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„Stimmt mich optimistisch“

In Südtirol wurden diese Woche jeden Tag über 2.000 Neuinfektionen nachgewiesen. Der Infektiologe Gernot Walder erklärt, warum diese hohen Zahlen ein gutes Zeichen sind.

Tageszeitung: Herr Walder, in Südtirol wurden diese Woche jeden Tag über 2.000 Neuinfektionen festgestellt, die Inzidenz liegt bei fast 3.000. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Gernot Walder: Wir stehen am Anfang einer Welle, in der die Omikron-Variante vorherrschen wird. Infektionen mit dieser Variante verlaufen nach bisherigem Kenntnisstand relativ mild, der Anteil der Krankenhaus- oder Intensivpatienten ist geringer als bei den vergangenen Wellen. Allerdings ist Omikron leichter übertragbar und zirkuliert auch unter geimpften Personen. Insofern tut man gut daran, die Erregerzirkulation im Auge zu behalten und ggf. zu bremsen – ist die Zahl der Betroffenen sehr hoch macht auch ein geringer Prozentsatz eine große Zahl aus. Dennoch: Ähnlich hohen Infektionszahlen werden nicht so krasse Auswirkungen haben wie im Herbst oder im März 2020.

Sie machen sich also keine großen Sorgen?

Der durchschnittliche Verlauf ist bei Omikron bisher wesentlich milder und weniger invasiv. Außerdem ist die Welle in Südafrika relativ rasch abgeebbt. Das stimmt uns optimistisch. Ich denke schon, dass wir auf dem Weg aus der Pandemie in ein klassisches saisonal-endemisches Geschehen ein Stück weitergekommen sind – wir bewegen uns – bei aller gebotenen Vorsicht – doch eindeutig in Richtung Normalität.

Problematisch könnte die Anzahl der vielen Positiven sein, weil diese alle in Quarantäne kommen. Ist es noch nötig, auch symptomfreie Positive in Quarantäne zu versetzen?

Grundsätzlich haben wir bei allen Infektionskrankheiten in Vergangenheit darauf geachtet, dass Infizierte so wenig Leute wie möglich anstecken. Das ist weiterhin sinnvoll. Medizinisch entscheidend ist dabei das von einer Person ausgehende Infektionsrisiko – wie lange und wie viel Erreger wird ausgeschieden. Das ist individuell sehr unterschiedlich. Nach allem wie Corona bisher abgelaufen ist, ist ein gewisses Maß an Vorsicht trotz allem Optimismus sinnvoll. Es wird darum gehen, nun das richtige Maß zu finden – so viel, aber nicht mehr Quarantäne als notwendig. Das ist aber keine Novität.

Man hört, dass Nasenflügeltests die Omikron-Vairante vielfach nicht erkennen. Können Sie das bestätigen?

Da wir in der Praxis keine Nasenflügeltests machen, kann ich das weder bestätigen noch widerlegen. Gibt es Hinweise auf einen signifikanten Anteil falscher Tests, so ist dies immer zu beachten und zu prüfen. Nasenflügeltests werden nicht am Ort der Virusreplikation abgenommen, die Sensitivität war also immer geringer als bei anderen Verfahren. Bisher wurden aber hoch positive Ausscheider von diesen Tests meist erkannt. Sollte sich das geändert haben, wären diese Tests tatsächlich in Frage gestellt.

Ein Nasenflügeltest wird also nur positiv sein, wenn man viele Erreger hat?

Alle Tests, die man im vorderen Nasen-Rachenbereich abnimmt, werden dann gute Ergebnisse liefern, wenn es sich um eine produktive Infektion handelt, d.h. wenn z.B. die Nase läuft. Bei Omikron scheint das weniger der Fall zu sein – man hustet eher als dass man nießt.

Es gibt derzeit sehr viele Positive. Die Kapazitäten der PCR- und Antigentests sind schnell erreicht. Sollte man daher dennoch auf die Selbsttests setzen?

Entscheidend ist, dass die Tests eine gute und verlässliche Aussage liefern – das beginnt bei der Abnahme und hört bei der Erstellung des Befundes auf. Erefüllen Sebsttests diese Kriterien, dann sind sie sinnvoll. Ein niederschwelliges Testangebot ist derzeit sicher notwendig, die erforderlichen Kapazitäten hängen aber davon ab, was ich erreichen will. Es macht nicht immer Sinn, die Kapazitäten nach oben zu treiben. Vieles erreicht man auch durch einen klugen Einsatz der vorhandenen Ressourcen, klare Zielsetzungen und ein gutes Zusammenwirken motivierter Kräfte.

Interview Markus Rufin

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