige Weg, den Italien eingeschlagen hat, ist also der richtige?

Ja, der geht auf jeden Fall in Ordnung. Wenn wir in einem Monat Klarheit haben – und danach sieht alles aus – kann man die Lage wesentlich besser abschätzen. Es ist also gut, wenn man weiterhin vorsichtig bleibt.

Die Green-Pass-Pflicht am Arbeitsplatz und die Impfpflicht für über 50-jährige sollen beibehalten werden. Sollen auch diese Maßnahmen abgebaut werden?

Man kann davon ausgehen, dass der Green Pass bis zum Herbst nur mehr bedingt sinnvoll ist. Für die Gastronomie ist er bereits jetzt kaum mehr relevant, für das Krankenhaus oder das Altenheim kann er aber noch wichtig sein. Die Impfpflicht ist nichts anderes als eine Rückversicherung, die bei einer sich ändernden Infektionslage sofort greift. Aus diesem Grund kann ich mir nicht vorstellen, dass diese sofort wieder zurückgenommen werden wird. Zudem zeigt man damit, dass die Impfung weiterhin wichtig und auch für Genesene von Bedeutung ist. Es wäre keine gute Idee, sich hier wie das Fähnchen im Wind zu drehen, denn wir wissen nicht, was im Detail noch alles auf uns zukommt. Wir wissen aber, dass uns noch einiges erwartet.

Interview: Markus Rufin

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